baer aktuell nr. 282 – 3. April 2020 #corona

#coronavirusNRW

Bild des Monats April 2020:

Jürgen Raap, Der Renegat, Acryl u. Öl auf Leinwand, 2020

Bär aktuell Nr. 282 – 3. April 2020

Wer in seiner Nachbarschaft einen völlig unmusikalischen Jüngling wohnen hat, dessen Eltern den Fehler begingen, zum Verdruss der übrigen Anwohner in der Straße diesem untalentierten Filius zu Weihnachten ein Schlagzeug zu schenken, der hofft, in diesem Jahr möge der „Welttag des Schlagzeugs“ am 4. April in aller Stille begangen werden. Jedenfalls hat die „Schlagzeugschule Krefeld“ angekündigt, bei ihr fände dieser Welttag diesmal „mit oder ohne Karaoke“ statt, und so ist dem unmusikalischen Jüngling in der Nachbarschaft nahe zu legen, falls er gedenke, ein Balkonkonzert zu geben, dann wenigstens „ohne Karaoke“. Am 23. April 2020 ist immerhin der „Welttag des deutschen Bieres“ – dann kann man sich die derzeitige Krise schön trinken, in der jetzt allerlei Sonderlinge, Querulanten, Scharlatane und andere Durchgeknallte ihr Verschwörungssüppchen kochen: So glaubt der esoterische Geistheiler Ali Erhan allen Ernstes, die Erkrankung werde durch Handystrahlung ausgelöst, während der Chef der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, und der oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei hingegen als Ursache einen „biologischen Angriff“ der USA vermuten. Mal soll Bill Gates dahinter stecken, mal Donald Trump, wie im Irak der schiitische Prediger Muktada al-Sad zu wissen glaubt. Über Trump verbreitete der „Kölner Stadtanzeiger“ am 31. März 2020 immerhin die reichlich missverständliche Schlagzeile: „Trump hofft auf maximal 100.000 Tote“. Pastor Christian Stockmann von der amerikanischen „Mandelzweig“-Gemeinde ruft unterdessen dazu auf, man möge jetzt „kompromisslos durch die Endzeit“ gehen und sich behufs dessen allen behördlichen Anordnungen widersetzen. In Brasilien hält Edir Macedo, Gründer der „Universalkirche des Königreichs Gottes“ Corona für eine „Strategie Satans und der Medien“, während sein evangelikaler Glaubensbruder Pastor Paulo Junior aus Sao Paulo „Atheismus, Islamismus und Homosexualismus“ für den Ausbruch der Corona-Krise verantwortlich macht. Der Hamburger Abgeordnete der Partei „Die Linke“ Mehmet Yildiz sieht derweil „die Imperialisten“ am Werk, denen es mit der Verbreitung des Virus darum ginge, „China aufzuhalten und den Klassenkampf von oben zu verschärfen“. Auch die DKP-Deutsche Kommunistische Partei meldete sich zu Wort: ihr Vorsitzender Patrik Köbele polterte, die „herrschende Klasse“ sorge „sich nicht um die Gesundheit der Bevölkerung“ und ruft daher zur „Solidarität der Werktätigen“ auf, aber letzteres haben Angela Merkel, Jens Spahn und Markus Söder selber schon längst gemacht, so dass sich die DKP wieder einmal als die reichlich verspätet hinterdrein schlurfende Nachhut der Weltverbesserer erweist. In den Verschwörungs-Chats mancher arabischer Medien darf natürlich auch Israel als angeblicher Urheber des Virus wieder einmal nicht fehlen, während andere verblendete Maulhelden ihre paranoide Verstiegenheit eher reichlich profan ausleben: in den Discount-Supermärkten habe man das Toilettenpapier mit dem Virus verseucht, um anschließend am Impfstoff richtig gut verdienen zu können, verbreiten sie mit Eifer und Inbrunst. Der „Welttoilettentag der Vereinen Nationen“ ist allerdings erst am 19. November. Er wurde übrigens 2001 auf der UN-Vollversammlung auf Vorschlag Singapurs zu solchem erklärt.

