Archive for September, 2017

bär aktuell 231/232 und Bild des Monats

Samstag, September 30th, 2017

Bild des Monats Oktober 2017:

Jürgen Raap, „Das Alibi des Geldwechslers“, 2017

Bär aktuell Nr. 231 – 3. Okt. 2017

Die Zeitungssprache schafft es eigentlich nur höchst selten zu belletristischen Höchstleistungen, sondern sie gilt eher als eine angewandte literarische Disziplin, bei der Einfachheit, Klarheit und Verständlichkeit absoluten Vorrang haben vor der Neigung zu poetischen Manierismen. Dennoch bot der „Stern“ in seiner jüngsten Ausgabe zwei schöne Beispiele gelungener Gebrauchslyrik mit den Schlagzeilen „Lindner leuchtet“ und „Selber Schulz“. Während „Lindner leuchtet“ eine griffige Alliteration darstellt und lediglich die Frage aufwirft, wonach er denn leuchtet, nämlich nach Phosphor oder vielleicht doch nach Calciumfluorid, dachte man sich bei der Schlussredaktion des „Stern“, dass das Schulz-Wortspiel eine geistreiche, wenn auch dreiste Entlehnung aus einer „taz“-Ausgabe vom Januar ist, würde wohl keiner merken: doch, Herr Bär hat’s gemerkt.

Schamlosen Ideenklau nennt man in der bildenden Kunst „Appropriation Art“, das hört sich vornehmer an als „abkupfern“ oder „abschreiben“, meint aber dasselbe. – Während Herr Bär Jakob Augsteins Ansicht zustimmt, bei Mutti Merkel habe inzwischen ganz gehörig eine einschläfernde „Verkohlung“ eingesetzt (O-Ton Merkel nach der Bundestagswahl: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten“), ist hingegen Herr Bär selbst als bekennender Feminist reichlich irritiert, dass Merkels nunmehrige SPD-Gegenspielerin Andrea Nahles direkt bei ihrem allerersten Auftritt als neue Fraktionschefin in die Rolle einer verbalradikalen Krawallschachtel schlüpfte und mit ihrem „In die Fresse“-Straßenschläger-Jargon ihren Ruf einer Neigung zu hemmungsloser Ruppigkeit gründlich untermauerte. Von einem „Gauland-Niveau“ ist diese Nahles-Rhetorik allerdings noch weit entfernt, denn der AfD-Vize Alexander Gauland ist schon ein ganz anderes Kaliber mit seiner geschichtsrevisionistischen Einstellung, wir müssten stolzer auf die Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen sein, was im Umkehrschluss nichts anderes heißt, als stolz auf die 60 oder 80 Millionen Kriegstoten zu sein, die man je nach Lesart 1945 zählte. Da schaudert’s einen nur, doch das Schaurige und das Lächerliche liegen oft eng beieinander: bei Alexander Gauland fällt schon auf, dass er bei seinen TV-Auftritten immer dasselbe braune Jackett trägt, in welchem er wie ein verarmter ostelbischer Landjunker wirkt, und Herr Bär fragt sich: soll das Jackett etwa Ausdruck einer bestimmten Gesinnung sein, oder hat der Mann wirklich nichts anderes anzuziehen? Immerhin sahnen Frauke Petry und Alexander Gauland durch ihre Doppelmandate im Bundestag und im Sächsischen bzw. Brandenburgischen Landtag an Diäten und an steuerfreien Aufwandspauschalen kräftig ab, jeder von ihnen rund gerechnet 20.000 bis 23.000 Euro im Monat, aber der Gauland läuft trotzdem herum, als ob er letzte Nacht heimlich die Altkleidersammlung der Caritas geplündert hätte.

Nicht viel eleganter sieht übrigens Kim Jong-un in seinem altmodischen Mao-Blaumann aus. Wer so eine knubbelige Figur und dazu auf Parteitagsreden noch so eine sich überschlagende Kieks-Stimme hat wie er, und wer sich zu allem Überfluss dann noch so eine Scheiß-Frisur zulegt, an den Schläfen Undercut und oben einen schwarzen Bürzel wie ein zerrupfter Handfeger, der muss schon Atomraketen haben, um als Diktator überhaupt ernst genommen zu werden.

