Archive for September, 2015

Bär aktuell Nr. 187/188 und Bild des Monats

Dienstag, September 1st, 2015

Bild des Monats September 2015:

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Jürgen Raap, „Die Narren der Ökonomie“, 2015

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Vernissage zur Ausstellung „offen gelegt – fünf Kölner Künstler“, Michael Horbach Stiftung, Köln, 30. Aug. 2015

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alle Fotos und Copyright: S. Kallnbach, Köln

Bär aktuell Nr. 187/188 – 22. Sep. 2015:

Als kürzlich der bayerische Innenminister Joachim Hermann verkündete, der Sänger Roberto Blanco sei ein „wunderbarer Neger“ (obwohl der Mann Blanco heißt, und das bedeutet im Spanischen „Weiß“, wiewohl eben jener Roberto Blanco bei einem Gastauftritt auf einem CSU-Parteitag mal fröhlich in den Saal rief „Wir Schwarzen müssen zusammen halten“), herrschte in den Medien große Aufregung in Sachen verbaler politischer Korrektheit. Prompt wählte auch der in Köln-Mülheim ansässige Karnevalsverein „ KG Müllemer Neger“ einen neuen Namen und nennt sich jetzt– um sich nicht mehr dem Verdacht des Rassismus auszusetzen – „KG Müllemer Klütte von 1961 e.V.“ „Klütte“ sind im Rheinischen schwarze Briketts… Klingt dem ersten Anschein nach formal korrekter, meinte aber früher hinsichtlich der semantischen Konnotation in der kölschen Umgangssprache das Gleiche – im Kölner Taxifahrer-Jargon wurde nämlich noch vor nicht allzu langer Zeit eine bekannte Afrikaner-Disco im Funkverkehr als „Klüttenkeller“ bezeichnet, was nun wirklich nicht witzig ist, sondern reichlich abwertend. So kann man sich als „KG Müllemer Klütte“ mit derlei sprachlichen Korrekturen freilich auch schon mal einen Bärendienst erweisen.
Andere ähnliche Karnevalsvereine, nämlich die „Löstige kölsche Afrikaner“, die „Vringsveedeler Dschungelbröder“ oder die „Poller Boschräuber“, können sich allerdings über Verdächtigungen in Sachen verbaler Rassismus insofern erhaben fühlen, als in ihrem Vereinsnamen eben nicht das böse „N-Wort“ vorkommt. Der Kabarettist Volker Weininger meint hingegen, ein politisch korrekter Karnevalsverein müsse heut zu Tage am besten „ KG Fidele Veganer e.V.“ heißen, wiewohl man sich dann freilich entscheiden müsse: „Entweder fidel oder Veganer“. Beides passe nun mal nicht zusammen.
Marius Jung, als „schwarzer deutscher“ Autor und Comedian aus Trier gebürtig, „verarbeitet auf satirische Weise rassistische Sprachfallen“ (Süddeutsche Zeitung), wurde jedoch wegen seines Werks „Singen können die alle – Handbuch für Negerfreunde“ von sauertöpfischen Studenten der Uni Leipzig selbst als Rassist beschimpft. Auch der Mainzer Dachdeckermeister Thomas Neger, Enkel des legendären Fastnachtssängers Ernst Neger („Humba humba täterä“) musste sich vom ASTA der Uni Mainz wegen seines 70 Jahre alten Firmenlogos anfeinden lassen, weigerte sich aber bislang, das Logo zu ersetzen: „Wir heißen nun mal Neger“. Derweil tingelt Marius Jung mit seinem Satire-Programm „Vom Neger zum Maximalpigmentierten“ über die Kleinkunstbühnen, und man fragt sich, ab wann der Wunsch nach adäquatem sprachlichem Ausdruck für lautere Gesinnung sehr rasch auch in das Gegenteil eines rigorosen Gesinnungsterrors umkippt: so forderte kürzlich in einem Mitgliederrundbrief der Kölner Grünen einer allen Ernstes, im Sinne einer „Gender-Mainstream“-Erziehung solle man an Karneval kleine Mädchen nicht als Prinzessin mit rosa Röckchen kostümieren und kleine Jungs nicht in ein Indianerkostüm stecken (aber auch nicht umgekehrt!). Und da zu zu jeder Moral auch eine Doppelmoral gehört, denkt Herr Bär darüber nach, ob dieser grüne Kostümierungs-Puritaner nicht zu Hause heimlich Karl May-Filme guckt mit Pierre Brice in der Hauptrolle als Winnetou.

