bär aktuell nr. 156 – 22. Juni 2013

Bär polyglott – Unterwegs mit Herrn Bär Mit typisch österreichischem Charme warb man unlängst in der Wiener U-Bahn für den Weltnichtrauchertag: „Rauchen könnte Ihr Geldbörserl schädigen“. Wer wollte das jemals bezweifeln?
Mit Sicherheit ist Uli Hoeneß in der langen Geschichte der deutschen Steuerhinterzieher der erste, der sich rühmen darf, dass ihm sowohl der Bundespräsident als auch die Bundeskanzlerin die Hand gedrückt haben, und dies zu einem Zeitpunkt, da seine unrechtmäßige Steuervermeidung medial schon längst keine „mutmaßliche“ mehr war, da Hoeneß nämlich geständig war und via Boulevardpresse um Vergebung bat mit der etwas fatal wirkenden Selbsteinschätzung, er hielte sich nicht für einen „schlechten Menschen“. Der präsidiale Händedruck und ebenso jener der Kanzlerin galt aber nicht als Gratulation heimlichen Transfer von Millionen Euro in die Schweiz durch den vermeintlichen Gutmenschen Hoeneß, sondern vielmehr und ausschließlich ihm in seiner Eigenschaft als Präsidenten des Fußballvereins FC Bayern München und dessen diesjährigen Meisterschafts- und Pokalgewinnen. Wenn diese Händedruck-Fotos nun fortan ohne jegliche Bildunterschrift durchs Internet kursieren und dann eines fernen Tages von einer ahnungslosen „User“-Generation angeschaut werden, die nichts mehr über die durchaus auch vorhandenen dunklen Seiten des Uli Hoeneß weiß, dann muss wieder einmal der wackere Guido Knopp in „ZDF-History“ die Geschichte erzählen, die hinter solchen Bildern steckt. In der „ZDF-History“-Sendung zum Stichwort „Gefallene Engel“ tauchten z.B. neben dem Dopingsünder Lance Armstrong, dem Doktorandendarsteller Karl-Theodor zu Guttenberg und den Wulffs auch der Erotomane Dominique Strauss-Kahn auf. Zu Wort kam zwischendurch ein „Eliteforscher“, der dem Publikum erklärte, wieso wir gerade immer dann eine diebische Schadenfreude empfinden, wenn echte und triviale Helden sich selbst demontieren und ganz tief ins gesellschaftliche Abseits hinab stürzen. Mit Uli Hoeneß ließe sich diese „Gefallene Engel“-Sendung also trefflich fortsetzen, und vielleicht kommt dann in dieser Sendung auch noch die Düsseldorfer Punk-Combo „Die toten Hosen“ zu Wort, die derzeit bei ihren Bühnenauftritten Lacher einheimst mit der Pointe, der FC Bayern habe Uli Hoein die JVA München transferiert.
Der Scheich ist reich Während es in Deutschland verpönt ist, über seine Einkünfte zu reden, beschwerte sich hingegen ein saudischer Scheich, es sei eine Unverschämtheit, ihn auf der „Forbes“-Liste der reichsten Männer der Welt nur auf Platz 26 zu notieren, denn er habe in Wirklichkeit noch 20 Millionen mehr auf dem Konto und verdiene daher eine höhere Platzierung. Eine völlig andere Form von Vermögens-Outing bezeichnet man derweil in den deutschen Finanzämtern als „Hoeneß-Effekt“, denn allein in NRW hätten nach dem öffentlichen Hoeneß-Geständnis weitere 8.000 Steuersünder Selbstanzeige erstattet. Vielleicht werden sie dann von den Steuermehreinnahmen mehr Computer für die Verfassungsschützer anschaffen: denn während die CIA durch die Enthüllungen ihres EX-Agenten Edward Snowdon Schlagzeilen machte, ihre Auslandsabteilung NSA schöpfe mittels Internetspionage munter die Surfgewohnheiten der Nutzer von Google, Facebook etc. ab, gebärdet sich in Deutschland der Überwachungsstaat bislang noch reichlich dilettantisch, da nämlich jeder dritte Verfassungsschutzbeamte offline ist, weil es ihnen ganz einfach an Dienst-PCs mangelt. Wahrscheinlich fehlt den Schlapphüten das Geld für eine vernünftige PC-Ausrüstung, weil sie selbiges schon längst zur Finanzierung von dubiosen V-Leuten im rechtsextremen Milieu verbraten haben. Herr Bär graust sich allerdings vor der Vorstellung, die US-Methoden der Internetspionage könnten in Zukunft auch bei deutschen Verfassungsschutzämtern Einzug halten, weil diese sich dann womöglich kaum darauf beschränken dürften, nur solche Nutzer auszuspionieren, die sich bei ebay einen Chemiebaukasten ersteigern und mit Vornamen „Ali“ heißen. Mit dem Argument der Terrorismusabwehr hat man bislang noch jeden Unsinn an polizeilichem und nachrichtendienstlichem Übereifer zu rechtfertigen versucht, das war in der Zeit der RAF-Hysterie in den 1970er Jahren nicht anders als heute. Wie man in den Medien solch eine Hysterie manipulierend schüren kann, bewies in völliger Verkennung der Brisanz in Sachen bürgerlicher Grundrechte wieder einmal der BILD-Kolumnist Franz-Josef Wagner mit seiner hanebüchenen Feststellung, er wäre lieber überwacht als tot.
Bürger beobachten Peer Steinbrück Der BILD-Zeitung verdanken wir ansonsten so schöne Schlagzeilen wie „Hat Genscher neue Ohren?“, „Thomas Gottschalk beleidigt den deutschen Schäferhund“ und „Die Honecker-Bande handelte mit Kokain“ (1989), oder auch mit nationalistischem Unterton die reichlich alberne Headline „Wir sind Papst“ (2005). Jetzt kann man frohlocken, dass auch der Bundestagswahlkampf so richtig ins Boulevardesk-Seichte abgleitet, da nämlich Peer Steinbrück sich ausgerechnet den ehemaligen BILD-Redakteur Rolf Kleine als neuen Sprecher zugelegt hat. Vielleicht recycelt der dann die alten „BILD“-Stilblüten zu „Hat Steinbrück neue Ohren?“ oder „Wir sind Steinbrück“, und auf den legendären deutschen Sozialhilfeempfänger in Miami Beach, der von der BILD-Zeitung als „Florida-Rolf“ tituliert wurde, folgt nun eine Wahlkampfzeitung mit einer Homestory über „Pannen-Peer“. Eine erneute und mittlerweile schon klassische Peer-Panne ist Rolf Kleines Berufung sicherlich, wirkte dieser doch zuletzt als Lobbyist für einen als heuschreckenhaft verrufenen Wohnungskonzern und als missratener Witzbold, der sich auf seinem Facebook-Profil eine „alltagsrassistisch“-geschmacklose Anspielung auf Philipp Röslers vietnamesische Wurzeln leistete.

© Raap/Bär 2013

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