In Sachen Gendermainstreaming kursiert in Berlin derzeit eine Broschüre, die in zehn Punkten auflistet, was diskriminierend ist, nämlich u.a. die Darstellung von Frauen als „willensschwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv“. Ein Schelm, wer bei „naiv“ an Kathrin Göring-Eckart und bei „hysterisch“ an die krawallig-burschikose Andrea Nahles denkt und sich damit in seinem Kopf-Kino als politisch und intellektuell unkorrekt erweist. Die FDP, die früher mal den großen Frauen-Versteher Rainer Brüderle in der vordersten Front einer nächtlichen Hotelbar eine weinselige Kegelbrudergesinnung ausleben ließ, findet jedenfalls diese Berliner Gendermainstream-Broschüre insgesamt ziemlich „spießig“. Man ahnt, wie groß die kulturellen Unterschiede in einer möglichen „Jamaika“-Koalition sein mögen, mit den Grünen als eine hypermoralische sauertöpfische Verbots- und Bevormundungspartei auf der einen und den urban-genussfreudigen „Lindner leuchtet“-Liberalen auf der anderen Seite, und dazwischen die biederen krachledernen CSU-Hardliner. Welch skurille oder gar hysterische Auswüchse die reine Lehre der Politische Korrektheit-Ideologie gelegentlich auch hervorzubringen vermag, erweist sich beim Streit um ein Werbeplakat der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG, das mit dem Bildnis eines Hundes über die Möglichkeit informiert, Haustiere umsonst mitzunehmen und dies mit dem Slogan erläutert: „Du musst deine Möpse nicht verstecken“. Ein Schelm wer Böses dabei denkt? Allen Ernstes beschwerten sich einige, diese Werbung sei sexistisch, und da musste sogar die zuständige Gleichstellungsbeauftragte die Eiferer zurecht weisen: „Auf dem Plakat ist nur ein Mops zu sehen!“

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Gebratener Chicoree

Chicoree der Länge nach aufschneiden, den Strunk keilförmig herausschneiden und den Rest ca. eine halbe Stunde wässern, damit die Bitterstoffe verschwinden. Butter, Thymian und etwas Honig in einer Pfanne kurz aufschäumen, den Chicoree dazulegen und 3 Min. garen, salzen und pfeffern. Dann den Chicoree in eine Auflaufform oder Backform geben, dünne Scheiben Brie- oder Camembertkäse darauf legen und Speckscheiben, den Sud aus der Pfanne darüber verteilen, noch etwas frischen Thymian und 1 Knochlauchzehe dazugeben und bei 200 Grad im Backofen ca. 20 Min, backen, bis der Speck kross ist.

Poireau en vinaigre/Porree in Essig

Poreestücke in kochendem Salzwasser ca. 8 Min. blanchieren. Für die Marinade einen Schöpflöffel von dem Kochwasser in einen separaten Topf geben und zusammen mit Olivenöl oder Butter, etwas Weißweinessig oder hellem Balsamico, 1 kleingehackten Schalotte, 1 gepresseten Knoblauchzehe, 1-2 Lorbeerblättern, etwas Senf, Pfefferkörnern erhitzen, restliches Kochwasser abgießen, Marinade über den Poree gießen, abkühlen und ca. 2 Std. ziehen lassen.

Entenleber in Portwein und Madeira

Speckstücke in einer Pfanne auslassen, 1-2 Schalotten andünsten, Entenleberstücke anbraten, Apfelstücke hinzugeben, mit Portwein und Madeira ablöschen, salzen, pfeffern, gepressten Knoblauch hinzufügen, sowie frischen Majoran und frischen Thymian und etwas geriebene Muskatnuss. Vor dem Servieren mit frischer Kresse bestreuen. Dazu passt Kartoffelpuree.

Pasteten in der Auslage eines Traiteurs in Vernon/Normandie, Foto: S. Kallnbach

 

 

