Archive for Dezember, 2012

bär aktuell nr. 148 – 22. Dez. 2012

Mittwoch, Dezember 5th, 2012

Deppen-Ranking Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und daher ist es wieder Zeit für eine Auflistung er schönsten Fehlleistungen und sonstigen Dummheiten des Jahres 2012. Den Vogel ab schoss Norbert Röttgen, der binnen kürzester Zeit von „Muttis Klügstem“ (Berliner Polit-Jargon) zu „Mutti Merkels Dümmstem“ mutierte, weil er als Spitzenkandidat der CDU bei der NRW-Landtagswahl den Eindruck erweckte, er wolle diese Wahl gar nicht gewinnen, wofür ihm in dieser Ranking-Liste Platz 1 gebührt.

Platz 2 nimmt Christian Wulff mit seiner Fehleinschätzung vom Januar 2012 ein, binnen eines Jahres würden alle Vorwürfe gegen ihn in Vergessenheit geraten und er immer noch Bundespräsident sein. Monate später bekam Wulff gleich in vier Zeitungsinterviews noch von Gattin Bettina Wulff öffentlich einen eingeschenkt, er habe es „im letzten Winter nicht geschafft, sich auch noch um ihre Gefühle zu kümmern“, so „Spiegel online“ über die reichlich peinlich anmutende mediale Ausbreitung des Wulffschen Familienlebens, die als PR-Kampagne für ihr Buch „Jenseits des Protokolls“ deswegen wohl eher ein sprichwörtlicher Schuss in den Ofen war, was Platz 3 bedeutet. Und nachdem schon Wulff mit einem „Drohanruf“ bei der BILD-Zeitung keinen Erfolg hatte, muss man sich fragen, wie dämlich ein CSU-Pressesprecher sein muss, um wenige Monate später beim ZDF anzurufen, weil er einen Bericht über den Parteitag der bayerischen SPD verhindern wollte. Platz 4 gebührt daher dem beurlaubten CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp.

Auf Platz 5 finden wir die Sängerin Nicole Scherzinger, der man in London auf einem Empfang zuraunte, sie werde jetzt dem britischen Premierminister vorgestellt. Als dann der Premier David Cameron leibhaftig vor ihr stand, fragte sie irritiert: „Aber wo bleibt denn der Tony Blair?“ Platz 6 wird diesmal kollektiv vergeben, nämlich an alle, die politisch, technisch und bauaufsichtlich den Berliner Pannen-Flughafen zu verantworten haben.

Herrlich blamiert hat sich auch die Berliner Polizei, als sie ihre Streifenwagen und ihre Schutzwesten neu beschriften lies. Keiner hat gemerkt, dass die Buchstaben falsch abgeklebt waren. So fahren die Beamten nun mit Autos durch Berlin, auf denen „Polize“ steht, und die schusssicheren Westen sind mit „Polzei“ beschriftet. Liest da keiner Korrektur? Soviel Deppenhaftigkeit in Sachen Orthographie verdient Platz 7.

Außer dem linkischen Rudolf Scharping hat sich noch nie ein Kanzlerkandidat der SPD so schnell demontiert und eine Vielzahl Sympathisanten der Sozialdemokratie verprellt wie Peer Steinbrück, der nicht nur als verbaler Raufbold jegliches staatsmännische Gespür vermissen lässt. Was im alles in der Welt hat Steinbrück dazu bewogen, sich ausgerechnet Roman Maria Koidl als Online-Berater zuzulegen? Jener frühere Hegdefonds-Berater Koidl wird vom Boulevardblatt „Express“ als „Raubtier-Kapitalist“ beschrieben und trat ansonsten bislang vor allem als Verfasser eines Buches hervor, warum „Blender“ im Berufsleben so erfolgreich sind. Gilt es mithin nun, den in der Politik bereits jetzt schon reichlich vorhandenen Blendern nachzueifern? Hat gar Peer Steinbrück sich diese Blender-Theorie selber schon längst zu Herzen genommen? Ein anderes Buch von Koidl heißt bezeichnenderweise „Scheißkerle“ und passt irgendwie auch ganz gut zum oftmals recht drastischen Vokabular des Peer Steinbrück. Als aus den eigenen SPD-Reihen Kritik an seiner Berufung laut wurde, quittierte Koidl seine Dienste in Steinbrücks künftigem Wahlkampfteam allerdings schon sehr bald wieder. Offizielle Begründung: Roman Maria Koidl habe dazu geraten, die Internetauftritte der SPD einer „revolutionären Systemumstellung“ zu unterziehen, doch das Risiko eines solchen Relaunchs wollte die Partei elf Monate vor der nächsten Bundestagswahl dann doch nicht eingehen.

