Baer aktuell No. 287 – 22. Juli 2020

Bild des Monats Juli 2020:

Bild des Monats Juli 2020: Jürgen Raap, Das Billard der Helden, 2018


Peinliche Posse um Mohrenstraße“ titelte das Berliner Boulevardblatt „B.Z.“Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG wollen nämlich die U-Bahnhaltestelle „Mohrenstraße“ umbenennen, weil sich Menschen „gekränkt fühlen“ könnten. Doch dann wählten sie für eine neue Bezeichnung ausgerechnet den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka (1804 bis 1857). Die Journalistin Judith Kessler beschreibt in der „Jüdischen Allgemeinen“ Glinkas Oper »Iwan Sussanin« als „vor russischem Nationalismus triefend“ und sein Stück »Fürst Cholmskij« über eine jüdische Verschwörtung als „antisemitisches Heldenepos“. Mit einer U-Bahnstation „Glinkastraße“ würde die BVG daher „die Leute in die Irre und sich selber in historische Untiefen“ katapultieren, lästerte die „Berliner Zeitung“. Zudem besagter Glinka auch noch ein reichlich mittelmäßiger Musiker gewesen sein soll; ein „Riese im Mäntelchen des Dilletantismus“ nannte der Komponistenkollege Peter Tschaikowsky ihn; Glinkas Stücke seien „kindisch naive und schwache Nummern“. Indes – „Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (42, Grüne), die dem BVG-Aufsichtsrat vorsitzt, entschied sich, nicht näher auf Glinkas Antisemitismus einzugehen“, beklagte sich die „B.Z.“. Derweil trieb die „Berliner Morgenpost“ einen Jürgen Mohr auf, der sich vor dem U-Bahn-Eingang fotografieren ließ: „Solange der Name Mohrenstraße noch da oben steht, wollte ich unbedingt ein Foto davon haben“, sagte Jürgen Mohr, und schob süffisant nach, ob „er vielleicht auch seinen eigenen Nachnamen ändern“ solle, „weil sich jemand dadurch beleidigt fühlen könnte“. Antje Hildebrandt schrieb in der Kulturgazette „Cicero“, der Protest gegen den Straßennamen liefe in diesem Fall „ins Leere“, denn die Straße sei doch „nach Menschen“ wie z.B. Gustav Sabac el Cher (1869-1934) benannt, einem schwarzen Militärmusiker im Königsberger Regiment des einstigen Kronprinzen Wilhelm. Die Benennung in „Mohrenstraße“ erfolgte übrigens erst 1991. Vorher hieß sie nach dem ersten DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl-Straße, dies wiederum galt nach der Wiedervereinigung auch nicht als politisch korrekt und ist ein Beleg dafür, wie sehr die Manifestierung von ethischen und politischen Grundwerten immer wieder durch den jeweiligen Zeitgeist relativiert wird. Ein Leserbriefschreiber an den Berliner „Tagesspiegel“ schlug vor, es reiche doch völlig aus, die „Mohrenstraße“ demnächst „Möhrenstraße“ zu nennen und einfach nur zwei Pünktchen auf die Schilder zu malen, anstatt für teures Geld völlig neue Schilder mit einem anderen Namen anzubringen. Außerdem höre sich „Möhrenstraße“ vegan an. Und damit wäre solch ein Straßenname gewiss auf der Höhe der Zeit. Copyright: Raap/Bär 2020

Krätzchen auf den Sommer 2020 *

Dä Clemens Tönnies hätt et heut nit leicht

Mit Fingern wird op ihn gezeigt

Zu große Gier und Großmannssucht

Han jahrelang ihn heimgesucht

Gab uns Corona schon den Rest?

Enä, us China kütt jetzt jetzt noch die Schweinepest

Wird die Wurst beim Metzger dadurch besser sein?

Leider nein!

Dä Trump der weiß nit allerhand

Finnland gehört für ihn zum Russenland

Und Belgien hält dä für ’ne Stadt

Die viele schöne Häuser hat

Schon oft hät sich dä Trump blamiert

Jetzt lebt er völlig ungeniert

Wird dä Trump demnächst wat schlauer sein?

Leider nein!

Über die Maskenpflicht wird sich jezänk

Un op en Party knubbelen se sich wieder em Jedräng

Dä eine will sing Freiheit an

Steht nit so gern met Abstand an

Dä andere setzt sich ne Aluminiumhut op dä Kopp

Und glaubt dä Virus weed gestopp

Wird die Menschheit jemals vernünftig sein?

Leider nein!

Mer losse uns nit lumpen

sagen Merkel und Macron

Dä Olaf Scholz tut Euch wat pumpen

Et hätt noch immer jot jejange

Irgendwie klappt dat schon

Es ist doch ganz egal wie et kütt

Aber Kniesköpp sind wir nit

Werden die Politiker in Zukunft wieder sparsamer sein?

Leider nein!