Anti Wildpinkler-Plakat in Vernon/Normandie, Foto: Raap/Bär

Maison du Coucou (Kuckucksuhrenladen), Rouen, Foto: Raap/Bär

Bär aktuell Nr. 232 – 22. Okt. 2017

Bär polyglott-unterwegs mit Herrn Bär Was gibt es Neues aus Frankreich zu berichten? Nun ja, Schwarzwälder Kuckucksuhren kann man dort jetzt auch kaufen, und zwar im „Maison du Coucou“ in Rouen (Normandie), was die Einschätzung von Herrn Bär bestätigt: der Freihandel innerhalb der EU funktioniert tadellos. Aber warum soll jetzt man noch als Einwohner von Rouen in den Schwarzwald reisen, um sich dort eine Kuckucksuhr zu kaufen? Geht diese Freihandels-Entwicklung nicht zu Lasten der Bettenauslastung in der schwarzwäldischen Tourismusindustrie, weil die französischen Urlauber jetzt nämlich lieber zu Hause bleiben, da sie ja auch dort bequem an Kuckucksuhren kommen? Was sagt das Verkehrsamt von Baiersbronn (Schwarzwald) dazu? Und vor allem die FDP, die sich ja schon vor Jahren in Sachen Mövenpick-Hotellerie steuerpolitisch sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat? Egal – die französische Küche wurde 2010 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt, und das gilt zu Recht sogar für die einfache Hausfrauenküche oder Landküche – man kriegt in der Normandie in einer Kleinstadt wie Les Andelys oder Caudebeq schon ein anständiges Drei-Gänge-Menü für 18 bis 25 Euro -im Vergleich dazu ist der Touristenfraß in der Kölner Altstadt einfach fürchterlich überteuert, und das heißt: am besten speist man europaweit immer noch in Frankreich. Dort findet man auch heute noch überall handwerkliche Metzgereien mit regionalen Produkten, die in den einzelnen Landstrichen für alle Bevölkerungsschichten mit ihrem tradierten Qualitätsbewusstsein für gutes Essen selbstverständlich sind, und nicht bloß modisches Hipster-Food für die dekadente Öko-Schickeria wie bei uns. Im Pariser Restaurant „Chartier“, einer ehemaligen Beamtenkantine mit Jugendstildekor, wo die Kellner bisweilen allerdings so rüde auftreten wie kölsche Brauhaus-Köbesse, aber ein Herz und eine Seele sind, wenn man mit ihnen auf französisch parliert und nicht auf englisch, und sich dann auch bereitwillig an Siglinde Kallnbachs Kunstprojekt “ a performancelife“ mit einer Unterschriftenaktion gegen den internationalen Terrorismus beteiligten, kostet die  Gemüse-Tagessuppe als Vorspeise nur sagenhaften 1 Euro.  Hier gönnte sich Herr Bär eine vorzügliche Andouilette, eine Kuttelwurst in Senfsauce, und erklärte einer chinesischen Touristin, wie man in Europa Weinbergschnecken isst (s. Foto). Zur französischen Folklore gehören neuerdings auch allwöchentliche Anti-Macron-Demos – zufällig war Herr Bär in Rouen Zeuge eines solchen Protestzuges mit beeindruckenden 8.000 Teilnehmern. Am Rande der Demo kam Herr Bär in einem Bistro mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der bekannte, er habe Emmanuel Macron zum Präsidenten nur deshalb gewählt, um nicht Marine Le Pen vom rechten Front National wählen zu müssen, aber das werde ihm und seiner Familie jetzt nicht gedankt, denn sein Sohn, der Krankenpfleger wäre, müsse sich nun auf gewaltige Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst einstellen. Unter den Demonstranten war auch ein ausgewanderter Deutscher, der seit vielen Jahren an einem Gymnasium in Rouen Deutsch unterrichtet und sich bislang darauf verlassen konnte, dass Lehrer in Frankreich mit 52 Jahren in Pension gehen konnten. Jetzt verlangt Macron freilich von ihm, dass er künftig genauso so lange arbeiten soll wie die Lehrer in Deutschland, und da hätte er ja eigentlich gleich in Deutschland bleiben können. Herrn Bär fiel dazu ein, dass Gerhard Schröder als Bundeskanzler einst die Lehrer als „faule Säcke“ beschimpft hatte, und Emmanuel Macron macht jetzt in Frankreich eine ähnliche Politik wie Schröder damals mit seiner Agenda 2010. In Frankreich verblasst der Macron-Hype der vergangenen Monate daher anscheinend derzeit so rasch wie der Schulz-Hype bei uns, nur mit dem Unterschied, dass Emmanuel Macron clever genug ist, sich nicht einem „Spiegel“-Reporter gegenüber als Jammerlappen zu offenbaren wie Martin Schulz und sich damit aller künftigen Karrierechancen zu berauben, denn in der Politik und auch sonst zählen in einer leistungsorientierten Gesellschaft zynischerweise bekanntlich nur die Siegertypen.

