Archive for November, 2020

bär aktuell Nr. 292 – 3. Nov. 2020

Sonntag, November 1st, 2020

Bild des Monats November 2020: Jürgen Raap, „Die Politik der Lügner“, 2020

Bär aktuell Nr. 292 – 3. Nov. 2020 / 22. Nov. 2020:

Abschiedsbüttenrede von Donald Trump

in rheinische Mundart übersetzt von Karl-Josef Bär

Em Wieße Hus do sitz ich drin

Un dä Joe Biden kütt he nit erin

He will ich blieve, he bin ich zo Hus

He kritt mich dä Biden, un och sons keiner erus

Ich han Üch beloge und bedresse jeden Dach

Ehr hat et jewoß, ävver üvver mich nor jelaach

Vier lange Johr han ich für Üch dä doofe Tünnes jemaht

Nit immer jot, ävver immer op äch Trump’sche Aat

Ich weiß nit vill, bin och nicht schlau

Manche sagen och, ich hätt ene Hau

Ävver loort Üch doch ens die andere Figure an

En dä Türkei sin se mem Erdogan och nit besser dran

Un meint Ihr, dä Putin däht freiwillig us däm Kreml jon

Dä bliev do noch zwanzig Johr, dat kann ich verstonn

Un och dä Lukaschenko klääv an singem Stohl

Do sin ich nit en, dat nur ich jetz dä Sessel räume soll

Bin ich och avjewählt – ich gläuven et nit

Ich han vör Üch vier Johr lang dä Aap jemaht – jetzt simmer quitt

Da Biden kann zorück noh Delaware jon

Un ich bin un blieve für Üch Ühre Donald – dä Kraat in Washington

Carne vale – Fleisch leb wohl Kein Fastelovend wegen Corona. Vor allem nicht zum 11.11. mitten im neuen Lockdown. Nun kann Herr Bär, der aus jungen Jahren noch einen wunderschönen Kneipenkarneval in Erinnerung hat, als es noch keine Drängelgitter und Türsteher vor den Lokalen gab und man nicht überall zu einem Mindestverzehr von 10 Euro genötigt wurde, den Ausartungen des heutigen ballermannhaften Touristenkarnevals mit all seinem Nepp, Kommerzrummel, Randale und Wildpinkelei in Hauseingängen ohnehin nichts abgewinnen. Aber wenn es die Politprominenz von Laschet bis Lauterbach jetzt tatsächlich schafft, im Rheinland den Aschermittwoch schon zum 11.11. auszurufen und alle gehorsam mitmachen, wäre das ein Novum in der 2000jährigen Geschichte des Jeckentums. Denn bereits im Jahr 742 versuchte der Missionar Bonifatius Maskenumzüge zum Winterende zu verbieten, weil sie ihm zu heidnisch waren, dies allerdings vergeblich. Als im Spätmittelalter die Handwerksburschen allzu sehr über die Stränge schlugen, vermochten auch dann die Stadtregenten das wüste Treiben keineswegs einzudämmen, obwohl sie um 1520/30 im Zeitalter der Bauernkriege und der Handwerkeraufstände in den Städten durchaus fürchten mussten, dass das Narrentum auf der Straße und in den Kneipen zu eskalieren und in revolutionäre Umtriebe umzuschlagen drohte. Doch außer in Kriegszeiten wurde in Köln immer Karneval gefeiert, egal, wie die Umstände gerade waren. Auch bei der berüchtigten „Pfaffenfastnacht“ ging es in den kölschen Klöstern immer hoch her. Aus dem Kloster St. Mauritius berichtet z.B. eine Nonne in Jahre 1729 überschwänglich:„ Wir haben die Fastnacht in aller Lust passiert, und seindt alle Geistliche verkleidet gewesen und uns recht lustig gemacht. In den Tag hinein haben wir getanzt und gesprungen.“ 1748 war allerdings Papst Benedikt XIV. derlei Narrentreiben zu viel geworden – er verdonnerte mit einem Edikt die Gläubigen zum Fasten am Karnevalsfreitag, dem Tag des Herrn; und er beklagte sich gleichzeitig, dass die Jecken noch längst nicht wieder ausgenüchtert waren, wenn sie dann am Aschermittwoch in die Kirche kamen. Die Ermahnungen des Papstes verhallten allerdings ebenfalls ungehört. Als nach dem Ersten Weltkrieg die britische Besatzungsmacht im Rheinland das allgemeine Versammlungsverbot auch auf Umzüge und Sitzungen zu Karneval ausdehnte, weil ihr uniformierte Gardisten mit blank gezogenem Säbel nicht geheuer waren, da sie zu militaristisch wirkten, inszenierten die Karnevalisten stattdessen harmlose Revuen. Eine dieser Revuen „Der Feldmarschall vom Kümpchenshof“ brachte 1925 den heute noch populären Gassenhauer „Kölsche Mädcher, kölsche Junge, sin däm Herrjott jot jelunge“ hervor. Über den rheinischen Frohsinn in den Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre mit all ihren Entbehrungen dichtete Fritz Hannemann ebenfalls 1925 den Karnevalsschlager: „Se kriggen uns nit kapott, es och dat letzte Hemb, dä letzte Grosche fott“. Ein zeitgenössisches Foto von Walter Dick in der Hungerzeit vom Februar 1946 zeigt, wie trotz erneutem Karnevalsverbot durch eine Besatzungsmacht kostümierte Jecken mit dem Akkordeon durch die verschneiten Kriegstrümmer ziehen. Wegen des Golfkriegs fiel 1991 der Rosenmontagszug in Köln aus – Sitzungen in den Sälen fanden freilich trotzdem statt. Allerdings verzichtete man darauf, wie sonst üblich besonders gelungene Darbietungen mit einer „Rakete“ zu honorieren, was von den Obernarren als „kölsche Lösung“ propagiert wurde, als ein augenzwinkernder Kompromiss, der einerseits dem Ernst der Kriegssituation ein wenig Rechnung trug und trotzdem unbeschwertes Feiern ermöglichte – ein typischer Beleg dafür, wie der Rheinländer es immer wieder schafft, den Widrigkeiten des Lebens mit Pragmatismus zu trotzen. Sogar die links-alternative Szene wollte übrigens in diesem Winter 1991 aufs Narrenkostüm nicht verzichten und veranstaltete am Karnevalssamstag stattdessen einen „Geisterzug“ als Friedensdemo.