© Raap/Bär 2020

Über den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet ulkte noch vor kurzem der Kabarettist Jürgen Becker, bei dem Aachener Akzent von Laschet habe man den Eindruck, nach jedem Satz von ihm kämen erst einmal ein Karnevalstusch und anschließend die „Höhner“. Im politischen Fragebogen der „ZEIT“ antwortete Laschet auf die Frage „Welches grundsätzliche Problem kann Politik nie lösen?“ sehr weise: „ Alles Menschliche. Liebeskummer zum Beispiel.“ Falls der Mann bei dieser Einsicht bleibt, dann können wir darauf hoffen, falls er denn jemals Bundeskanzler werde, dann jedoch niemals als so eine Art „Über-Merkel“, es sei denn, er verlöre eines Tages diese typisch rheinische Bodenhaftung, wie sie schon der legendäre Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings (1887-1978) mit den Worten umschrieb, ihm sei „nichts Menschliches fremd“. Frings legalisierte bekanntlich in seiner berühmten Silvesterpredigt 1945 den Kohlenklau, womit er dann die rheinische Umgangssprache um die Vokabel „fringsen“ bereicherte: „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann“. Frings sagte zwar auch, dass man das Entwendete später wieder zurück geben müsse, was die Trümmergeneration damals allerdings geflissentlich vergaß und was unter den damaligen Umständen dann auch eine lässliche Sünde war. Aber dass in unseren Tagen ein milliardenschwerer Konzern wie „Adidas“ und andere „Global Player“- Handelsketten wie „Media Markt“ und „Saturn“ in der jetzigen Corvid19-Krise ihr Image ruinieren, indem sie sich ohne noch jegliche spürbare wirtschaftliche Not wie heimtückische Mietnomaden gebärden, rechtfertigt keinerlei Absolution zeitaktueller Varianten des „Fringsens“ wie in der Nachkriegszeit. Derlei marketingstrategische Deppenhaftigkeit in Sachen negativen Image-Transfers jener Konzerne (d.h. wer kauft denn jetzt noch guten Gewissen Adidas-Turnschuhe?) toppt in diesen Tagen nur noch jene hysterische Krawalltante, die auf dem Fließband einer Supermarktkasse einen Sitzstreik zelebrierte, weil man ihr verwehrte, mehr als eine Packung Klopapier einkaufen zu dürfen, und die sich dann in Handschellen abführen ließ wie sonst nur ein störrischer Baumbesetzer aus dem Hambacher Forst. Würde von dieser Sitzstreik-Szene aus dem derzeitigen Alltag an der Klopapiermangelfront im Supermarkt nun bei youtube oder dergleichen ein Video ins Netz gestellt, empfiehlt es sich, dieses Video dann musikalisch mit dem „Kack-Lied“ von den Bläck Fööss zu illustrieren, was die versorgungstechnischen Begleiterscheinungen der Corona-Krise gewisse origineller intonieren würde als die Bereicherung kölschen Liedguts um den eher einfallslosen propagandistischen Reim „Mer jon nit erus, mer blieve ze Hus“. Als Alternative zu einem möglichen Kanzlerkandidaten Armin Laschet bringen manche Zeitgenossen wiederum den Virologen Prof. Christian Drosten ins Spiel, dessen Kritiker aus der Szene der Verschwörungstheoretiker zwar der Ansicht sind, mit seinen täglichen Statements via „tagesschau“ und „heute“ würde er uns nur „einlullen“, dessen Fans sich jedoch darüber begeistern, er sähe immerhin „so ähnlich aus“ wie Robert Habeck von den Grünen, als ob allein das schon in den heutigen Zeiten ausreichend wäre für diejenigen Wähler, die Armin Laschet zu pastoral-gemütlich finden und die Robert Habeck nicht mögen, weil er u.a. zu große „Wissenslücken“ in Sachen „Pendlerpauschale“ habe, und hier muss man dem SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil einmal recht geben, der Habeck zu Recht vorwirft, er habe „viel Meinung, aber wenig Ahnung“. Bei Prof. Christian Drosten ist hingegen es eher umgekehrt.