Herr Bär kannte mal einen geheimnisvollen Chemiker aus dem Ruhrgebiet, von dem die einen behaupteten, er sei ein alter Anarchist, die anderen hingegen, er sei ein Lügenbold, Aufschneider und Hochstapler. Wahrscheinlich war er das alles auf einmal. Jedenfalls hatte er eine Theorie über die chemischen Umwandlungen im Verdauungsprozess entwickelt und vertrat die These, der revolutionäre Elan der Franzosen hänge mit der Ernährung zusammen – die schwere deutsche Dampfküche hingegen mache einen eher träge. Dazu muss man allerdings wissen, dass sich die „Cuisine au beurre“ auf Butter-Basis in der Normandie erheblich von der „Cuisine à l’huile“ in der Provence unterscheidet, doch was soll’s. In der jüngsten Ausgabe des Satireblattes „Charlie hebdo“ kriegen sie alle wieder ihr Fett weg, die Papisten, die Salafisten, die katalanischen Nationalisten und die Rechtspopulisten überall in Europa. In Frankreich regt sich auch nicht irgendeine grüne Trulla darüber auf, in „Charlie hebdo“ würde aber die Minderheit der Sprengstoffgürtelträger stigmatisiert. Satire lebt nun mal vom Tabubruch.

Copyright: Bär/Raap 2017

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Französischer Selleriesalat Knollensellerie in klein raspeln, salzen, pfeffern. Wenn man will, kann man auch ein paar Apfelstreifen hinzugeben. Man fügt ein paar Spritzer Zitronensaft hinzu, vermengt den Sellerie mit Petersilie und rundet den Salat mit einer Sauce aus einem Joghurt-Remouladengemisch ab.

Poulet à la Normandie Die gesalzenen und gepfefferten Hühnerstücke brät man mit Zwiebeln oder Schalotten in einer Sauteuse in Butter und Öl an, gibt Apfelscheiben und Champignons hinzu und nach etwas 1 Min. etwas Calvados, mit dem man das Ganze flambiert. Dann gibt man 1 Knoblauchzehe, Thymian und ein Lorbeerblatt hinzu, füllt man die Sauteuse mit Wasser auf und lässt es 45 Min. köcheln. Dann nimmt man das Fleisch heraus, stellt es warm, kocht den Sud auf, um die Flüssigkeit zu verringern und bindet die Sauce mit Creme fraiche ab.

Roti de veau à la Normandie In einer gusseisernen Pfanne brät man ein Stück Kalbsbraten von allen Seiten zusammen mit Zwiebeln an, dann salzt und pfeffert man das Fleisch, flambiert es mit Calvados, gibt einen Strang Thymian, 5 Salbeiblätter, noch ein paar Pfefferkörner und Apfelstücke hinzu und übergießt das Ganze mit Cidre und lässt es dann 45 Min. bei kleiner Flamme garen.

Bär aktuell 230

Dienstag, September 19th, 2017

Bildlegenden: „Bär polyglott“, alle Fotos: Copyright Raap/Bär 2017 – alle Rechte vorbehalten

Siglinde Kallnbach „a performancelife für London“, Unterschriftensammlung zur Solidarität mit den Opfern nach dem Terroranschlag in London Sept. 2017, in einem Pub in Southhampton, Foto: Copyright S. Kallnbach

