Archive for Juni, 2020

baer aktuell 286 – 22. Juni 2020

Montag, Juni 1st, 2020

Bild des Monats Juni 2020:

Jürgen Raap, „Gelbspötters Ränkespiele“, Acryl und Öl auf Leinwand, 2020

Jürgen Raap, „Gelbspötters Ränkespiele“, 2020, Copyright: J. Raap

Bär aktuell Nr. 286 – 3. Juni 2020 – 22. Juni 2020

Zeitgeschichte mit Herrn Bär Die Regenbogenfraktion im Kölner Stadtrat war eine Abspaltung der Grünen und gab 1981 zusammen mit Ludwig Hoerner ein kölsches Liederbuch heraus, das auch den Text eines Gassenhauers enthält, mit dem Toni Steingass (1921-1987) im Jahr 1968 an die Öffentlichkeit trat: „Do steiht ene Schutzmann, dä hätt dä janze Dag noch nix jedonn“ (Da steht ein Schutzmann, der hat den ganzen Tag noch nichts getan). Ich erinnere mich, dass in Köln die Demonstranten der 1968er Generation bei ihren Umzügen den Text oft als Spottlied angestimmt hatten, obwohl der Verfasser Helmut „Heli“ Steingass seinen Originaltext eigentlich keineswegs so verstanden wissen wollte. Seit das Rheinland 1815 Preußen zugeschlagen wurde, entwickelte die alteingesessene Bevölkerung zur neuen Obrigkeit ein teils kritisches, teils nonchalantes Verhältnis – in den derben Schwänken des „Hännechen-Puppentheaters“ wird bis heute der preußische Schutzmann Schäuzerkowsky regelmäßig veralbert. Zu den Skurillitäten unserer Tage gehört freilich der misslungene Versuch der SPD-Chefin Saskia Esken, mittels Polizeikritik die Linkspartei verbal links überholen zu wollen, woraufhin ihr ausgerechnet der Fraktionschef der Linkspartei Dietmar Bartsch widersprach, „eine Analogie zu den Zuständen in den USA herzustellen, ist so nicht gerechtfertigt.“ Und dem missverstandenen Steingass’schen Text zum Trotz sagte der Linken-Chef Bartsch bemerkenswerterweise auch noch: „Polizistinnen und Polizisten verdienen mehr Anerkennung“. Dass jetzt ausgerechnet sich der Fraktionschef der Linkspartei darum bemüht, staatstragend aufzutreten, während Saskia Esken sich revoluzzerhaft inszeniert, mutet schon ein wenig bizarr an wie so vieles in diesen Tagen. Der SPD-Epideminologe Prof. Karl Lauterbach wurde in Köln neulich auf der Straße angesprochen: „Sagen Sie mal, Herr Lauterbach, waren Sie beim Friseur?“ Und das Fernsehen dokumentierte in bundesweiter Ausstrahlung Lauterbachs launige Antwort: „Ja, bei mir im Haus ist vor kurzem unten ein Friseur eingezogen“. Würde Herr Bär jetzt wünschen, die Eröffnung eines solchen Friseursalons in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft möge bei Saskia Esken eine Abkehr von ihrer Jogi Löw-Frisur bewirken, würde man dies wohl als eine unangemessene Boulevardisierung von „bär aktuell“ empfinden, und man sollte Frauen, zumal solche in der Politik, ja sowieso nicht nur nach ihrem Äusseren beurteilen. Karl Lauterbach allerdings auch nicht. Außerdem: Jede Jeck is anders. Also verkneift sich Herr Bär diesen Gag lieber. © Raap/Bär

Literaturgeschichte mit Herrn Bär – Der Journalist und Kabarettist Johannes Theodor Kuhlemann wurde am 4. Nov. 1891 in Köln-Ehrenfeld geboren und lebte später bis zu seinem Tod am 9. März 1939 in Rodenkirchen in der Maternusstr. 30. Am bekanntesten ist Kuhlemanns Bonmot „Genüsslich ist’s nach Schnaps zu riechen in einer Gesellschaft wo man das nicht darf“.

