Baer aktuell 310 – 22. April 2022

Bild des Monats April 2022:

Siglinde Kallnbach, Jürgen Raap, „Let’s work together“, Acryl und Öl auf Leinwand, 2022

Bär aktuell 310 – 22.April 2022

Wer sich gerne an Albernheiten ergötzt, der lese regelmäßig die BILD-Zeitung, die sich jüngst nicht zu schade war, ausgerechnet den einst voluminös daher stapfenden, inzwischen aber gründlich abgespeckten Ex-Fußballmanager Rainer Calmund als neuen James-Bond-Darsteller zu empfehlen. Ein hohes Maß an Durchgeknalltheit kann man auch der Frontberichterstattung in „BILD“ attestieren, deren Bemühen, Hemingway’sche Kriegsreportagen aus den 1940er Jahren mit einem zeitgemäßen Spritzer aus der Tränendüse anzureichern und solchermaßen auf heutigem Boulevard-Niveau zu imitieren, gründlich daneben geht und handwerklich an eine holzschnittartig-grobe Agitprop-Strategie erinnert. Als ob es nicht gereicht hätte, dass uns der Bundespräsident mit gewohnt bedächtigen Worten auf künftige „harte Zeiten“ eingeschwört hat, glaubt man bei BILD, durchhalteparolenmäßig noch einen drauf setzen zu müssen. Dabei weiß doch ohnehin längst jeder, dass der böse Bube, der diesen Krieg völkerrechtswidrig angefangen hat, im Moskauer Kreml sitzt und nicht anderswo. Nach fast sechs Wochen Krieg haben auch ohne BILD-Propaganda selbst die dümmsten Daddelbrüder unter uns begriffen, dass die allabendlich via „Tagesschau“ dokumentierte Zerstörung ukrainischer Städte kein zynisches Kriegsspiel im virtuellen Raum einer Playstation-Konsole mit sauberer Cyber-Ballerei am Bildschirm ist. Wiewohl bei dieser Kriegsführung im digitalen Zeitalter gleichzeitig juvenile Influencer in Russland sich darüber beklagen, das zensurpolitische Abschalten der sozialen Medien dort habe ihnen das Geschäftsmodell verdorben, ihre gleichaltrigen „Follower“ mit Schminktipps zu traktieren. Dazu ließe sich an dieser Stelle ein Clint Eastwood-Zitat aus dem Film „The Mule“ anführen, wo Eastwood einen 90jährigen Drogenschmuggler spielt, der im Dialog mit einem Darsteller aus der Influencer-Generation diesem zu bedenken gibt: „Internet? Wer braucht denn so einen Scheiß?“ Weil sich Kriegsgeheul mit Kosmetikwerbung in den sozialen Medien nun mal nicht übertönen ließe, kann man – „feministischer Außenpolitik“ (Baerbock) zum Trotz – auch gut darauf verzichten. Und ebenso auf Rainer Calmund als Hauptdarsteller im nächsten James Bond-Film. Copyright: Raap/Bär 2022

