Baer aktuell 313 – 22. Juli 2022

Bild des Monats Juli 2022:

Jürgen Raap, „Die Ökonomie der Stadtpatrone“, 2022

Bär aktuell – 22. Juli 2022

Die rheinische Lebensweisheit „Wer sich selvs nix gönnt is och en Biest“, ist von Politikern immer schon gerne missverstanden und von ihrem Publikum mit Neid bedacht worden. So musste sich Markus Söder 2018 seitens der bayerischen Grünen als „Prinz Protz Bayerns“ beschimpfen lassen, als er im Privatjet zur Audienz beim Papst in Rom abhob. Dabei hatte der seinerzeitige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse uns allen noch hoch und heilig versprochen, beim Umzug von Regierung und Parlament von Bonn und Berlin nehme man „den politischen Stil mit vom Rhein an die Spree, Politik ohne Pomp und Protz“. Was aber wohl nicht in München gilt und nicht auf Sylt, wohin Friedrich Merz in Söder-Manier zur Fürstenhochzeit der Lindners kürzlich ebenfalls im Privatjet einflog, hiermit einer weiteren rheinischen Lebensweisheit folgend: „Wat nix koss, dat is och nix, dat jeht och schnell kapott“. Denjenigen, die nun meinen, in den jetzigen Zeiten, in denen wir inflationsbedingt alle den Gürtel enger schnallen müssen, gezieme es sich nicht, die Hochzeitsnacht in einem 500 Euro teuren Hotelzimmer zu zelebrieren, gibt Herr Bär zu bedenken, dass ein in prekären Verhältnissen lebender Rentner auf seiner hohen Heizkostenrechnung leider auch dann gnadenlos sitzen bleibt, wenn die frisch vermählten Lindners sich bescheidenerweise in der Jugendherberge von Westerland nur ein „Bett im Mehrbettzimmer“ für 34 Euro (mit Frühstück) gegönnt hätten (oder für 40 Euro mit Vollpension), oder gar gleich ein „Bett im Kornfeld“. Instinktlos ist derlei Protzgebaren von Politikern trotzdem, nämlich immer dann, wenn sie uns Normalbürgern Wasser predigen und gleichzeitig selber Wein saufen à la Boris Johnson. Fritze Merz hätte aus Solidarität mit den im nächsten Winter frierenden Rentnern in seinem Privatjet beim Anflug auf Sylt ja wenigstens die Bordheizung mal um zwei Grad herunter drehen können. Schließlich mahnt Robert Habeck an, wir müssten jetzt im Sommer schon anfangen, Energie einzusparen. Sehen wir also demnächst Fritze Merz versorgungskrisenbewusst mit Pudelmütze in seinem Privatjet? Wohl eher nicht. Das „Woxikon“ im Internet listet als Synonyme für Protzerei u.a. „Angabe“, „Großspurigkeit“, „Großmannssucht“, „Großkotzigkeit“, „Aufgeblähtheit“. „Dicktuerei“, „Effekthascherei“, Großmäuligkeit“ und „Wichtigtuerei“ auf.

Copyright: Raap/Bär 2022

Wer an Durchgeknalltem seine Freude hat, der kam am 14. Juli 2022 bei der Lektüre einer Musikkritik in der Kölnischen Rundschau auf seine Kosten, wo über ein Orgelkonzert im Kölner Dom metaphernmäßig Unbeholfenes nachzulesen war: „Harmonisch und melodisch versteckt sich der Grundgedanke in Variationen hoher Plastizität und Komplexität. Das Spiel perlt in fast beiläufigem Understatement dahin… Es verleitet dazu, sich einfach ins Hören fallen zu lassen – umwoben von einem Geflecht aus sich stets verändernden Tonfolgen, die niemals ins Ungefällige abgleiten. Der vom Abendlicht prächtig durchleuchtete Dom wird von Musik geflutet, ohne zu erbeben.“ Hm, hm, so etwas drucken die heut zu Tage allen Ernstes in der Kölnischen Rundschau, wunderte sich Herr Bär. Gut, dass der Dom nicht mit Wasser geflutet wurde, denn dann wäre das Publikum, das „sich einfach ins Hören fallen“ ließ, in eben jenes geflutete Wasser hinein geplumpst und nass geworden.

Die deutsche Sprache gemeuchelt hatte jüngst eine Reporterin bei der Frauen-Fußball-EM, die eines der Teams als „Combackerinnen“ (ausgesprochen: „Kambäckerinnen“) bezeichnete. Denjenigen, die glauben, sie müssten sich unbedingt eines Anglizismus bedienen (wobei „Comeback“ als Lehnwort freilich schon weitgehend eingebürgert ist), gibt Herr Bär zu bedenken, dass „Das Comeback“ grammatisch ein Neutrum ist. Es ist eine Handlung (Rückkehr), aber kein Mensch. Man kann das Wort zwar deklinieren („das Comeback, des Comebacks, dem Comeback, den Comeback“), aber nicht gendern, denn sonst denkt man vielleicht an „Bäckerinnen“, was im Kontext von Frauen-Fußball einfach Blödsinn wäre, es sei denn, bei dieser Fußball-EM hätte man auch die weibliche Betriebssportgruppe der Bäckerinnung antreten lassen.