Süffisante Bemerkungen im Boulevardblatt „Express“ musste sich kürzlich der Hartz IV-Empfänger „Ulf aus Dormagen“ gefallen lassen: er habe sich in der aktuellen Lockdown-Krise „ein zweites Standbein verschafft“ (O-Ton „Express“) und drehe jetzt Pornos. Bezeichnenderweise habe der „Trash Promi“ (erneut O-Ton-Express) sich dafür das Pseudonym „Robin Dick“ zugelegt. Soll man nun darüber schmunzeln oder einfach nur die Augenbrauen hochziehen? Zur Verteidigung der humanistischen Bildung ruft Herr Bär stattdessen aus: O tempora, o mores („Oh Zeiten, oh Sitten), und fragt zweifelnd nach: „Ulf aus Dormagen“, gibt’s den wirklich? Als echten Ulf oder zumindest als wahren Ulf? Oder hat sich den jemand nur als Kunstfigur ausgedacht? Besagter „Ulf aus Dormagen“ trat zwar mal im „Big Brother“-Container des „Unterschichten-Fernsehens“ auf (so nannte der Unterhaltungskünstler Harald Schmidt seinerzeit derlei Sende-Formate der Privatsender), aber im Zeitalter manipulativer Fake-Geschichten weiß man ja heute nie so genau, ob da nicht ein Schauspieler den „Trash-Promi“ Ulf mimt, so ähnlich, wie der Komiker Hape Kerkeling einst absolut genial als „Horst Schlämmer aus Grevenbroich“ auftrat. Allerdings nicht in Porno-Filmen. Als Herr Bär in jungen Jahren an den Kölner Werkschulen studierte, zeigte uns Robert van Ackeren, damals Professor der Filmklasse, in der Cinemathek des Wallraf Richartz-Museums ein Semester lang sogenannte B-Movies, u.a. von Russ Meyer, als Beispiele für die Pop Art in der Filmkunst, und das war tatsächlich Filmkunst insofern, als dort in diesen Soft-Porno-Filmen mit verwaschenen Farben wie im Billig-Illustriertendruck der 1960er Jahre den weiblichen wie männlichen Darstellern noch schauspielerische Leistungen abverlangt wurden, und so darf man darauf gespannt sein, ob „Ulf aus Dormagen“ als „Robin Dick“ sich nun für höhere mimische Aufgaben empfiehlt, z.B. für die Hauptrolle in einer Neuinszenierung der Boulevardkomödie „Seitensprung mit Onkel Jutta“, die von der „Westfalenpost“ bereits früher als „kurzweilig“ beurteilt wurde.