© Raap/Bär 2020

Mit Herrn Bär durch die Corona-Krise: dass üble Geschäftemacher an Kölner Kiosken in diesen Tagen 9 oder 10 Euro für eine Rolle Klopapier verlangen und dies dreist mit angeblich „erhöhten Großhandelspreisen“ zu begründen versuchen, erinnert manch älteren Mitbürger an die Schwarzmarktzeiten anno 1947, und wer eine vulgärpsychologische Deutung bevorzugt, der lese einen „Spiegel“-Artikel aus dem Jahre 1970 nach, in dem es um die Schule der Freudschen Psychoanalyse geht, in der „als Symptome für Analfixierung erkannt wurden: die Liebe zu Geld und Sicherheit, der Drang nach umfassender Regelung aller Lebensvorgänge, die Ambivalenz von Sparsamkeit und Verschwendungssucht, die Autorititshörigkeit und das aggressive Aufbegehren gegen Autorität.“ Wirtschaftsgeschichtlich unzutreffend ist hingegen das Geschimpfe einer vornehm wirkenden Dame vorgestern in einem Supermarkt von Köln-Lindenthal, die leer gekauften Nudel- und Klopapierregale erinnerten sie daran, „wie es früher in der DDR war“, was insofern nicht stimmt, weil man ja früher in der DDR gegen Westgeld alles bekommen konnte, auch Klopapier, und – wie Herr Bär aus eigener Anschauung weiß – ebenso in der Jaruzelski-Ära in Polen in den 1980er Jahren in den damaligen „Pewex“-Devisen-Läden gegen US-Dollar, dort allerdings damals keinen russischen Kaviar, der nämlich für die russischen Offiziere vorbehalten war, die als Repräsentanten eines „sozialistischen Bruderlandes“ galten, vom polnischen Normalbürger hingegen auch 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Besatzungsmacht empfunden wurden. Die an der Supermarktkasse herummeckernde vornehme Dame riet Herrn Bär – aus dem behördlich vorgeschrieben Abstand von 1,50 m Entfernung – er möge sich in diesem Supermarkt noch rechtzeitig mit französischer Marmelade eindecken, denn die werde jetzt desgleichen allmählich knapp, weil die Lastwagen in einem 100 km langen Stau an der französischen Grenze festhingen. Sie verwechselte aber wohl die französische mit der polnischen Grenze, denn heute Nachmittag erzählte der marrokanische Fischhändler in Köln-Ehrenfeld seinem Stammkunden Herrn Bär freimütig, er führe immer noch zweimal in der Woche zum Einkauf nach Paris zum Großmarkt Rungis und hätte keine Probleme an der Grenze – frischer Fisch aus Frankreich werde wohl aber aus anderen Gründen in Köln bald knapp, weil ja in ganz Frankreich zur Zeit alle Restaurants geschlossen seien und deswegen die Fischhändler auf dem Großmarkt Rungis ihre Fische nicht mehr los werden, und aus diesem Grund die Fischer selbst dann auch nicht mehr so oft auf den Atlantik hinausführen wollten, was eine anschauliche Beschreibung der derzeitigen volkswirtschaftlichen Kettenreaktion ist, welche die einen in die Pleite treibt, die anderen hingegen zu „Kriegsgewinnlern“ werden lässt, weil sie einen Cousin haben, der einen kennt, der wiederum einen anderen kennt, dem nachts auf der Autobahn unabsichtlich eine Ladung Klopapier vom Lastwagen gefallen ist, die dann zu Schwarzmarkt-Wucherpreisen in der Kölner Südstadt am Kiosk angeboten wird. Wen es nun angesichts des zu befürchtenden Einbruchs in der Fischereiwirtschaft ein wenig nach Matrosen-Fernweh gelüstet, der höre sich auf „youtube“ von Freddy Quinn „Die Gitarre und das Meer“ oder auch „Seemann, wo ist deine Heimat?“ an, was dort in der Kommentarleiste ein gewisser „Ralf“ mit der Bemerkung garniert hat, damals, d.h. zu Freddy Quinns Zeiten, habe es noch „echte Seemannsbräute“ und keine „grünlackierten Genderbräute“ wie heute gegeben, aber das ist in diesen Tagen nicht ein Problem, das man unbedingt jetzt näher ausdiskutieren müsste.

