Archive for Juli, 2021

Baer aktuell 301 – 3. Juli 2021

Freitag, Juli 2nd, 2021

Bild des Monats Juli 2021: Jürgen Raap, „Die Narren der Unschuld“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2021

Bär aktuell Nr. 301 – 3. Juli 2021

Bärs Sprachkritik: Zu viele Päpste Matthias Schneider ist Hobbykoch und Bodybuilder, firmiert in den Medien unter dem Kosenamen „Hollywood-Matze“, wurde jüngst in der BILD-Zeitung mit muskelgestähltem nackten Oberkörper abgebildet und in dem Blatt verbal als „der Mann für Brust und Keule“ apostrophiert. Karl Lauterbach ist unterdessen für die Münchener „Abendzeitung“ „Deutschlands gestrenger Pandemie-Papst“, was allerdings nicht ganz stimmt, denn Lauterbach ist nicht unfehlbar, obwohl er manchmal „päpstlicher als der Papst“ auftritt. Ohnehin wird der Begriff „Papst“ oft zu inflationär gebraucht: für die „Neue Zürcher Zeitung“ ist z.B. der Trainer Jürgen Klopp „der Fußball-Papst“, während hingegen der echte Papst, nämlich Franziskus, sich in der Süddeutschen Zeitung mit den Worten „Ich war nie gut im Fußball“ zitieren ließ. Einen „Eishockey-Papst“ gibt’s übrigens mindestens gleich viermal: der Sportjournalist Klaus-Peter Knospe sei früher von Kollegen „scherzhaft“ so genannt worden, informiert der „Verband Deutscher Sportjournalisten e.V.“ auf seiner Website. Bei „Hockey Diversity e.V.“ ist man allerdings der Ansicht: „Werner Nieleck ist der Eishockey-Papst schlechthin.“ Auf http://www.suedtirol1.it wurde unterdessen Dieter Knoll zum „Eishockeypapst“ ausgerufen und bei „BILD“ Nico Pethes. Herr Bär fragt sich, wer ist denn hier nun Papst, und wer ist nur ein Gegenpapst ? Als „Weinpapst“ galt lange Jahre für www.weinfreudne.de ein gewisser Robert Parker, über den im Jahre 2007 „Die Welt“ die süffisante Frage stellte: „Hat Weinpapst Parker gesündigt?“ Unter Gourmets schätzt man Toni Holburger als „Weißwurst-Papst“ (https://www.worldsoffood.de), und auch der gelernte Metzger Peter Inhoven wurde schon mal als „Wurstpapst“ etikettiert, seit er mit „Peter Inhovens Wurstzirkus“ durch die Lande zieht, wobei auf http://dasfilter.com/leben-stil/kunst-am-darm-im-gespraech-mit-wurst-papst-peter-inhoven das Interview bezeichnenderweise mit „Kunst am Darm“ überschrieben ist. Für den Münchener „Merkur“ ist derweil „Wolfger Pöhlmann, der bayerische WurstPapst, der erste ernst zu nehmende deutsche Wurst-Forscher“. Thomas Hager galt zu Lebzeiten als „Bienen-Papst“, und der „Bier-Papst“ Conrad Seidl unterhält sogar eine eigene Website http://bierpapst.eu/media/. Herrn Bärs Fazit: manche Appositionen, Synonyme und Metaphern sind inzwischen so arg abgenutzt, das man sie doch lieber vermeiden sollte. © Raap/Bär 2021

Kalauer des Monats Was unternimmt eine Wolke gegen Juckreiz? – Sie verlangt nach einem Wolkenkratzer.