Nach dem Ersten Weltkrieg verdiente er seinen Lebensunterhalt als Sekretär des Tabakhändlers Josef Feinhals und schrieb expressionistische Trost-Gedichte, die unter dem Titel „Consolamini“ 1919 im Kairos-Verlag in Köln-Ehrenfeld erschienen, mit Illustrationen des Dada-Künstlers Max Ernst, zu dessen Heirat mit Louise Strauss-Ernst Kuhlemann auch ein Hochzeitsgedicht verfasste. Dieser Gedichtband erwies sich allerdings wirtschaftlich als Total-Flop: die gesamte Auflage der „Consolamini“ wurde daher 1920 eingestampft.

Literarisch mehr Erfolg hatte Johannes Theodor Kuhlemann hingegen 1935 als Texter des „Ersten Büttenmarsches“ der „Großen Rodenkirchener Karnevalsgesellschaft“: zur Musik von Richard Krauel reimte Kuhlemann ein Loblied auf die damalige städtische Unabhängigkeit Rodenkirchens: „Uns Rudekirche litt am Rhing, Alt Kölle no donevve, Mer blieve frei un ohne Ping, Dun mer als Boore levve…“ (Unser Rodenkirchen liegt am Rhein, das alte Köln nah daneben, wir bleiben frei und ohne Pein, tun wir als Bauern leben…“ Diesem Bekenntnis zum Trotz wurde Rodenkirchen 1975 dennoch nach Köln eingemeindet.

© Raap/Bär 2020

Wenn Politiker sich volksnah oder volkstümlich inszenieren wollen, gerät dies schon mal zum Flop. Halbwegs geglückt in dieser Hinsicht war immerhin noch die Entscheidung des SPD-Epideminologen Karl Lauterbach, künftig in der Öffentlichkeit ohne Fliege auftreten zu wollen, weil seine Tochter ihm dazu geraten hätte, mit dieser altmodischen Akademikerfliege sähe er eher „peinlich“ aus. Weniger geglückt war die Stilberatung der Gattin von Gerhard Schröder, die den Altkanzler am heimischen Herd fotografierte und dies in den Orkus des Internet postete, wie er da vor sich hin brutzelte, in einem oberarmfreien muskelshirtähnlichen Oberteil, was ein Blogger mit der Bemerkung kommentierte, Schröder habe bei dieser Aufnahme wohl „einen sitzen gehabt“, und die ansonsten eher betuliche „Die Welt“ zu der durchaus wachen Bemerkung veranlasste, die Schröders benähmen sich jetzt wie „die Kardashians von Hannover“. Offensichtlich fehlt Altkanzler Schröder eine stilsichere Tochter wie jene von Karl Lauterbach, die ihn von solch einem bizarren Fotoshooting abgehalten hätte. Daher gibt es nun an dieser Stelle eine kostenlose Stilberatung von Herrn Bär für den nächsten Bundestagswahlkampf: wenn ein Politiker sich schon beim Volk anbiedern und zu diesem Zweck nach jenem Klischeebild inszenieren will, das man von einem neureichen Proll hat, dann gehören zu solch einem Muskelshirt auch Tätowierungen auf den Oberarmen, Goldkettchen um den Hals und Undercut-Frisur.

© Raap/Bär 2020

Beachten Sie bitte folgende Ausstellungshinweise:

Jürgen Raap beteiligt sich an den Gruppenausstellungen:

„In memoriam Alfred Strack“ (Kurator Herbert Rosner), Kulturforum St. Clemens Köln-Mülheim, 28. Juni bis 26. Juli 2020,

„Zimmerecken…“ (Kurator: Martin Schwarz), Villa Flora, Winterthur/Schweiz, verschoben auf 3.-30. Okt. 2020

(an dieser Ausstellung nimmt auch Siglinde Kallnbach teil).