Der ganz normale Wahnsinn Putin sei eigentlich ganz umgänglich, findet Eckard Mickisch, Betreiber des Wildparks Mehlmeisel in Oberfranken. Allerdings handelt es sich dabei um ein 200 kg schweres Wildschein, das bislang auf den Namen „Putin“ hörte, nun aber umgetauft werden soll: denn „keine Sau“ habe es verdient, so zu heißen, findet Mikisch. „Schröder“ wäre als neuer Name für das Wildschwein aber wohl auch nicht angebracht, findet Herr Bär. – Ob man aus einer Talkshow heraus Regierungsgeschäfte erledigen könne, hatte sich der „Südkurier“ gefragt, und Gesundheitsminister Lauterbach trat den Beweis dazu an, indem er bei Markus Lanz ankündigte, die erst tags zuvor beschlossene neue Quarantäneregelung anderntags sofort wieder einkassieren zu wollen, was den echauffierten CSU-Politiker Alexander Dobrindt zu der Forderung veranlasste: „Talkshow-Quarantäne für Karl Lauterbach!“ Ein durchaus sympathischer Gedanke, meint Herr Bär. Das auch sonst eher reichlich desaströse Erscheinungsbild der Bundesregierung fasste die „Berliner Zeitung“ mit den Worten zusammen: „Die Bundesverteidigungsministerin erklärt Sachverhalte für geheim, die der Parteivorsitzende der SPD ebenfalls in Talkshows munter ausplaudert, und der Vorsitzende der Grünen kritisiert Entscheidungen der Bundesregierung, die es angeblich gar nicht gegeben hat. Hat Scholz eigentlich sein Kabinett im Griff oder kann da jeder machen, was er will?“ Die Außenministerin propagiert „feministische Außenpolitik“, was in der aktuellen Kriegs-und Krisensituation naiv und weltfremd klingt, auch die Bundesfamilienministerin Anne Spiegel ist laut „Der Spiegel“ zu einer „Symbolfigur für Versäumnisse und Fehlleistungen“ geworden, und der Verkehrsminister Volker Wissing leistet sich gar den Schildbürgerstreich, ein Tempolimit mit der Begründung abzulehnen, man habe ja nicht so viele Hinweisschilder zur Verfügung, die man dann an den Autobahnen aufstellen müsste. Nun ja, der ganz normale Wahnsinn eben.

Copyright: Raap/Bär 2022

Der Lauterbach behält die Maske sogar beim Zähneputzen auf (Kabarettistin Sabine Solgar).

Die Freiheit, die ich meine Kunst muss frei sein, schreibt die Autorin Eva Menasse in „Die ZEIT“, sie „muss spielen dürfen, probieren, polemisieren, sie muss irren dürfen, irritieren und kränken“. Vor allem letzteres ist in den Augen von Herrn Bär heut zu tage ja oft problematisch, denn allzu oft schlüpft einer in die Rolle der beleidigten Leberwurst, wenn sprachlich scheinbar Unkorrektes oder bildnerisch vermeintlich Anstößiges dargeboten wird. „Die überschießenden Empfindlichkeiten, der hochaggressive, tendenziell ausschließende Diskurs, der irrationale Glaube, mit den bösen Wörtern das Böse selbst ausmerzen zu wollen“ sind Symptome dieser Leberwurstiade, deren Anhänger selbst oftmals gar nicht betroffen sind von dem, an dem sie Anstoß nehmen, sondern die nur andere bevormunden wollen, und denen man nur ein altes Zitat des Kabarettisten Richard Rogler entgegen halten kann: „Freiheit aushalten“. Und weiter schreibt Eva Menasse: „Man muss gar nichts von oben verbieten, wenn sich die Gesellschaft selbst zensiert.“ Das ist bei uns der Unterschied zur Putin’schen Diktatur: dort drangsaliert die Obrigkeit die Journalisten in Sachen Sprachregelung, denn „Krieg“ gilt dort als „K*Wort“, das man nicht aussprechen darf. Bei uns sind es eher die Empörungshysteriker und Shitstormathleten, deren Erregungspotenzial Zensurmaßnahmen hervor ruft und die bestimmen wollen, was als unangemessene kulturelle Aneignung tabu sein soll. Der Vorrang der Kunstfreiheit werde in Frage gestellt, im Namen der Ethik, beklagt sich daher der Kulturjournalist Ralf Schlüter. Während kölsche Bands allerdings bislang damit durchkamen, sich für ihr Liedgut auch an Samba- und Salsa-Rhythmen aus dem globalen Süden zu bedienen, warfen einige Eiferer z.B. allen Ernstes der afro-amerikanischen Musikerin Beyoncé Knowles vor, es gezieme sich nicht für sie, sich an der indischen Kultur zu bereichern, als sie in einem Video in indischer „Bollywood“-Manier posierte. Künstler müssen „sich nicht mehr nur für ästhetische Entscheidungen rechtfertigen, man schaut auch auf ihren Umgang mit extremen Machtgefällen und mit Ausbeutungsverhältnissen. So steht ein neuer Begriff von immateriellem Eigentum im Raum, einer, der nicht durch das Urheberrecht abgedeckt ist“, schreibt Ralf Schlüter, und fügt an: „Wäre es nicht eine Horrorvision, wenn am Ende für die Legitimität bestimmter kultureller Äußerungen zuerst der Nachweis der korrekten Ethnie erforderlich ist? Ja, das wäre es. Seit jeher geht Kunst aus anderer Kunst hervor; kulturelle Aneignung ist nicht erst ein Thema, seit die Maler und Bildhauer der Renaissance die Werke der Antike nachgeahmt haben. Kunst muss immer teilbar sein, sie lebt gerade von Adaption, Anverwandlung und Variation, von Hommage, Pastiche und Zitat. Die Unbefangenheit, sich vorgefundenen kulturellen Materials zu bedienen, ist wesentlicher Bestandteil von Kreativität überhaupt.“

