baer aktuell 338 – 22. Juli 2024

Bild des Monats Juli 2024: Jürgen Raap, „Das Ameisenspiel II“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2024

Bär aktuell- 22. Juli 2024

Ein wenig durchgeknallt wirkte kürzlich in „Der Spiegel“ (20/2024) eine Musikrezension der Autorin Christina Rietz. Sie ist nämlich der Ansicht, „Unsere Gegenwartskultur ist in manchen Schichten eine der Mäßigung, des Yogas, des Kräutertees… Ludwig van Beethoven war da anders…“ Aha. Beethoven war also kein Freund von Kräutertees. Gut, dass man das auch mal erfährt. In Rietzens Sinfoniebeschreibung heißt es weiter: Bei Beethovens Musik „brüllt das Orchester so laut, dass dem Zuhörer das Programmheft aus der Hand fällt… Er lässt einen Pauker auf sein Instrument einschlagen, als wollte er der Musik das Rückgrat brechen… Es ist, als liefe das Orchester schreiend im Kreis… Als erster Komponist ever lässt er einen Chor in einer Sinfonie auftreten – und dreht alle Knöpfe an der Stereoanlage auf max…. Und der ganze Satz rast mit 180 Stundenkilometern freudestrahlend gegen die Wand. Rums, bums, aus.“ Hm, hm, glaubt diese etwas abgedreht wirkende Musikkritikerin tatsächlich, dass es zu Beethovens Lebzeiten schon Stereoanlagen gab? Und was hätte sie wohl von der eingekölschten Version von Beethovens Gefangenenchor aus „Fidelio“ gehalten, wie sie kürzlich der Kölner Männer-Gesang-Verein zum 150 jährigen Jubiläum seiner Bühnenspielgemeinschaft „Cäcilia Wolkenburg“ in der Kölner Philharmonie darbot – eine Oper, in der es um die Freiheit geht, wobei in der eingekölschten Version der Original-Text „O welche Lust, in freier Luft Den Atem leicht zu heben! Nur hier, nur hier ist Leben! Der Kerker eine Gruft“ zu „Mer welle he rus“ (Wir wollen hier raus) abgewandelt wird. Und das natürlich auch hier ohne jegliche Inspiration durch schnöden Kräutertee.

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