* Parodie auf ein Krätzchen von Martin Schopps mit einem Zitat von drei Liedzeilen von Marie-Luise Nikuta

Neuer Text: © Raap/Bär 2020

Tofu, „taz“ und Tönnies – zwar hat Kurt Tucholsky 1919 behauptet, Satire dürfe alles, aber dies ist leider oft genug gründlich missverstanden worden. Denn nicht alles, was heute an grobschlächtigem verbalen Geholze unter dem Label „Satire“ firmiert, ist auch in einem engeren literarischen Sinne als solche zu begreifen. So war z.B. der Komiker Oliver Pocher nie einer, der auf hohem sprachlich geschliffenem Niveau wie ein Kurt Tucholsky oder Erich Kästner mit Degen oder Florett elegant die Verwerfungen der Zeit attackierte. Sondern er war immer eher einer, der sich lieber schlagzeilenträchtig in den Niederungen des Boulevardjournalismus mit dem Schlagersänger Michael Wendler herumzoffte, beiderseits mit ungelenken verbalen Schwerthieben, dies jedoch eher vom Management beider so medienwirksam inszeniert, dass beide als Trottel wirken, mit denen sich in der physischen Welt jeder andere Trottel identifizieren kann. Wobei der Schlagersänger Michael Wendler es im übrigen jüngst weniger zu positiven Schlagzeilen über seine Sangeskünste brachte, sondern stattdessen ausführlich über sein Privatleben berichtet wurde, speziell über seine amouröse Zuneigung zu einer Dame, die deutlich jünger ist als er selbst. Nichts desto trotz versuchte Oliver Pocher im TV in der Maskerade des Fleischbarons Clemens Tönnies aufzutreten. Das ging mangels Niveau allerdings so gründlich daneben wie auch sonst so vieles an Pocherschen Komik-Versuchen, denn er veralberte in dem TV-Spot nämlich nicht den westfälischen Wurstycoon, sondern dessen rumänische Akkord-Zerlegekolonnen und gleich auch noch die corona-quarantäne-geplagte Gütersloher Bevölkerung. So sieht sich Herr Bär an dieser Stelle erneut zu dem Hinweis bemüßigt: Satire attackiert niemals die Schwachen, sondern immer nur die Mächtigen. Das sind im übrigen auch die Großbauern in Brasilien, die für den Anbau von Sojabohnen dort den Regenwald abholzen, was aber hier bei uns kaum ein Veganer zur Kenntnis nimmt, der mit dem Bewusstsein moralischer Überlegenheit sein Tofu aus Sojamilchquark aus einem Bioladen in Berlin-Kreuzberg nach Hause trägt.

Sprachliche Geschliffenheit ließ indes auch jene „taz“-Autorin vermissen, die in einem fürchterlich verballhornten Denglisch „All cops are berufsunfähig“ in die Welt hinaus geiferte, was nicht nur als eine unangemessene Sprachverhunzung zu geißeln ist, sondern auch noch als eine Verwechslung von Satire mit einer Hasstirade: Satire hat bekanntlich immer mit Humor und Ironie zu tun, aber wer in solch einem Lamento, das angeblich eine Satire sein soll, die Polizei auf den Müllhaufen wünscht, muss sich nicht nur den Vorwurf der Humorlosigkeit gefallen lassen, sondern auch den Gebrauch eines menschenverachtenden Vokabulars, das man in diesem Zusammenhang getrost als „linksfaschistisch“ bezeichnen kann: Wenn man schon für ein Diskriminierungsverbot eintritt, dann muss das selbstverständlich auch für alle Berufsgruppen gelten. Für wirklich alle. Auch für Metzger, die außerhalb des Tönnies-Imperiums immer noch ein ehrbares Handwerk ausüben! Und ebenso für drittklassige Komiker, die sich für eine Parodie auf die erwähnte „taz“-Redakteurin eine Jogi-Löw-Perücke bei Saskia Esken ausleihen würden.

© Raap/Bär 2020

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Erbspüree ist ein Klassiker aus der Berliner Küche, wird dort gerne mit Eisbein und Sauerkraut kombiniert (Eisbein ist eine gepökelte und gekochte Schweinshaxe). In der neu-deutschen Gourmetküche kombiniert man Erbpüree auch schin mal mit gebratenen Jakobsmuscheln, die man in Butter oder Olivenöl und Knoblauch kurz anbrät, bis sie auf beiden Seiten leichr gebräunt werden. Für das Erbspüree dünstet man in einem Topf 1-2 Zwiebeln glasig an, gibt frische oder aufgetaute Tiefkühlerbsen hinzu, Brühe und Kochsahne, lässt das Ganze weichkochen, gibt dann vorgekochte Kartoffeln hinzu und zerdrückt das alles mit einem Kartoffelstampfer zu einem Mus – alternativ dazu auch mit einem Pürierstab. Abschmecken mit Salz, Pfeffer, etwas Muskat, etwas frischer Petersilie.

Kalbsleber bereitet man am besten auf Berliner Art oder auf venezianische Art zu. Das klassische Berliner Rezept kombiniert die Kalbsleber mit Kartoffelpüree und gebratenen Apfelscheiben, wobei man leicht mit Mehl bestäubte Zwiebeln in einer Pfanne anbrät und dann ebenfalls mehlierte Leber und die Apfelscheiben hinzugibt und das Ganze mit Salz, Pfeffer und bei Bedarf auch mit frischem Majoran aromatisch abrundet. Bei der veneziansaichen Variante reicht man statt Kartoffelpüree Polenta aus Maisgries und mit einer Zwiebelsauce, die man mit gehackter Petersilie, Knoblauch und frischem Salbei angereichert hat.

Portugiesischer Bohneneintopf

Cannellini, eine etwas festere Bohnensorte aus Italien, sind für dieses Gericht am besten geeignet, man kann auch weiße Bohnen nehmen. Man dünstet in Öl Zwiebeln und etwas Speck an, fügt dann die Bohnen und Tomaten hinzu kocht sie bei niedriger Flamme in einer Hühner- oder Gemüsebrühe mit einem Lorbeerblatt. Salzen, pfeffern, Paprikapulver hinzufügen, vorgekochte Kartoffelstücke und milde Chorizowurst hinzufügen, außerdem Knoblauch, Thymian oder Koriander (aber nicht beides zusammen), zum Schluss rundet man das Ganze noch mit etwas Limettensaft und geschälten Garnelen ab.

Impressum: V.i.S.P. Jürgen Raap, Senefelderstr. 5, 50825 Köln

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