Copyright: Raap/Bär 2022

Ein recht wacher Geist schrieb neulich einen Leserbrief an den Berliner „Tagesspiegel“, ihm mache es nichts aus, dass Olaf Scholz als ein Kanzler ohne Charisma gelte. Der letzte sozialdemokratische Kanzler, den wir hatten, nämlich Gerhard Schröder, sei ein Charismatiker gewesen, „und man weiß ja, was inzwischen aus dem geworden ist“. Dann bevorzuge er, der Leserbriefschreiber, doch lieber den Scholzomaten als „Mann ohne Eigenschaften“. Doch nach dem Affront der ukrainischen Regierung gegen den in Kiew unerwünschten Bundespräsidenten bewies Scholz Rückgrat, eine Einladung als Ersatzspieler dorthin nicht erst einmal nicht anzunehmen, um den Bundespräsidenten nicht noch ein zweites Mal zu desavouieren. Herrn Bärs Prognose: eine Stimmungskanone (jaja, diese Vokabel klingt ein bisschen frivol in diesen Zeiten) wird unser Olaf „vorne SCH und hinten OLZ“ (Kabarettist Ingo Appelt) zwar nicht mehr. Aber die Scholz’sche Unaufgeregtheit ist nicht die schlechteste Eigenschaft in diesen Zeiten, wo doch manche unserer Zeitgenossen jetzt zu einer neumodischen Form des Hurra-Patriotismus neigen, zwar nicht für die Ukraine sterben zu wollen, sondern sich damit begnügen, sich in der kalten Wohnung einen Pullover anzuziehen, wenn sanktionsbedingt der Gashahn abgedreht bleibt („Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“, so Altbundespräsident Joachim Gauck). Dabei übersehen sie in ihrem Übereifer an Bereitschaft zum Energieboykott eine nachhaltige Beschädigung unserer Wirtschaftskraft und damit zwangsläufig auch eine politische Schwächung in der Systemkonkurrenz mit Autokratien und Diktaturen. Doch das walte Olaf Scholz.

Wer gerne zockt, sollte beizeiten katholische Theologie studieren und dann eine Pfarrstelle im Erzbistum Köln antreten. Wie nämlich der „Kölner Stadtanzeiger“ meldete, beglich das Erzbistum „Schulden eines Priesters, die unter anderem auch durch Glücksspiel entstanden sein sollen“ in Höhe von 493.000 Euro aus einem „bischöflichen Sondervermögen“, und zwar „mit Rücksicht auf das Gemeindeleben“, wie es zur Begründung heißt. Herr Bär fordert daher vehement, dass dieses schlechte Beispiel nicht Schule machen möge und deswegen mit dem angekündigten „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr keineswegs Spielschulden im Offizierskasino beglichen werden dürfen.