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Solei à la Johannes Theodor Kuhlemann

In seinem Krätzchen „Kölsche Fooderkaat“ (kölsche Speisekarte) notierte der rheinisch-expressionistische Dichter und Mundartautor Johannes Theodor Kuhlemann (1891-1939) folgendes Rezept für die Zubereitung von vorher hart gekochten Soleiern:

Ess dat Solei met Verstand – Iss das Solei mit Verstand

Pack et en de linke Hand – Pack es in die linke Hand

Pöttel met dä rächte Floss – Schäle mit der rechten Flosse

Stöck för Stöck de Schale loss – Stück für Stück die Schale los

Schnigg et medden durch mem Metz – Schneid es mitten durch mit dem Messer

Kratz erus dat jäle Hätz – Kratz das gelbe Herz heraus

Meng dodren met vill Jeföhl – Menge hinein mit viel Gefühl

Essig, Peffer, Mostert, Öl – Essig, Pfeffer, Senf, Öl

Schmer dä leckere Dotterbrei – Schmier den leckeren Dotterbrei

Widder en dat halve Ei – Wieder in das halbe Ei

Su, nun däu et en dä Mungk – So, nun schieb es in den Mund

Nemm dozu ne jode Drunk – Nimm dazu einen guten Trunk

Passt ein Blanc de Blanc aus dem Weinort Rech an der Ahr zu gebratenem Salm und zu Crevetten in Knoblauchöl: Aber gewiss doch. Der Wein ist vollmundig und fruchtig, stammt aus regionalem Anbau, so dass wegen des kurzen Transportwegs der Konsument im 60 km weiter entfernten Köln sich beim Öffnen der Flasche klima- und umweltfreundlich verhält, womit auch Greta Thunberg diesmal nichts herum zu meckern hätte, und man ja ohnehin in der post-coronalen Wirtschaftsrezession eher die heimischen Produzenten unterstützen sollte, zumal die Winzer. Zu tadeln ist allerdings die Firlefanzierung des Weinflaschen-Designs. Die von einem überkandidelten Designer vorgenommene Verschlankung der Flasche soll zwar psychologisch suggerieren, Wein mache nicht dick, aber bei der kaufmännischen Anforderung nach vertrautem gleich bleibendem Volumen (0,7 Liter) erreicht der Designer dies nur, indem er die Flaschenform so sehr in die Höhe streckt, dass die Flasche dann nicht mehr in die Kühlschranktür von Herrn Bär passt. Und so haut nun Herr Bär, der einen Studienabschluss als Diplom-Designer an den Kölner Werkschulen vorweisen kann, dem weltfremden Weinflaschendesigner ein Zitat des Architekten und Designers Louis Sullivan um die Ohren: „Die Form folgt der Funktion“. Und eben nicht umgekehrt.

„Designfirlefanz bei Weinflaschen“, Foto: Copyright S. Kallnbach

Rindersteak „Rheinkassel“ In der Rinderzucht unterscheidet man zwischen Milchrassen und Fleischrassen. Jungbullenfleisch vom Milchrind ist nicht so saftig, am besten ist das Fleischrasenfleisch von der Färse (Jungkuh) oder vom Ochsen, und für Kurrbratstücke, d.h. als Staek sind nur etwa 7 bis 10 Prozent des Rinds geeignet, am besten aus der Keule (das nennt man „Bürgermeisterstück“, weil es früher den Honoratioren vorbehalten war). Das Entrecote (Zwischenrippenstück) stammt aus dem vorderen Rücken, das Filet aus der inneren Lende, das Rumpsteak oder Roastbeef aus dem hinteren Rücken. Man erhitzt Öl und Butter in einer Pfanne, bräöt darin das Steak je nach Bedarf (rare = noch ziemlich roh, „blutig), saignant = rare medium, a point = medium, bien cuit/well done = „durch) von beidne Seiten an, erst danach salzen und pfeffern. Zum Bratvorgang kann man 1 Knoblauchzehne, eine halbe Chilischote und eine Scheibe rohen Ingewer hinzu gebebn, zum Schluss etwas Rosmarin, Thymian uns Salbei. Zur „Sauce Rheinkassel“ setzt man eine Fleischbrühe mit Zwiebeln an, die man einkochen lässt und dann mit Pfefferkörnern, Cayennepfeffer, Piment, frischem Koriander oder Korianderkörnern, 1 Lorbeerblatt, 1 Wacholderbeere, etwas Muskat, Petsersilie und etwas geriebenem Apfel abrundet, und dann lässt man das Ganze vor dem Servieren noch etwas ziehen.