Wer Anlass zu der Befürchtung hat, der amerikanische Geheimdienst höre sein Telefon ab, der kann von der sizilianischen Mafia lernen, dass auch im Jahre 2015 eine archaische Kommunikation über „tote Briefkästen“ noch sinnvoll sein kann. So wurde berichtet, dass ein flüchtiger Mafia-Pate zusammengefaltete Zettel mit einer Botschaft im Garten eines Schäfers versteckte. Der Schäfer musste dann denjenigen, der den Zettel abholen sollte, anrufen und ihm mitteilen: „Das Futter für die Schafe ist fertig“. Als die Presse die Meldung veröffentlichte, die italienische Polizei habe endlich den „Mafia-Code geknackt“, meldete sich in einem Internet-Kommentar ein unverbesserlicher Schlaumeier zu Wort: „Das soll ein Geheimcode sein?“ Solch eine chiffrierte Botschaft entziffere doch wohl jeder Kreuzworträtsellöser „innerhalb von Minuten“.
Wer Musikinstrumente besitzt, aber nicht gleichzeitig auch noch das nötige Talent, um ihnen harmonische Töne zu entlocken, dem verhelfen weder bewusstseinserweiterte Substanzen noch veganer Quitte-Holunderblütentee zu mehr Musikalität, wie er Herr Bär jüngst beobachten konnte, als ein Instrumentenbesitzer aus der Nachbarschaft bei offenem Fenster versuchte, auf dem Saxophon „I did it my way“ in der Version von Frank Sinatra darzubieten, bereits nach dem dritten Ton jedoch den Song jaulend abbrach. An Damenbekanntschaften hat der Instrumentenbesitzer zumeist verhärmt und entsagungsvoll dreinblickend wirkende Öko-Tanten zu Gast, die ein wenig so aussehen wie eine Tochter der Grünen-Ikone Kathrin Göring-Eckhard, und bei denen die Balz-Strategie des Instrumentenbesitzers sich als erfolglos erwies, sie mit dem Argument in die Wohnung locken zu wollen, er könne „I did it my way“ auf dem Saxophon spielen, weshalb er seine Damenbekanntschaften nunmehr lieber mit dem Argument anbahnt: „Oh, Baby, willst du mal meinen veganen Quitte-Holunderblütentee probieren?“ Der Computerbesitzer bei ihm im Hause, der sich „Start up-Unternehmer“ nennt, wirkt zwar äusserlich auch so, als ob er nur Mottenkugeln in der Jackentasche hätte, hat aber trotzdem immer aufregende Blondinen im Gefolge, denen er offenbar einredet, er bringe sie in der „Start up“-Szene groß raus, und wahrscheinlich überlegt der Instrumentenbesitzer sich jetzt, ob er nicht auch lieber Start up-Unternehmer werden soll.
Neulich geriet Herr Bär zufällig in einen Wurst-Wettbewerb, den man auf neudeutsch als „Wurst Challenge“ etikettiert hatte. Es wurde reichlich polnisches Bier ausgeschenkt, und als alle genug davon intus hatten, galt es darüber ab zu stimmen, ob die kölsche Currywurst eines lokalen Fleischbarons besser schmecke als eine Krakauer Wurst. Und obwohl -wie gesagt – dazu nur polnisches Bier ausgeschenkt wurde und kein Kölsch, lag nach Auszählung der Stimmen dennoch die Currywurst „um eine halbe Wurstlänge“ vorn, wie der Moderator launig verkündete. Herrn Bär beschlich das Gefühl, dass es bei diesem Wettbewerb in Wirklichkeit gar nicht um die Wurst ginge, sondern um Werbung für polnisches Bier.
Krähte in der U-Bahn eine thusneldahafte (vulgo: tussihafte) Vierzehnjährige: „Ich finde das total krass, wie abhängig unsere Generation vom Handy ist“. Darauf ihr ebenfalls etwa vierzehnjähriger Begleiter: „Find ich auch. Schließlich gibt’s ja auch noch Video-Chats“.
© Bär/Raap 2015

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär
Ungarische gefüllte Paprikaschoten à la Karl-Josef Bär
Hackfleisch (½ Schwein, ½ Rind) mit klein gehackten Zwiebeln, einem rohen Ei, frischem Rosmarin und Knobloch und halb gar gekochtem Reis vermengen (alternativ auch mit nur Sauerkraut, oder mit Hackfleisch und Sauerkraut, denkbar auch Sauerkraut und Reis zusammen, mit oder ohne Fleisch), in Kasserole geben, klein gewürfelte Tomaten und 1 klein geschnittene rote Paprikaschote sowie 1 klein geschnittene Möhre hinzugeben, mit Rinder- oder Gemüsebrühe auffüllen, im Backofen ca. 1 Std. bei mittlerer Temperatur garen, zum Schluss mit Majoran, Paprikapulver (Rosen und edelsüss) und Petersilie abschmecken. Dazu passt ein trockener ungarischer Rotwein oder ein österreichischer Rotwein aus der Wachau.
Rochenflügel à la Karl-Josef Bär
Salzkartoffeln in kleine Würfel schneiden und kochen. Bei Tomaten die Haut abziehen und klein würfeln. 2 Schalotten oder 1 mittelgroße Zwiebel klein würfeln. Kapern und Knobloch und ½ rote Spitzpaprika grob hacken. Rochenfilets salzen, pfeffern und mehlieren und in Olivenöl anbraten, Schalotten/Zwiebeln und andere Zutaten hinzugeben, andünsten, Fischfilets wenden, mit Fischfonds ablöschen und kurz aufkochen lassen. Etwas Tomatensaft hinzufügen. Mit frischem Dill und frischer Petersilie bestreuen.