Archive for Januar, 2017

bär aktuell 212/213/214 und Bild des Monats

Sonntag, Januar 1st, 2017

Bild des Monats Januar 2017:

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Jürgen Raap, Das gefundene Wäschestrück, 2016

Bär aktuell Nr. 212 – 3. Jan. 2017

Bärs Beitrag zum Luther-Jahr 2017: die Kardinal Frings-Diät Vorbei sind die Zeiten, da man die Schacherer und Wucherer aus dem Tempel vertrieb, und so wird das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ von krämerseelenhaften Trittbrettfahrern begleitet, deren frivole Marketingideen in „Luther-Nudeln“ und „Luther Quietschenten“ münden. Luther-Nudeln? Nun ja, der Reformator hat ja schließlich von sich selbst behauptet, er „fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher“, aber mit den Luther-Nudeln ging ein Marketing-Gag insofern in die Hose, weil nämlich diese Art Teigwaren bekanntlich bereits längst vorher die „Pastafaris“ von der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ für sich reklamiert haben, die im brandenburgischen Templin regelmäßig eine „Nudelmesse“ abhalten. Jener Makkaroni-Kirche hat jedoch das Land Brandenburg freilich noch nicht „die Grundrechte einer Religionsgemeinschaft“ zugebilligt. Herr Bär hat sich unterdessen dazu entschlossen, den Ess- und Trinkgewohnheiten Martin Luthers mit der „Josef Kardinal Frings“-Diät zu folgen, einer Fastenkur, die auf dem rheinischen Prinzip beruht: Man muss auch mal ein Opfer auslassen können, einem geflügelten Wort des Kardinals zufolge. Wer wie Herr Bär mit willigem Geist aber mit ständig wiederkehrendem Heißhunger auf alles, was nach den Diätempfehlungen des Hausarztes eher nur maßvoll genossen werden soll, solchermaßen die Kardinal-Frings-Diät als eine Variante lutheranischer Essgewohnheiten begreift, dem ist auch sonst nichts Menschliches fremd, und so bringt Herr Bär Verständnis für das Eingeständnis von Sigmar Gabriel auf, er schaffe es nicht aus eigener Willenskraft, durch Mäßigung beim Essen abzunehmen, weshalb er, Gabriel, sozusagen ein Bruder im Geiste des der Völlerei nicht abgeneigten Martin Luther, sich operativ den Magen verkleinern ließ. Ob Sigmar Gabriel als möglicher Kanzlerkandidat der SPD etwas abgespeckt beim Wahlvolk besser punkten könnte, sei aber dahin gestellt. Olaf Scholz indessen, von Gabriel auch schon mal als möglicher Spitzenkandidat seiner Partei in die Diskussion gebracht, wirkt hingehen eher so, als ob er die letzten zwanzig Jahre Manager bei der Deutschen Schlafwagen-Gesellschaft gewesen wäre, während der Kabarettist Jürgen Becker sich vorstellen kann, ein anderer möglicher Merkel-Herausforderer, nämlich Martin Schulz, tauge gewiss auch gut als neuer Präsident des Festkomitees Kölner Karneval – unvergessen ist nämlich die Aufnahme des österreichischen TV-Senders ORF, wie Martin Schulz auf Europa-Wahlkampftour im Auto voller Inbrunst und mit Tränen in den Augen den kölschen Evergreen „En unserem Veedel“ sang. Für Jürgen Becker ist Martin Schulz ansonsten „ein Kämpfer: der hatte mal in Würselen eine Buchhandlung aufgemacht. In Würselen! Wer das schafft, der kann auch die SPD retten“. Doch Schulz will möglich nicht, nämlich Kanzlerkandidat werden und die SPD retten, er ziert sich nämlich, und Gabriel kann’s nicht, meint jedenfalls die Mehrheit bei den Meinungsumfragen.

Die Selfie-Manie sich selbst überall und nirgends zu fotografieren und derlei Bilder in den Orkus des Word Wide Web zu posaunen, hat inzwischen Unterkategorien und damit neue Wortschöpfungen hervorgebracht. Wenn Frauen sich mit entblößter Brust fotografieren, nennt man das jetzt allen Ernstes „Brelfie“, und wenn auch noch der Gatte mit aufs Bild muss, heißt das dann „Relfie“ (von „Relashionship“-Selfie, also Beziehungsfoto). Wenn die Gattin mit Vornamen gar Elfi heißt, ist das dann ein „Elfi-Relfie“.