Soffrito Das mittelalterliche Kochbuch „Llibre de Sent Soví“ erwähnt das „Soffrito“ unter dem katalanischen Namen „Sofregit“ 1324, als Tomaten in Europa noch unbekannt waren. Im Italienischen bedeutet „Soffrito“ Sautiertes oder Geschmortes, und das klassische Rezept besteht aus geschmorten Zwiebeln, Sellerie, Möhren und Petersilienwurzeln, bisweilen auch Knoblauch. Nach der Entdeckung und Eroberung Lateinamerikas reicherte man in der spanischen und portufiesischem Küche dieses Soffrito mit Tomaten und Paprika an, als Gemüsebeilage oder als Basis für Saucen. Eine Variante des Rezepts findet man in der Türkei für eine Vorspeise mit dicken weißen Bohnen in einer zumeist kalt servierten Sauce aus zerkochten Fleischtomaten, Zwiebeln, Möhre, Stangensellerie, angereichert mit Tomatenmark und Paprikamark, Zitrone, Granatapfelsaft, gewürzt mit Salz, Pfeffer, scharfem Paprika- oder Chilipulver, Kreuzkümmel und Knoblauch. Herr Bär nimmt statt weißer Bohnen auch gerne die grünen Flageolet-Bohnen.

Spargel à la Wolfgang Amadeus Bär, Foto: Copyright S. Kallnbach

Spargel à la Wolfgang Amadeus Bär Man schäle den Spargel, schneide die holzigen Endstücke ab und koche sie in leicht gesalzenem Wasser mit etwas Petersilienwurzeln, Sellerie und Möhren aus. In diesem Sud kocht man dann die Spargelstangen. In einer separaten Casserole zerlässt man Butter, stäubt etwas Mehl hinein, gibt Kochsahne hinzu, lässt das Ganze mit ein paar Pfefferkörnern kurz aufkochen, rundet es mit Kapern, etwas frischem Estragon, frischem Dill und frischer Petersilie ab und gießt das Ganze vor dem Servieren über den Spargel. Dazu reiche man klassischerweise Kochschinken oder Hühnerfrikassee und einen Silvaner-Weißwein oder eine Scheurebe aus Franken oder Rheinhessen.

Türkischer Bohnentopf Breite grüne Bohnen bekommt man ganzjährig in türkischen Supermärkten. Man brät Zwiebeln in einer Pfanne oder Casserole in Olivenöl an, gibt gewürfelte Tomaten und die klein geschnittenen Bohnen hinzu, lässt das Ganze eine Weile köcheln, ergänzt den Inhalt dann mit separat vorgekochten Kartoffelstücke und frischem Knoblauch, würzt mit Salz, Pfeffer, Paprikapulver, Kreuzkümmel oder Schwarzkümmel. Man kann den Bohnentopf vegetarisch genießen, ihn aber auch mit gebratenem Lammhack oder Lammgulasch kombinieren.

Paprikahähnchen à la Karl-Josef Bär

Ein Stubenküken oder Hähnchen wird von außen mit Salz, schwarzem Pfeffer und Cayennepfeffer eingerieben, ebenso von innen, dort aber auch noch mit Rosenpaprikapulver und süßem Paprikapulver. Klein gehackte Zwiebeln, Knoblauchstücke, Knoblauchpaste, rote und grüße Gemüsepaprikawürfel sowie kleine Apfelstücke werden mit Tomatenmark, Paprikapaste und Senf vermengt und als Füllung im Inneren verstrichen. Im Backofen bei 180 ca. 40 Min. garen, kurz vor dem Servieren von außen auch mit Paprikapulver bestreuen.

Einkehr im Kölner Brauhaus „Sion“, Foto: Copyright Siglinde Kallnbach

Impressum: V.i.S.P. Jürgen Raap, Senefelderstr. 5, 50825 Köln