Archive for November, 2012

Bär aktuell Nr. 146/147 – 8. Nov. /3. Dez. 2012

Mittwoch, November 7th, 2012

Bärs Bestatterkritik Gibt man bei Google als Suchbegriff „Bestattungen.de“ ein, erscheinen zur Auswahl „bestattungen.de“ und „bestattungen.de seriös“ (was die Frage aufwirft, ob es auch unseriöse Bestattungen gäbe) sowie – was dann aber Herrn Bär erst recht neugierig machte – „bestattungen.de award 2012“. In der Jury zur Vergabe des „Bestattungen.de Award“ saß u.a. Kardinal Lehmann, und man fragt sich, wie der Kardinal wohl bei der Auswahl des „schönsten Sarges“ votiert haben mochte. Jedenfalls gewann in dieser Kategorie Lene Jünger mit ihrem „Truhensarg“ den ersten Preis, der aus „geöltem Lärchenfurnier“ gefertigt ist und über den es weiterhin heißt: „Die Form ist schlicht und reduziert“. Nur knapp dahinter liegt auf dem zweiten Platz der Designer Günter Schmitz, dessen Designer-Sarg als „Kubus-Schrein“ daher kommt. Wer wissen will, wie groß der „schönste Friedhof Deutschlands“ ist, nämlich jener in Hamburg-Ohlsdorf, erfährt auf besagter Interseite, der Gottesacker umfasse genau „555 Fußballfelder“. Da denkt man an Zahlenmystik und fragt sich, wieso man bei der Dimensionierung der Anlage ausgerechnet Fußballfelder als Maßstab genommen hat. Wahrscheinlich, weil man bei Handballfeldern nicht auf die Zahl 555 gekommen wäre.

Zur Feier des 11.11. erzählte übrigens der Kölner OB Jürgen Roters einen Bestatterwitz, weil der künstlerische Leiter des Kölner Rosenmontagszugs bekanntlich im Hauptberuf Beerdigungsunternehmer ist. OB Roters meinte, dessen Namen könne man sich gut merken, nämlich „Kuckelkorn“, weil er so ähnlich wie „Doppelkorn“ klinge. Darauf ein dreifach donnerndes „Kölle Alaaf“, Tusch und Klatschmarsch.

Besagter Christoph Kuckelkorn lud kürzlich zu einem „Tag der Offenen Tür“ in sein Beerdigungsinstitut ein, der sich aber dann konkret als ein „Tag des Offenen Sarges“ entpuppte, denn ein Lokalreporter ließ sich fotografieren, wie er in einem der Kuckelkorn-Särge „probe liegt“. Sein Urteil: man läge in den Kuckelkorn-Särgen doch recht bequem. Als Lebender.

Das Anatomische Institut der Universität Köln hingegen meldet zerknirscht einen „Bestattungsrückstau“, und allein schon die bizarre Wortschöpfung „Bestattungsrückstau“ ist der Lokalpresse (und „bär aktuell“) diese Meldung wert. Kaum ein Kolumnist ließ sich im übrigen die Gelegenheit zu dem Kalauer entgegen, im Anatomischen Institut hätten sie wohl die sprichwörtlichen Leichen im Keller. Etwas unappetitlich heißt es in dem Pressebericht weiter, wegen der veralteten Klimaanlage halte man aus olfaktorischen Gründen Präparationskurse im Anatomischen Institut jetzt nur noch im Wintersemester ab. Dafür gibt’s aber bestimmt nicht den „Bestattungen.de Award“.

