Archive for Juni, 2012

Bärs Sammelbild

Freitag, Juni 22nd, 2012

phasen6.jpg

 „Herr Bär, unten rechts im Bild, das ist doch der Schäl als Stockpuppe im Kölner Hänneschen-Theater?“

Bär: „Jojo…“

„Und wieso ist der Tünnes nicht auch im Bild zu sehen?“

Bär: „Dä spar’ ich mir für dat nächste Bild auf. Dat is ökonomisch sinnvoller. Wenn einer Tünnes und Schäl zesamme han will, dann muss dä gleich zwei Bilder koofe“.

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Phasen der Nacht“, 2012

Bär aktuell Nr. 139

Donnerstag, Juni 14th, 2012

 

Bär aktuell Nr. 139                                                         22.Juni 2012

Ist Dirk Niebel als „der Teppichkäufer Ihres Vertrauens“ zu empfehlen? Wer die Niebelschen Usancen des Teppichschmuggels für einen akzeptablen methodischen Beitrag zum freien Welthandel ohne Zollschranken und als Musterbeispiel für eine gelungene wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afghanistan hält, der wird diese Frage womöglich bejahen. Dass der Bundesnachrichtendienst BND als Paketdienst zuverlässiger arbeitet als die Deutsche Post mit ihrem DHL-Service, ist nicht nur im Falle des Niebelschen Teppichtransports aus Afghanistan erwiesen: Herr Bär ärgert sich immer wieder über faule Paketboten, die die Ware erst gar nicht ausliefern, sondern einfach nur eine Abholkarte in den Hausflur werfen. Abholen muss man den zusammengerollten Teppich dann selber in einem mehrere Kilometer entfernt gelegenen Paketamt. Oder bei der Zollfahndung. 

Wenn Lenins geflügeltes Wort zutrifft, der deutsche Revolutionär löse erst einmal eine Bahnsteigkarte, bevor er einen Bahnhof besetze, dann gewiss auf die juvenilen Mitstreiter der Kasseler Piratenpartei. Als das ebenfalls geflügelte Wort der documenta-Leiterin Carolyn Christov-Barkargiev die Runde machte, sie setze sich für ein „Wahlrecht für Hunde und Beeren“ ein, setzten die lokalen Freibeuter dies auf ihre Weise flugs in die politische Praxis um und pinselten am Rande des Friedrichsplatzes eifrig Plakate für eine Demonstration gegen genmanipulierte Erdbeeren. Freudestrahlend versicherten die sonst als meinungs- und ahnungslos bekannten Nachwuchs-Rebellen, sie hätten sich für ihre Demonstration des Wohlwollens der Kasseler Sozialdemokraten versichert. Es sind schon komische Zeiten, in denen solche „Piraten“ eher recht brav und niedlich wirken und Widerborstiges stattdessen aus dem Munde des Bischofs von Fulda Heinz-Josef Algermissen zu vernehmen ist: er komme „nicht damit klar, dass die documenta-Leiterin“ die Skulptur des Künstlers Stefan Balkenhol auf dem Turm der St. Elisabethkirche als „zerstörerischen Akt bezeichnet“ habe.

Doch auch der Donner des Bischofsworts rief Widerspruch hervor: Ein bekannter Kasseler Kunstprofessor plädiert nämlich für einen „Schonraum“ in der Stadt zugunsten der documenta. Deswegen sei das Balkenhol-Werk auf dem Kirchturm in Sichtweite des Museum Fridericianum „zu nah dran“ an der documenta-Kunst. Und weiter führt der Hochschullehrer aus, der Künstler Stephan Balkenhol habe ja alles daran gesetzt, um als Teilnehmer zur documenta eingeladen zu werden, und als dies dann nicht geschehen sei, habe er als Alternative den Kirchturm gewählt.

Nachts ist die Balkenholsche Holzskulptur eh nicht als Kunstwerk zu erkennen. Ein Nachbar glaubte gar, da wolle sich im Dunklen ein Selbstmörder vom Kirchturm stürzen und ließ die Feuerwehr mit einem kompletten Löschzug anrücken.

Unterdessen führte die Künstlerin Siglinde Kallnbach zur documenta-Pressekonferenz eine Protest-Performance „ToleRance“ vor der Kasseler Stadthalle durch und stand dabei drei Stunden im Regen: „Noch nie habe die künstlerische Leitung so viel Einfluss genommen, dass bestimmte Kunst verschwindet“, beklagte sich Kallnbach. Denn die evangelische Kirche kuschte windelweich vor den Begehrlichkeiten der documenta-Leitung und sagte eine Installation von Gregor Schneider ab.

Immerhin gönnen sich die betulichen Protestanten vor ihrem „Haus der Kirche“ auf der Wilhelmshöher Allee als Kunst-Ersatz ein offenes Designer-Häuschen aus gelb gemustertem Plexiglas als Witterungsschutz für Raucher, denn immer häufiger heißt es ja für die Nikotinanhänger: „Wir müssen leider draußen bleiben“. Das gilt auch für den gemeinen Straßenköter, der nicht in die documenta-Hundeschule in der Karlsaue darf, wenn Herrchen keine Tageskarte zu 20 Euro gelöst hat. Wer glaubt, in diesem „Dog Run“-Parcours des Künstlers Brian Jungen werde als praktische Umsetzung von Christov-Bakargievs Kritik am anthropozentrischen Welt- und Menschenbild nun Staatsbürgerkunde für wahlberechtigte Vierbeiner geboten, wird enttäuscht. Die Hunde balgen dort nämlich nur herum wie auf jeder anderen Hundewiese auch.

Die Stadt Kassel habe den gesamten öffentlichen Raum für die Zeit der documenta reserviert, und im Rathaus musste man dafür sorgen, dass das übrige „Kasseler Kultursommer 2012“-Programm räumlich und zeitlich nicht mit der „d 13“ kollidiere, erfuhr Herr Bär hinter vorgehaltener Hand. Verhindern ließen sich andere künstlerische Umtriebe damit trotzdem nicht: So zelebrierte z.B. die Performancegruppe „Deutsches Schwein“ auf dem Bahnhofsvorplatz eine „performative Verkündungszeremonie mit ziehbarer Videoinstallation“.

Weil die documenta-Leiterin gerne alles im Vagen lässt und sogar stolz darauf ist, kein Konzept zu haben, verpassten ihr die Studenten der Kasseler Kunsthochschule den Spitznamen „Missis Maybe“. Die Studenten sehen sich ansonsten ebenfalls als Opfer der rigiden lokalpolitischen Raumordnungspolitik: ihre Fahrradwerkstatt in einem mit Baumstammbrettern vernagelten Schuppen dürften sie derzeit nicht benutzen, so erzählen sie, denn ihr Rektor Christoph Philipp Müller sei der Ansicht, das Aufziehen neuer Fahrradschläuche lenke zu sehr von seinem eigenen documenta-Beitrag ein paar Meter weiter ab, einer Brücke aus Booten über den Kanal in der Karlsaue, die mit verschiedenen Sorten Mangold-Pflanzen bestückt sind.   © Raap/Bär 2012