Stimmbildung und Sprechtechnik Mangelhafte Rhetorik bescheinigte der Berliner „Tagesspiegel“ (17. 5. 2021) dem SPD-Führungspersonal für den anstehenden Bundestagswahlkampf. Olaf Scholz habe „die ganze Zeit sein Mikrofon umklammert und sein Ablesen vom Teleprompter wie ein Blick ins Nichts gewirkt… Wenn Esken Redebeiträge von Karteikarten abliest, wirkt sie auf einige wie eine Moderatorin im Frühstücksfernsehen…“ Doch auch die politische Konkurrenz bekommt im Orkus des Internet hinsichtlich einer misstönenden Stimmlage ihr Fett weg: „Lauterbach, Neubauer, Schwesig und Baerbock“ würden so sehr zu einer unangenehmen Obertonartikulation neigen, dass diese ihnen „in normalen politischen Zeiten jede Chance verbaut hätte, in ein höheres politisches Amt zu scheitern“, ätzt ein Blogger namens „holgerfinn“ (https://ecency.com/foo) und attestiert Annalena Baerbock, sie rede „in spitzem Diskant“, während hingegen der im Kandidatenwettstreit unterlegene Robert Habeck seine gesetzten Worte „in beruhigendem Bass“ von sich gebe. Aus auralwissenschaftlicher Sicht kommt bei dem Blogger „holgerfinn“ Karl Lauterbach am schlechtesten weg, denn gerade „das Lauterbachsche Hochfrequenzheulen vor aller Ohren, auf allen Kanälen“ markiere „den Sieg der Dysphoniker über die angeborene Harmonieliebe des Menschen.“

Daher kommt es, dass wir mit Schrecknissen Scherz treiben und uns hinter unsere angebliche Wissenschaft verschanzen, wo wir uns vor einer unbekannten Gewalt fürchten sollten“, gibt William Shakespeare in seinem Drama „Ende gut, alles gut“ zu bedenken. Ist es also redlich, Armin Laschet zu unterstellen, er habe in eben diesem Shakespeare’schen Sinne „mit Schrecken Scherz getrieben“, feixend wie ein Schuljunge hinter dem Rücken des Bundespräsidenten, als dieser in der Eifel eine Ansprache inmitten der Trümmer der Flutkatastrophe hielt? Nein, redlich ist dies nicht, da nämlich manch ein Laschet-Kritiker nicht begreifen kann, dass in Situationen höchster Bedrückung und Beklemmung ein kurzes, befreiendes Lachen eine notwendige Entlastung schaffen und einen ungeheuren seelischen Druck, Trauer und Schmerz mildern kann. Die Antipode zur teutonischen Schwermut ist ja nun nicht allein nur der sarkastisch-höhnische Brachialhumor Böhmermannscher Prägung, sondern dieses Lachen als Bewältigungstrategie fußt „in der irrationalen, alogischen Tiefe“, in den vital-seelischen Strömungen des Unbewussten, wie dies der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler einmal treffend beschrieb. Einen kleinen protokollarischen Fauxpas sollte man daher gewiss nicht überbewerten, aber die Klingbeils in diesem Lande tun es jetzt trotzdem, so dass Teile der bürgerlichen Presse schon bangen, dieses unbedachte Lachen könne Laschet die Kanzlerschaft kosten, obwohl die grüne Gegenkandidatin in letzter Zeit an allen Chancen für sich eigentlich schon weitaus mehr verbaerbockt hat. Das Scherzen im bodenlosen Schrecken, wie es Skakespeare meint, geschieht im Willen, Boden im wahrsten Wortsinn zurück zu gewinnen; es ist somit eine Reaktion auf das Unkalkulierte und Unkalkulierbare, Schicksalhafte und Untergründige, auf das Unbestimmbare, das nicht anders in den Griff zu kriegen ist. Heinrich Lützeler beschreibt die Reaktionen seiner Zeitgenossen am Ende des Zweiten Weltkriegs, wie sie mit einer großen Erleichterung feststellten, überlebt zu haben und darauf mit einem gewissen Galgenhumor reagierten, noch viel viel Schlimmeres könnte ihnen ja jetzt wohl auch nicht mehr passieren. © Raap/Bär 2021