Copyright: Raap/Bär 2022

Kürzlich fand Herr Bär in seinem Portemonnaie einen alten Einkaufschip, den er einmal an einem FDP-Wahlkampfstand abgestaubt hatte. Der Chip passte jedoch in Herrn Bärs Lieblingssupermarkt zu keinem Einkaufswagen; er war zu groß geraten, und vermutlich machten alle anderen Kunden in diesem Supermarkt mit ihren FDP-Einkaufschips die gleiche Erfahrung, was die Wahlniederlage der Liberalen bei der letzten NRW-Landtagswahl erklärt. Dabei gilt der Einkaufschip doch als eine ureigene Domäne dieser Partei, hatte doch der damalige FDP-Bundeswirtschaftsminister Jürgen W. Möllemann 1992/93 solch einen Chip als „pfiffiges Produkt“ beworben, das seinerzeit von einem angeheirateten Vetter Möllemanns vertrieben wurde: ein schönes Beispiel für Vetternwirtschaft, wenn auch nicht unbedingt nachahmenswert. Derweil wirbt der FDP-Grande Wolfgang Kubicki nicht für Einkaufschips, sondern für energiesparendes Abhärten durch kaltes Duschen. Kubicki, der auch schon mal bekundete, er schaue sich gerne Kriegsfilme an, versicherte, er fühle sich morgens auch nach kaltem Duschen frisch. Herrn Bär erinnert das Gebaren Kubickis freilich eher an die unangenehmen Schullandheimaufenthalte in seiner Gymnasialzeit, wo der Turnlehrer mit Trillerpfeife und Feldwebelgebrüll uns Schüler frühmorgens zum Kaltduschen in den Waschraum zu scheuchen pflegte, weshalb Herr Bär heute im Unterschied zu Wolfgang Kubicki den Warmwasserboiler für eine wichtige Errungenschaft der Zivilisation hält. Kubicki hat auch nicht bedacht, wie man im Drogeriemarkt beim Einkauf von Duschgel scheitert, wenn der FDP-Wahlkampfchip nicht in den Schlitz im Griff des Einkaufswagens passt.

Copyright: Bär/Raap 2022

Sonnenuntergang in Köln-Ehrenfeld, Foto: J. Raap 2017

Zu den Bekloppheiten der heutigen Zeit gehört die Meldung, dass der Schlagerbarde Ikke Hüftgold der politischen Unkorrektheit bezichtigt wurde, weil er in Mallorcas Amüsierhöllen eine Bordellbesitzerin besingt, und er sich dagegen wehrte, sein Sangeskollege Micky Krause habe dort doch auch „1000 nackten Friseusen“ ein musikalisches Denkmal gesetzt, obwohl es politisch-grammatisch korrekt „Friseurinnen“ hätte heißen müssen. Was den mangelnden Geistesgehalt dieses Ballermannschen Liedguts angeht, so sei erwähnt, dass in den 1960er Jahren „The Rainbows“ ihren größten Hit mit „My Baby, balla balla“ hatten und der Refrain nur „Balla Balla Balla Balla…“ lautete: das war wenigstens grammatisch und politisch korrekt, und es wurde von der avantgardistischen Musikkritik damals sogar als neo-dadaistisch abgefeiert. Derweil man derzeit an den deutschen Flughäfen wegen Personalmangels beim Sicherheitscheck 5-10 Stunden Wartezeit in Kauf nehmen muss, rechnet Friedrich Merz seinen Kritikern vor, sein Privatflugzeug verbrauche weniger Sprit als der Dienstwagen von Olaf Scholz. Woraufhin sich Cem Özdemir zu Wort meldete, sein Fahrrad verbrauche überhaupt keinen Sprit. Einmal hatten sie allerdings dem Özdemir in Berlin das Fahrrad geklaut. Wenn er ohne Fahrrad nach Sylt oder nach Kiew will, muss er sich in einen mit lauter 9-Euro-Ticket-Punks überfüllten Regionalzug quetschen oder beim Abflug einen halben Tag lang vor dem Duty Free Shop herum lungern, bevor es endlich los geht. So langwierig waren vor 1990 noch nicht einmal die schikanösen Pass- und Gepäckkontrollen an der DDR-Grenze gewesen. Noch mehr Beklopptheiten: Die grüne Bundestagsabgeordnete Emilia Fester verstieg sich zu der Ansicht, jeder, der wählen wolle, solle dies auch dürfen, in letzter Konsequenz dann wohl auch zweijährige Kinder. Originell ist diese Idee eines „Wahlrechts für alle“ freilich nicht. Carolyn Christov-Bakargiev, künstlerische Leiterin der Kasseler documenta von 2012, hatte schon vor 10 Jahren ein „Wahlrecht für Hunde und Erdbeeren“ eingefordert, wohingegen die Tierschutzorganisation PETA zu bedenken gibt: „Hunde haben kein Interesse an einem Wahlrecht“. Zweijährige wahrscheinlich auch nicht.