Rücktritte von Politikern haben für diese ja auch ihre guten Seiten Denn Ex-NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser kann jetzt unbeschwert und unangefochten Urlaub machen und mit ihren nach der voraussichtlich verlorenen Landtagswahl ebenfalls mandatslosen Parteifreunden als Reisegefährten schon auf dem Hinflug lauthals den alten Stimmungshit anstimmen: „Buenos dias, Mathias, mer sin widder do, he op Mallorca wie jedes Johr…“

In Japan klagte ein Lokführer gegen seinen Arbeitgeber West Japan Railway Company, und zwar wegen eines Lohnabzugs von umgerechnet 32 Cent aufgrund einer Verspätung von nur einer Minute. Herr Bär meint: Würde bei uns jede Verspätung der Deutschen Bahn anschließend vor den Arbeitsgerichten verhandelt, bedeutete dies gewiss sehr rasch den Zusammenbruch unseres Justizwesens wegen Überlastung. Copyright: Raap/Bär 2022

Die Axt im Wald erspart den Zimmermann“ mochte sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk gedacht haben und holzt sich verbal seitdem höchst undiplomatisch bei uns Tag für Tag durch alle möglichen Talkshows und Pressekonferenzen, sich dabei freilich mit einer höchst unangebrachten Anmaßung und Überzogenheit seiner Vorwürfe und Forderungen der berechtigten Kritik durch den SPD-Granden Sigmar Gabriel aussetzend, er, Melnyk, neige zu „Verschwörungstheorien“. Dass Melnyk auch noch bekundete, er habe über „einen Scherz“ von Bundeskanzler Olaf Scholz „nicht lachen“ können, wie der Kölner „Express“ kolportierte, kann man Melnyk allerdings nicht anlasten. Über Witze, die Olaf Scholz erzählt, bricht nun wirklich nicht jeder in brüllendes Gelächter aus. Wobei man nicht weiß, ob die Pointe von vorneherein nicht funktioniert, oder ob Scholz eine an sich gute Pointe erzähltechnisch in den Sand setzt.

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Pasta alla Fornaia Ein Rezept aus der Toskana. Man kocht Spaghetti. Zugleich erhitzt man Olivenöl in einer Pfanne, dünste darin gehackte Wallnüsse, Basilikum, Petersilie und Knoblauch an, gibt dies dann auf die Spaghetti auf dem Teller und streut geriebenen Pecorino-Käse darüber.

Brotsuppe

Man schwitzt in einem großen Topf in Butter Stücke von altbackenem Brot zusammen mit Zwiebeln an, rührt etwas Mehl hinein und füllt das Ganze mit Fleischbrühe auf, gibt Suppengemüse (Möhren, Porree, Sellerie) und 1 Knoblauchzehe hinzu, lässt das Ganze köcheln, bis das Gemüse weich ist. Würzen mit Salz, Pfeffer, Paprika, Majoran, Kümmel und Schnittlauch.

Rheinischer Heringsstipp Dazu nimmt man Bismarckheringe, die schon in einer sauren Marinade aus Essig, Speiseöl, Zwiebeln, Senfkörnern und Lorbeerblättern eingelegt sind, schneidet sie in kleine Stücke, vermengt sie mit Zwiebelringen, Apfelstücken ,Gurken, saurer Sahne und Schmand, bei Bedarf auch Schnittlauch, abgeschmeckt mit Salz, Pfeffer und Zitrone. Dazu Salzkartoffeln oder Pellkartoffeln. Als Getränk eignet sich Kölsch oder Altbier, oder eine Scheurebe aus Rheinhessen.

Chicoree mit Avocado und Rinderhack Das Rinderhack platziert man in der Mitte des Tellers, nach der Zubereitung in der Pfanne mit Olivenöl, klein gehackten Zwiebeln, klein gehacktem roten Gemüsepaprika und gewürfelten Tomanten, gewürzt mit Salz, Pfeffer, Paprika, Petersilie, frischer Minze. Die Chocorees halbiert man, entfernt den Strunk in der Mitte, wässert die Blätter ca. 1 Std., damit sich die Bitterstoffe verflüchtigen und drapiert sie dann auf den Tellern rund um das warme Hack. Avocadofleisch in einer Schüssel zerdrücken, mit Salz, Pfeffer, Dill, Schittlauch und Minze würzen, mit einem Löffel Joghurt vermengen und auf den Chicoreeblättern verteilen. Das Ganze dann mit Parmesankäse bestreuen.

v.i.S.d.P. Jürgen Raap/Karl-Josef Bär, Senefelderstr. 5, 50825 Köln

Comments are closed.