Bärs Humor-Kritik: Der politisch korrekte Frank-Walter Steinmeier-Witz eines Büttenredners im Kölner Karneval veralbert die begrenzten rhetorischen Fähigkeiten und damit die eher einschläfernde Wirkung des Außenministers und künftigen Bundespräsidenten: die Firma Valium überlege, ihren Pillenschachteln Steinmeiers Reden demnächst als Beipackzettel beizufügen. Tusch und Klatschmarsch. Bärs Urteil: ein Witz zum Mitdenken; Pointe kommt langsam. Als Variante dazu könnte man auch den Gag raushauen, bei jedem Redebeitrag Steinmeiers im Bundestag mutiere dass Plenum zur gähnenden Pyjama-Party. – Da die Grünen die anstehenden Wahlkämpfe in diesem Jahr dank ihrer bisweilen überambitioniert drauflos plappernden Parteichefin Simone Peter schon so frühzeitig versemmelt haben wie noch nie, war es für die Zunft der Büttenredner nie leichter als jetzt, mit Altmännerwitzen über das weibliche Führungspersonal der Öko-Partei stehende Ovationen einzuheimsen. Wo die Geschmacksgrenzen bzw. jene der gesinnungsethischen Korrektheit zu liegen haben, ist in der Humorkultur indessen von Land zu Land unterschiedlich. Der britische TV-Sender BBC erntete in den sozialen Medien jedenfalls einen Shitstorm für seine Satiresendung „Real Housewifes of ISIS“, als dort in einem Sketch vermummte Terroristengattinnen jammerten: „Es sind nur noch drei Tage bis zur Enthauptung, und ich weiß nicht, was ich anziehen soll“. BBC setzte jedenfalls nach den Protesten weitere Folgen dieser Serie ab. Während bei der Herrensitzung der Kölschen Grielächer der ornithologische Vortrag des Büttenredners Jupp Menth in der Rolle des „kölschen Schutzmannes“ unbeanstandet blieb, Claudia Roth werde in der Paarungszeit sogar von Buntspechten angeflogen, dabei habe sie „von Vögeln keine Ahnung“, wurde indessen wegen eines solchen Claudia Roth-Witzes gegen diesen Redner bei der Karnevalssitzung der IG Metall Auftrittsverbot verhängt. Der Kölner „Express“ bemühte daraufhin einen Brauchtumsforscher und ließ diesen erklären, Auftrittsverbote gegen Büttenredner habe es in Köln zuletzt in der Nazi-Zeit gegeben. Hier sieht sich Herr Bär allerdings zu der brauchtumshistorischen Korrektur veranlasst, dass solch ein Auftrittsverbot in den 1960er Jahren auch noch den Karnevalisten Horst Muys traf, der in seiner Typenrede als „Dä liebe Jung aus Köln am Rhein“ ebenfalls mit einem Tier-Witz der Zensur zum Opfer fiel („Treffe ich eine Frau mit einer Katze auf dem Schoß und frage: Gnädige Frau, darf ich mal Ihre Muschi fotografieren? Säht die Frau, ja, jut, ävver wer hält dann esu lang de Katz?“) Was Sigmund Freud in seiner Abhandlung „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ speziell über den schwarzen Humor analysierte, gilt indessen für den Witz schlechthin – in das Lachen über die Pointe mündet nämlich immer eine Triebabfuhr, und so ist das Erzählen makabrer Witze oder auch solcher mit derben obszönen und skatologischen Anspielungen ein Ventil für die Auseinandersetzungen mit den Tabus in der jeweiligen Gesellschaft – es ist mithin eine flüchtige Lockerung von Verdrängungen durch eine verbal-symbolische Verharmlosung des Verbotenen, des Tragischen oder gar des Bösen. Gemeinhin werden Tabus als gesellschaftliche Normen auf der Ebene des Über-Ich definiert und reguliert – in der Zeit des Bismarckschen Kulturkampfes um 1875/1880 waren z.B. im Kölner Karneval Witze über den Erzbischof offiziell tabu, um die konfessionellen Gegensätze nicht noch mehr zu verschärfen. Die Verspottung und die Schadenfreude, die im Witz transportiert wird, wirkt im Freudschen Sinne jedoch psychisch entlastend und befreiend – aber folgt man der Auffassung des Kirchenvaters Lucius Caecilius Firmianus Lactantius, „religio“ leite sich vom lateinischen Verb „religare“ für anbinden oder rückbinden ab, dann geht es in jeder Religion grundsätzlich weniger um eine Befreiung des Individuums in einem modernen emanzipatorischen Sinne, sondern um eine Bindung, die vor allem auch eine ideologische ist. Deswegen ist den religiösen Eiferern jeglichen Couleurs der Humor immer fremd, und ebenso den sonstigen strengen Moralisten, die lieber einem alttestamentarischen Zorn frönen als der verständnisvollen und versöhnlich gestimmten Milde, weil ihnen eine freudianische „Wiederschließung frühkindlicher Lustquellen“ durch sublimes Ausleben des Ferkeligen (stellvertretend für alles Triebhaft-Animalische) in höchstem Maße suspekt ist. Denn die Idee der religiösen Frömmigkeit und jene politischen Korrektheit ist an eine sehr komplexe Idee von Reinheit, Vollkommenheit und Unschuld gekoppelt – der „schmutzige Witz“ ist dann das genaue Gegenteil davon. Ideologisch verwandt mit einer solchen Auffassung ist übrigens auch die Durchsetzung einer sozialen und politischen Hygiene als „Säuberung“ oder „Säuberungswelle“ in autoritären Systemen: vor allem Diktatoren sind in der Regel bekanntlich auch äusserst humorlos. Doch schon in den spätmittelalterlichen Fastnachtsspielen wurden das Körperliche und auch das Animalische immer wieder ins Groteske gesteigert (und dabei auch das Klerikale erotisiert) – hier finden wir einen der theatergeschichtlichen Anfänge der Komik. Etwas „in den Dreck ziehen“ geschieht im Wortwitz auf einer Ebene der Metaphorik als Brechung von Entrückung, Überhöhung und Erhabenheit – wenn wir im Witz Politiker lächerlich machen, zerren wir sie auf den Boden, auf das Erdige, Staubige, mithin in unsere ureigene Sphäre zurück.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Paprika-Feigen-Salat