Von einem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten erwartet man allerdings schon mehr Berührungsängste zu jenen Hedgefonds-Spekulanten, die dreist das Geld aus den EU-Rettungsschirmen abräumen, weil sie vorher eine griechische 100 Euro-Staatsanleihe beim Kurs von 15 Euro aufgekauft haben (deren Kurs jetzt bei 35 Euro liegt). Wer von Anfang an gemutmaßt hat, das Geld aus den diversen Brüsseler Rettungsschirmen käme gar nicht der griechischen Volkswirtschaft unmittelbar zugute, sondern vor allem den Banken und heuschreckenhaft-gierigen Börsen-Zockern, der mag sich nun bestätigt sehen. Alles in allem: Platz 8 für den allzu wirtschaftsfreundlichen Kandidaten Peer Steinbrück.

Wer tatsächlich neo-liberale Politik wünscht, der wählt dann wohl gleich lieber gleich das Original und nicht die SPD, aber ein Kanzlerkandidat Philipp Rösler wäre ja nur eine völlige Lachnummer, weshalb wir diesen auf Platz 9 finden. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Guido Westerwelle mal mit einem „Guidomobil“ auf Wahlkamptournee ging, bis eben dieses Guidomobil auf einer Landstraße fern in der ostfriesischen Provinz wegen eines Batterieschadens seinen Geist aufgab. Herr Bär traute allerdings seinen Augen nicht, als der frühere FDP-Linke Gerhard Baum aus Wut darüber, dass es heute in der FDP keinen linken Flügel mehr gibt, in einer Fernsehsendung mit dem Vorschlaghammer unlängst das stillgelegte Guidomobil zertrümmern durfte, und symbolisch zerbarst unter seinen Hammerschlägen dann auch gleich die glatte gelblackierte Karosserie einer Partei, die Gerhard Baum heute für „intellektuell harmlos“ hält. Da in den Augen Baums die Entintellektualisierung der FDP seinerzeit mit Guido Westerwelle als Vorsitzendem einsetzte, gebührt letzterem der 10. Platz                                             © Raap/Bär 2012  uebertreibung72.JPG

Bild des Monats Dezember 2012:

„Herr Bär, Sie haben den Kölner Erzbischof Reinhard von Dassel gemalt, wie er die Gebeine der Hl. Drei Könige nach Köln bringt?“

Bär: „Jojo, dä is ja durch die Dreikönigenpforte nach Köln hineingeritten. Dreikünningepööjze heißt dieses Tor an St. Maria im Kapitol im Volksmund. Ävver do in dä Jegend is ja derzeit alles Baustelle, wegen dä neuen U-Bahnlinie, die wird und wird einfach nicht fertig. Als Bildmotiv ist dat einfach blöd. Deswejen han ich die Szene an dat Eigelsteintor verlegt. Rechts sieht man die steinerne Figur des kölschen Boor en dä Mauer vum Eigelsteintor…“

„Aber Herr Bär, diese Skulptur ist doch in Wirklichkeit auf der linken Torseite zu sehen!“

Bär: „Jojo, ävver da knubbelt sich dat in däm Bild schon eso. Da reitet ja schon dä Reinhard von Dassel. Dä bruch vill Platz, immerhin is dat ja ne Äzbischof. Dä kannste en su nem Bild nit eso an dä Rand quetsche. Aber rechts war noch vill frei, da han ich dä kölsche Boor aus kompositorischen Gründen eben dahin platziert“.

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Die schwäbische Übertreibung“, 2012