Peinlichkeiten und Banalitäten aus dem Privatleben öffentlich zu machen zählt zu den Usancen des Internet-Zeitalters, wo der größte Stuss herumgetwittert und auch noch das Belangloseste per Handy-Kamera als unscharfes Bild in die Untiefen des virtuellen Raums gepostet wird. Via Facebook teilte z.B. das Unterwäschemodel Joanna Tuczynska mit, dass sie sich von dem Fußballtrainer Lothar Mathäus getrennt habe. Das würde eigentlich niemanden interessieren, zumal das Model vor der Liaison mit Matthäus keinerlei Prominenz hatte. Aber da Lothar Matthäus selbst immer wieder mit seinen amourösen Eskapaden in die Medienöffentlichkeit drängt, hat in diesem Falle selbst ein Beziehungsdrama noch ulkige Züge. Im dürren Stil einer Agenturmeldung verkündete Lothar Matthäus, die „beruflichen Verpflichtungen“ beider hätten sich nicht mehr „mit einem geregelten Privatleben“ vereinbaren lassen, wobei allerdings anzumerken wäre, dass Lothar Matthäus als Fußballtrainer derzeit arbeitslos ist, mithin zur Pflege eines „geregelten Privatlebens“ eigentlich genügend Zeit hätte. Dass nämlich fast zeitgleich der Fußballverein TSV1860 München einen neuen Trainer suchte und dabei auch der Name Matthäus genannt wurde, ließ die Fans in den Online-Kommentaren Sturm laufen: „Wenn sich der Verein der absoluten Lächerlichkeit ausliefern möchte, dann müssen wir Lothar Matthäus verpflichten“, postete z.B. ein Werner H. an die Münchener „Abendzeitung“. Beruflich zahlen sich für Matthäus die amourösen Eskapaden also keineswegs aus, und ob die jüngst Verflossene aus ihrer temporären zeitgeschichtlichen Bedeutsamkeit großartig Kapital schlagen kann, bleibt abzuwarten. O-Ton Lothar Matthäus: „Ab und zu denke ich zu wenig nach und lasse meinen Gefühlen freien Lauf. Da ist das Herz stärker als das Gehirn“.                                                                                                                  © Raap/Bär 2012

Wie man eine Wahl durch eigene Ungeschicktheit verliert, hatte im Frühjahr bereits Norbert Röttgen vorgemacht, und da Mitt Romney es offenbar unterließ, gründlich Röttgens blauäugige Patzer bei der NRW-Landtagswahl zu analysieren, konnte der Berliner „Tagesspiegel“ nun frohlockend verkünden: „Man muss froh sein, dass der Welt ein US-Präsident Mitt Romney erspart bleibt“. Barack Obama stellte sich hingegen klüger an: er gab eine Woche vor der US-Präsidentenwahl im überschwemmten New York „den Schröder“, der weiland beim eigenhändigen Sandsäckeschleppen am Oder-Hochwasser den schon verloren geglaubten Wahlkampf noch einmal herumzureißen vermochte. Solche Vergleiche mit der Provinzgröße Röttgen und dem Deichgrafen Schröder sind durchaus angebracht, lautete doch in fast allen deutschen Tageszeitungen am Morgen nach dem Wahltag die Schlagzeile nicht etwa „Obama wieder gewählt“, sondern: „Merkel gratuliert Obama zur Wiederwahl“. Womit die deutsche Journaille Mutti Merkel konnotativ von einem Hauch Weltpolitik umwehen ließ.

Da aber in „bär aktuell“ nicht die glänzenden Sieger, sondern eher die tumben Verlierer gefeiert werden, sei im folgenden weniger vom sympathischen Barack Obama die Rede, der nach dem Gut-Böse-Schema der antiken Tragödie und der Hollywood-Drehbücher à la Sergio Leones „The Good, the Bad and the Ugly“ im Wahlkampf den „Guten“ verkörperte, während Romney die Rolle des bösen und hässlichen frühkapitalistisch orientierten Rauhbeins zufiel, dem die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung ein Graus ist ebenso wie die Homosexuellen-Ehe, und der wie alle Anhänger der Republikanischen Partei am liebsten gar keine Steuern zahlen würde.  

In Amerika ist bekanntlich alles viel größer und viel breiter – so soll Mitt Romneys Vermögen laut „Focusonline“ immerhin zwischen 200 und 250 Mill. Dollar betragen. Nach der Umrechnung in der „Mittelbayerischen Zeitung“ sind das stolze 160 Mill. Euro. Klaus Zumwinkel hingegen brachte es bis zu seinem Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung lediglich auf ein Vermögen von 13 Mill. Euro. Auf sein Einkommen zahlt Romney freilich nur 14 Prozent Steuern. „Seine Verschwiegenheit zu Steuerbescheiden… nährte die Spekulationen, Romney habe womöglich Geld am Fiskus vorbei geschleust“, deutete „Focusonline“ an, wobei zu mutmaßen wäre, dass Mitt Romney sich dabei weniger dämlich anstellte als Klaus Zumwinkel, der deswegen vor Neid erblassen mag.