In Hessen hat sich ein Motorradclub „FDP-Biker“ gegründet. Die „Welt am Sonntag“ apostrophierte ihn als „Easy rider mit Parteibuch“. Hm, hm, „Get your kicks on Route 66“ oder nur auf der deutschen B 66, die von Barntrup nach Bielefeld führt? Bielefeld? Gibt’s das überhaupt? Inzwischen ja, denn „Bielefeld Marketing“ hatte schon 2019 das „Ende der Bielefeldverschörung“ verkündet, in dessen Rahmen „Die Stadt Bielefeld… eine Million Euro für den Beweis geboten“ hatte, „dass es Bielefeld gar nicht gebe“. Bisher ist jedenfalls noch kein FDP-Biker auf der B 66 da, wo eigentlich Bielefeld sein soll, in ein schwarzes Loch geplumpst. Was wünscht man einem Motorradrennfahrer? Hals- und Beinbruch in Bielefeld? Lieber nicht.

Olaf Scholz Sammelbilder:

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Reispfanne „Adrianopel“ à la Karl-Josef Bär „Fleisch ist mein Gemüse“, behauptete der Schriftsteller Heinz Strunk, und so bildet reines Lammhack (gib’s in unseren Großstädten in jeder türkischen Metzgerei) die Basis für diese Pfanne, in der man das Hack mit Zwiebeln anbrät, salzt, pfeffert, mit Cayennepfeffer, Paprikapulver, Knoblauch und Kreuzkümmel würzt. Man lässt eine zerkleinerte Tomate und grünen Spitzpaprika mitköcheln. Reis kocht man separat zusammen mit Stücken von Breitbohnen, gibt ihn dann in die Pfanne und außer dem ein Mus aus rotem Gemüsepaprika, den man im Mixer püriert hat. Dazu passt immer guter ein Rotwein aus Thrakien, Herr Bär allerdings trank zu diesem Reisgericht diesmal einen roten Frankenwein aus der Domina-Traube.

Cannelini-Eintopf mit Knoblauchwurst à la Karl-Josef Bär Cannelini-Bohnn sehen zwar weiß aus, ähneln aber geschmacklich eher den roten Kidneybohnen. Man weicht sie einen Tag vorher ein oder nimmt sie aus der Dose. Zuerst dünstet man in einem Gemisch aus Olivenöl und Kräuterbutter Zwiebeln an, gibt dann klein gehackte frische Tomaten, 1 Möhre in Scheiben, roten und grünen Gemüsepaprika hinzu, kocht das Ganze in Gemüsefond kurz auf und lkässt es dann mit den Bohnen weiter köcheln. Nach einer Weile gibt man Stücke von der Knoblauchwurst hinzu sowie etwas Tomatenmark, würzt es zum Ende mit Salz, Pfeffer, Cayennepfeffer, Thymian und Bohnenkraut.

Impressum: v.i.S.d.P Jürgen Raap, Senefelderstr. 5, 50825 Köln

Frankfurter grüne Sauce

Eine kalte Kräutersauce, deren Urzept sich bis in die Römerzeit zurück verfolgen lässt. Aus Frankreich (möglicherweise durch Einwanderung von Hugenotten) oder durch italienische Kaufleute wurde das Rezept um 1700 in Hessen bekannt.Man püriert mit dem Mixer sieben Kräuter, und zwar Petersilie, Schnittlauch, Borretsch, Kresse, Kerbel, Pimpernelle und Sauerampfer. Auf Dill und andere Kräuter verzichtet man bei diesem Traditionsrezept in Frankfurt, in Kassel jedoch besteht die Sieben-Kräuter-Mischung auch aus Dill und Zitronenmelisse. Mittelmeerkräuter wie Rosmarin oder Thymian werden hingegen grundsätzlich nicht verwendet. Man vermengt die Kräuter mit Essig, Salz, Pfeffer, hart gekochtem Ei, ein wenig Senf und mit saurer Sahne, reicht sie dann zu hart gekochten Eiern und/oder Pellkartoffeln sowie zu kaltem Braten. In Flandern kennt man das Gericht Paaling in het groen – Aal in grüner Sauce. Hier besteht die Sauce aus Minze, Schnittlauch, Majoran oder Oregano, Sauerklee, Thymian, Zitronenthymian, Zitronenmelisse, Kerbel, Petersilie, Basilikum, Salbei, Estragon, Bohnenkraut, Kresse und Brennessel.

Comments are closed.