Die Feige zählt zu den Maulbeergewächsen; sie zählt zu den ältesten Nutzpflanzen und wird in Europa heute vorzugsweise im Mittelmeerraum angebaut. Die Hochsaison ist zwischen August und November; frische Feigen sind bei vielen orientalischen Obsthändlern oder in Feinkostläden aber das ganze Jahr über erhältlich, in den Wintermonaten als Importware aus Übersee. Ernährungsphysiologisch gelten Feigen als blutreinigend und verdauungsfördernd. Zum Paprika-Feigensalat nimmt man eine Marinade aus Olivenöl, ein paar Spritzern Zitrone, Salz, Pfeffer, eine Messerspitze Senf, Sesamkörnern, Lauchzwiebeln, Streifen von gelbem oder grünem Spitzpaprika, Roma-Salatblätter, frischen Feigen, dazu etwas Ziegenkäse oder Gorgonzola und frische Basilikumblätter.

Tourteau-Crabe Der Taschenkrebs hat einen glatten bräunlichem Panzer mit 20-25 cm Durchmesser, während die Meeresspinne (Araignée) weniger stark entwickelte Scheren und einen rötlichen Panzer hat. Taschenkrebse kommen in der Nordsee und im östlichen Atlantik vor; sie gehören zu den kulinarischen Standards der bretonischen Küche. Meeresspinnen halten sich im Winter in tieferen Gewässern auf und kommen im Frühjahr in küstennahe Regionen. Taschenkrebse haben mageres, proteinreiches Fleisch. Das meiste davon steckt in den Scheren, die man am beste mit einer Krebszange oder einem Nussknacker knackt, und unter dem Panzer. Man setze einen Sud an mit Wasser, Zwiebeln, Knobloch, etwas Sellerie, Petersilienwurzeln und einer Tomate (falls man für einen zweiten Menügang Schalen von Krabben oder Scampi übrig hat, koche man diese mit), gieße dann das zerkochte Gemüse ab, fülle die Flüssigkeit mit Hummerfond auf und lasse den Krebs darin 10 min. kochen, füge zum Schluss etwas frischen Dill hinzu. Am besten schmeckt er dann kalt mit Knobloch-Mayonnaise und Weißbrot zu einem trockenen Weißwein von der Loire. Aus dem Sud kann man dann mit Hummerpaste noch eine Krebssuppe zubereiten.

Banane „Siem Reap“ à la Karl-Josef Bär

In einem Topf mit wenig Wasser 1 Sternanis, Stücke von Zimtstange und Ingwer weichkochen, bei Bedarf auch 1 TL Honig hinzufügen. In einer Kasserole Bananen mit Erdnüssen und Ingwerstücken spicken, mit Butter bestreichen und mit Kokosraspeln und Sesamkörnern bestreuen, mit dem Sud übergießen und im vorgeheizten Backofen 10 Min. erhitzen. Wer will, kann anschließend auch noch separat erhitzte Vanillesauce darüber gießen.

Bär aktuell 213 – 11. Januar 2017

Beachten Sie bitte folgende Terminhinweise:

Sonntag, 15. Januar 2017, 13 Uhr.

Vernissage zur Ausstellung

„Katharina von Bora – von der Pfarrfrau zur Bischöfin – Künstlerpaare“

mit einem Ausstellungsbeitrag von Siglinde Kallnbach und Jürgen Raap

und

Siglinde Kallnbach:

a performancelife für die Opfer von Terroranschlägen

ein Performance-Stückwerk

Frauenmuseum Bonn

Im Krausfeld 10, Bonn-Nordstadt


Dienstag, 31. Januar 2017, 19 Uhr

Siglinde Kallnbach: VERSUCHE

ein (Performance)-Stückwerk

Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe

Reinhold-Frank-Str. 67, 76133 Karlsruhe


 

Bild vom karnevalistischen Empfang der Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld

Januar 2017 („Prummesitzung“),

Foto: Copyright Kallnbach/Raap/Bär