© Raap/Bär 2020

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Drachenkopf à la Karl-Josef Bär, Foto: Copyright Raap/Bär 2020

Drachenkopf à la Karl-Josef Bär Der Drachenkopf (in Frankreich heißt er „Rascasse“) bevorzugt sandige Böden und algenbedeckte Felsen im Mittelmeer und im Atlantik. Er ist ein Jagdfisch, der sich von kleinen Fischen und Krebsen ernährt. Im Fischhandel hat man die Rückenstacheln mit den Giftdrüsen natürlich vor dem Verkauf entfernt. Der Drachenkopf hat ein relativ weiches Fleisch und sollte am besten im Backofen gegart werden: man salzt und pfeffert ihn, beträufelt ihn mit Zitronensaft und Olivenöl, füllt das Innere mit frischen Tomaten, passierten Tomaten oder Tomatenmark, Oliven, Lauchzwiebeln, Rosmarin, Thymian und Knoblauch und schiebt ihn dann in einer Casserole für 30-40 Min. in den auf 200 Grad vorgeheizten Backofen. Dazu passt am besten ein trockener italienischer oder sardinischer Weißwein.

Das Seezungenfilet „Colbert“ ist nach dem französischen Staatsmann Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay (1619-1683) benannt. Die Seezunge wird filetiert, nach dem klassischen Rezept gesalzen in Wiener Panade frittiert. Man serviert sie mit Kräuterbutter oder Colbertbutter bzw. Sauce Colbert: man lässt Butter aus, vermischt sie mit Bratensaft aus Fleischextrakt oder fertiger Demi-Glace, schmeckt sie dann mit gehackter Petersilie, Zitronensaft, Cayennepfeffer und Muskatnuss ab. Man kann auch auf die Panade verzichten und die gesalzenen Seezungenfilets vorsichtig pochieren, indem sie in eine gebutterte Bratpfanne legt und in einem Weißweinsud garen lässt. Zum Anrichten garniert man die Filets mit Forellenkaviar. Dazu passen ein Püree aus Süßkartoffeln und ein Riesling aus dem Elsass.

Gyros wurde wie das türkische Döner Kebap ursprünglich wohl erst dann populär, als man im 19./20. Jh. aus Platzgründen einen vertikalen Drehspieß einführte: gewürzte Lagen vom Schweinenacken werden auf den Spieß gesteckt; die firshc gegarten Teile werden außen nach und nach abgeschnitten. Die Würzung besteht aus Salz, Pfeffer, Knoblauch, Oregano und Thymian, manchmal auch zusätzlich aus Kreuzkümmel und anstelle von Oregano aus Majoran. Die arabische Variante mit Lamm- oder Hammelfleisch heißt Schawarma. Das Züricher Geschnetzelte besteht aus Kalbfleisch mit Rahmsauce, es ist neueren Datums und wird in Kochbüchern erst seit Ende der 1940er Jahre beschrieben. Es wird mit Salz, Pfeffer und Paprika gewürzt und zusammen mit gedünsteten Champignons serviert.

Stubenküken mit Maronen „Aurillac“

Stubenküken von außen und innen salzen, pfeffern, von innen auch mit Paprikapulver bestreichen. Mit Maronen, Morcheln, Lauchzwiebeln, Knoblauch, Rosmarin und Thymian füllen, mit Knoblauchöl übergießen und in einer feuerfesten Glasschüssel im Backofen bei 200 Grad garen, je nach Größe 40 bis 60 Min. Nach der Hälfte der Garzeit wenden, Möhren, Sellerie, weitere Maronen, Morcheln, grüne Oliven und Gefügelfond hinzufügen.

Impressum: V.i.S.P. Jürgen Raap, Senefelderstr. 5, 50825 Köln

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