Allerdings erlaubt in den USA auch unter der Präsidentschaft Obamas den Hochvermögenden eine skandalös laxe Steuergesetzgebung völlig legale Tricksereien, während man in Deutschland hingegen immer damit rechnen muss, dass Peer Steinbrück den alpenländischen Steueroasen damit droht, „die Kavallerie loszuschicken“. Steinbrück wiederum ist hinsichtlich der Herkunft seiner Einkünfte auf öffentlichen Druck hin weniger „verschwiegen“ (s.o.), und so sei an dieser Stelle betont, dass das Halten von Vorträgen gegen ein branchenübliches Honorar eine durch und durch redliche Arbeit ist, während man hingegen den Investment Fonds vorwerfen muss, ihnen mangele es am Gespür für wirtschaftliche Nachhaltigkeit, da sie wie alle Investoren eben immer nur auf das schnelle Geld aus seien: Die ruppigen Methoden, mit denen Mitt Romneys Investmentfirma Brain Capital jenes riesige Vermögen durch Sanierung angeschlagener Firmen zusammenraffte, lassen selbst die marktradikalsten deutschen FDP-Politiker wie barmherzige Kolpingbrüder dastehen.

Als Wiedergeburt jenes Mythos vom amerikanischen Traum, jeder Trottel könne es durch eigene Tüchtigkeit zum Selfmademan bringen, hätte Romney übrigens nicht getaugt, denn erstens sind die Zeiten längst vorbei, wo man völlig auf sich allein gestellt war, wenn man einen Siedlertreck mit holprigen Planwagen durch die endlos weiten Prärien in Richtung Westen knüppelte, und zweitens ist bei „stern.de“ nachzulesen, dass Mitt Romney von Anfang an „hervorragende Startbedingungen ins Leben hatte“, aufgewachsen in einem Detroiter Nobel-Viertel als Sohn des Gouverneurs von Michigan und nicht als der sprichwörtliche Tellerwäscher.

Ein bisschen wirkte Mitt Romney im Wahlkampf denn auch eher wie eine Karikatur auf die Figur des Uncle Sam, für die im 19. Jh. ein Fleischkonservenfabrikant Pate stand als Allegorie auf eben jenen Selfmademan: Samuel Wilson III. machte sein Vermögen mit Proviantlieferungen an die US Army. Im Ersten Weltkrieg tauchte diese „Uncle Sam“-Figur massiv auf Werbeplakaten für die Armee auf und in Lateinamerika gilt sie bis heute eher als Sinnbild des nationalistisch überheblichen weißen Yankees und Gringos, der eben jenes Lateinamerika als „strategischen Hinterhof“ der USA einstuft. Als ein weiterer solcher strategischer Hinterhof gilt inzwischen ebenfalls der Hindukusch, an dem bekanntlich nicht nur „die Freiheit des Westens verteidigt wird“, wie uns der vormalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck einreden wollte, sondern auch die Interessen der internationalen Ölindustrie mit ihren Plänen kontinentenübergreifender Pipeline-Verbindungen quer durch Asien nach China einerseits und nach Europa andererseits. In Deutschland darf man aber nicht laut sagen, dass Militäreinsätze im Ausland (auch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen dienen, wie der vormalige Bundespräsident Horst Köhler einräumte, woraufhin die harsche Kritik an solch einer angeblich unerhörten Äusserung ihn zum Rücktritt veranlasste. Man wird es Gerhard Schröder eines Tages vielleicht doch noch als sein historisches Verdienst anrechnen, in der bellizistisch orientierten Bush-Ära als Bundeskanzler Deutschland aus dem Irak-Krieg heraus gehalten zu haben.

© Raap/Bär 2012

Bild des Monats November 2012

Samstag, November 3rd, 2012

„Herr Bär, als Kind durften Sie keine ‚Tarzan’-Comics lesen?“

Bär: „Enä, nur Micky Maus.“

„Und wie haben Sie es geschafft, zur Sonntags-Matinée im Hansa-Theater Tarzan-Filme schauen zu dürfen?“

Bär: „Ich han zu Hause erzählt, dat wär ne Kulturfilm, den hätte uns en dä Schull dä Lehrer empfohlen. Da jäb et wilde Tiere zu sehen un Dschungelpflanzen wie em Jewächshaus en dä Flora“.

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schenken72.JPGKarl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Schenken Sie mir eine Minute Ihres Lebens“, 2012