Bärs Bestatterkritik Dass der Kölner Beerdigungsunternehmer Christoph Kuckelkorn auf seiner Webseite unter „Aktuelles“ für seine Firma mit den Worten „Das Bestattungshaus – mitten im Leben“ wirbt, klingt auf den ersten Blick ein wenig paradox, ist jedoch philosophisch als ein Bekenntnis zum Diesseits zu begreifen, ohne das es kein Jenseits gibt. Konkurrent Leo Kuckelkorn bewegt sich mit der Zielgruppenansprache „Wir geben den Mehrwertsteuervorteil direkt an unsere Kunden weiter“ ebenfalls auf der Höhe der Zeit, während ein anderer rheinischer Branchen-Primus, nämlich das Bestattungshaus Pütz-Roth, derzeit „an der Möglichkeit“ arbeitet, in Corona-Zeiten „Trauerfeiern live zu übertragen“. Für andere Live-Gigs unterhält das Bestattungshaus Pütz-Roth noch eine „Waldbühne“, an der bis zum jetzigen Lockdown das Hygienekonzept maximal 360 Zuhörer erlaubte, die dort lauschten, wie die Kölsch-Combo „De Paveier“ ihren Song „Schön ist das Leben“ intonierte, sozusagen als Pendant zur Philosophie der Kuckelkornschen Diesseitsbejahung.

© Raap/Bär 2020

Copyright Bär/Raap 2020

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Sauce espagnole (Spanische Sauce) besteht aus Möhren und Sellerie in dünnen Streifen, gewürfelten Zwiebeln und Tomaten, die man in Butter zusammen kurz anbrät und dann mit Rinderbrühe/Rinderfond und Tomatenmark vermengt. Man schmeckt sie mit Salz und Pfeffer ab, kann sie auch mit einer Mehlschwitze andicken. Diese Sauce passt gut zu gebratenem Rindfleisch, Ente oder Lamm. Die Sauce italienne (Italienische Sauce) hat die gleichen Zutaten, dazu aber auch noch Knoblauch und neben den Zwiebeln zusätzlich noch Schalotten, wird nicht mit Butter, sondern mit Olivenöl zubereitet und nicht mit Rinderbrühe, sondern Wasser.

Rognons de veaux à la Liègoise – Kalbsnieren auf Lütticher Art Die Nieren von Fett und Sehnen befreien, säubern, salzen, pfeffern, in kleine Stücke schneiden und zusammen mit geräuchertem Speck und gewürfelten Champignons anbraten, dann in Kalbsfond und einem Schuss Wacholderschnaps (holländischer Genever oder wallonischer Péket), ersatzweise Gin) und 1-2 Wacholderbeeren nur sehr kurz schmoren lassen – nur dann bleiben die Nierchen schön zart und saftig. Dazu pommes rissolées (roh gebratene Kartoffelwürfel)

Ratatouille Eine provençalische Gemüsepfanne mit Zwiebeln, Zucchini, Auberginen, Paprikaschoten und Tomaten. Die Zutaten werden geschnitten, in Olivenöl kurz angebraten und dann in einer Gemüsebrühe gedünstetet und mit Salz, Pfeffer, Knoblauch, Thymian, Oregano, Rosmarin oder Basilikum abgerundet.

Petersfisch – er ähnelt mit seinem flachen Körper optisch der Scholle, ist aber größer – ein Fisch reicht für 2 Personen. Doch während die Scholle nur in europäischen Küstengewässern heimisch ist, kommt der Petersfisch (französisch St. Pierre) in allen Weltmeeren vor. Er heißt so, weil der Legende nach der Apostel Petrus ihm ein Goldstück aus dem Mund gezogen haben soll. Man kann ihn dämpfen oder im Backofen zubereiten, wegen des feinen Geschmacks nur schwach gewürzt mit Salz, Madagaskar-Pfeffer, Zitrone, Salbeiblättern und etwas Rosmarin.

Petersfisch, Foto: Copyright Bär/Raap 2020

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