Christian Lindner war der „schönste Politiker Deutschlands 2018“, hatte der Attraktivitätsforscher Prof. Ulrich Rosar bei einer Umfrage heraus gefunden. Drei Jahre später, also heute, bescheinigt Rosar dem FDP-Chef, er sei inzwischen „attraktiv gealtert“. In einem Interview mit der FAZ-“Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ attestierte Rosar dem Grünen-Co-Vorsitzenden Robert Habeck, auch wenn dieser „in den vergangenen Jahren zugenommen habe“, sei er „für den Politbetrieb vergleichsweise schlank“. Ohne Armin Laschets Namen explizit zu nennen, führte der Attraktivitätsforscher weiter aus, dass „kleinere, etwas korpulente Männer“ vom Publikum keineswegs als Schönlinge wahrgenommen werden, denn sie gelten „einerseits“ als „nicht so durchsetzungsstark“, seien aber „andererseits gut in der Lage… zu moderieren und zu vermitteln“. Dass Peter Altmaier sogar damit kokettiere, er werde niemals einen Schönheitswettbewerb gewinnen, käme als gelungene Selbstironie bei seinen Fans gut an. Auch Olaf Scholz werde im Bundestagswahlkampf „nicht über seine Attraktivität punkten. Er versucht sich über ein gepflegtes Äusseres, ein ruhigeres, souveränes Auftreten zu inszenieren“. Angela Merkel habe es verstanden, „durch die Kleidung Alterserscheinungen zu kompensieren“ und habe damit „ihr Aussehen so verändert, dass es präsidial wurde“. Über Annalena Baerbock urteilte Prof. Ulrich Rosar, auch wenn sie „in den vergangenen Jahren etwas zugenommen hat“, so sieht man ihr doch „die Leistungssportlerin noch immer an“, und er nennt als weitere Sympathiemerkmale „ein symmetrisches Gesicht“, „sehr glatte Haut“, „große Augen“ und nolens volens ein „Gesicht“ mit einer „leichten Beimengung des Kindchenschemas“. Gutes Aussehen gilt bekanntlich eher als ein Garant für gesellschaftlichen Erfolg, als wenn einer als schlunziger Gnom durch die Gegend schlurft. Doch der Attraktivitäts-Professor warnt die Politiker vor zu viel Styling und zu viel Eitelkeit: „Niemand will einen Poser oder Narzissten in einer Spitzenposition. Wir kennen etwas Vergleichbares aus der Kriminalitätsforschung: Straftäter, die ihre Attraktivität zur Begehung einer Straftat einsetzen, werden härter bestraft als unattraktivere Straftäter“. © Raap/Bär 20

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Veau marengo Das Rezept entwickelte der Leibkoch von Napoleon Bonaparte im Jahr 1800 vor der Schlackt von Marengo im Piemont. Zutaten: Kalbsbraten, Champignons, Tomaten, Tomatenmark, Möhren, Lorbeerblatt, Nelken, Rosmarin, Thymian, 1 Knoblauchzehe, Schalotten, Weißwein, Hühnerbrühe. Das Fleisch schneidet man in gulaschgroße Würfel, brät es in Olivenöl an, salzen und pfeffern, dann die anderen Zutaten hinzufügen bis auf die Champignons und das Ganze zwei Stunden in Hühnerbrühe schmoren lassen, die Champignons erst zum Schluss 20 Min. vor dem Servieren beifügen. Die Variante Poulet Marengo ist ein Schmorgericht mit Poularde, Tomaten, Champignons, Weißwein, Garnelen oder Flusskrebsen, frittierten oder gekochten Eiern sowie Croûtons oder gerösteten Baguettescheiben.

Mainzer Handkäs mit Musik

Ein Sauermilchkäse, hergestellt aus Sauerquark von der Kuhmilch, den eine Bäuerin aus dem hessischen Umland in Groß-Gerau erfand und ab 1813 auf dem Mainzer Wochenmarkt verkaufte. Ein Gastwirt, ebenfalls aus Groß-Gerau, konstruierte später dafür eine Käseform-Maschine. Als „Handkäs mit Musik“ wird er in Mainz in einer Marinade aus Öl, Essig und Wein eingelegt und zusammen mit Zwiebeln und Kümmel serviert.

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