Bär polyglott- Unterwegs mit Herrn Bär Als Herr Bär jüngst auf einem Kreuzfahrtschiff weilte, informierte ein Aushang am Schwarzen Brett, dass wegen eines Generalstreiks in Frankreich Le Havre nicht angesteuert werden könnte und die Fahrt deshalb ohne Umschweife ins belgische Zeebrügge weitergehen sollte. Daneben hing der Streikaufruf der französischen Gewerkschaft CGT: „Kameraden! Genossen! Kommt alle zur Zitadelle! Stürzen wir den selbsternannten König Macron und seine Lakaien des Kapitals!“ Martin Schulz, aufgemerkt! Dieses klassenkämpferische Pathos hört sich zwar schrecklich altmodisch an, aber sagen Sie selbst, Schulz, kann man mit solch einer „Sturm auf die Bastille“-Rhetorik nicht doch eher einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken und die Massen mobilisieren als mit der müden St. Martins-Nummer, die Sie da in Ihren Wahlwerbespots abziehen? Da laufen Sie neben einem Haufen spielender Kinder her und behaupten allen Ernstes: „Schon kleine Kinder lernen das Teilen.“ Schulz! Wie weltfremd ist das denn? Wer hat sich diesen Blödsinn denn ausgedacht? Etwa Ihr Wahlkampfmanager Hubertus Heil, den sie in Ihrem SPD-Ortsverein Würselen „dä Hubäät“ nennen, und die Damen im Ortsverein gar „Dä schöne Hubäät“? Wo hat Hubertus Heil, vulgo: „dä Hubäät“, bloß seine Kindheit verbracht? Etwa in einem Waldorf-Kindergarten für den Nachwuchs der besserverdienenden linksalternativen Schickeria? Herr Bär jedenfalls ist in einem Viertel aufgewachsen, wo man sich im Sandkasten mit den anderen Kindern ständig um die Förmchen zankte, und wer es schaffte, seine Förmchen und sein Schäufelchen gegen die anderen Rabauken im Sandkasten standhaft zu verteidigen, der erwies sich in späteren Jahren auch sonst als lebenstüchtig. Wenn Sie irgendwann noch mal bei einer Wahl antreten, gestaltet Herr Bär Ihnen gerne eine realistischere Werbekampagne, und dies – halten Sie sich fest, Schulz – für dasselbe Honorar, dass Sie „däm Hubäät“ für einen völlig vergeigten lebensfremden Wahlkampf in den Rachen werfen.

Als Herr Bär auf jener Kreuzfahrt in Southhampton an Land ging, dachte er sich, wenn man schon mal in England ist, dann sollte man dort unbedingt ein typisches Pub aufsuchen. Aus den „Inspektor Barnaby“-Krimis weiß man, dass man sich in einem britischen Pub sein Bier selbst an der Theke abholen muss. Herr Bär setzte also angesichts der vierzehn Zapfzähne mit vierzehn verschiedenen Biersorten einen weltmännischen Kennerblick auf, kratzte seine Englischkenntnisse zusammen und fragte den Barkeeper: „Do you have Red Ale?“ Der Barkeeper deutete auf die kleinen Schnapsgläschen mit goldgelber Flüssigkeit vor den Zapfhähnen und sagte: „Please, Sir, choose the colour of the Beer you want to drink!“ Dass man sein Bier nach der Farbe bestellt und nicht nach der Geschmacksrichtung, ist ein Beleg für die Vorliebe der Engländer fürs Skurille. Ein Pint Bier kostet drei Pfund, etwa drei Euro, und der Barkeeper meinte, es gäbe auch eine Flatrate mit drei Glas Bier für fünf Pfund, aber nur mit zwei mexikanischen Bieren und deutschem Beck’s Bier. Herr Bär wehrte entsetzt ab: er reise doch nicht nach England, um dort deutsches Industriebier aus Bremen zu trinken und entschied sich stattdessen für ein goldbraunes Abbott Ale, was der Barkeeper mit einem wohlwollenden Nicken quittierte. Abbott Ale sieht ein wenig wie Düsseldorfer Altbier aus, schmeckt aber nicht ganz so hopfig-herb. Ansonsten versicherte ihm jeder Engländer, mit dem Herr Bär ins Gespräch kam, er selber hätte ja gar nicht für den Brexit gestimmt und es sei ihm fürchterlich peinlich, dass seine anderen Landleute aus der EU raus wollten.

Als das Kreuzfahrtschiff Amsterdam verließ, zelebrierten sie auf dem Sonnendeck ein bayerisches Oktoberfest mit einer Zweimann-Combo, darunter ein afrikanischer Musiker, den sie in eine Lederhose gesteckt und mit einem Seppel-Hütchen kostümiert hatten, was schon einigermaßen bizarr aussah. Den „Anton aus Tirol“ bekamen sie musikalisch noch einigermaßen hin, aber als sie sich dann an kölschem Liedgut vergriffen und „Kölsche Junge bütze jot, wie die Stars in Hollywood“ anstimmten und man ihnen anmerkte, dass sie überhaupt nicht verstanden, was sie da sangen, ergriff Herr Bär die Flucht und zog sich zu einem Nickerchen in seine Kajüte zurück.

Auf solch einem Kreuzfahrtschiff herrscht eine aufgeschlossene internationale Atmosphäre; nur die neureichen Russen fallen mit ihren ungehobelten Tischmanieren unangenehm auf und rangeln sich mit den anderen Passagieren am Büffet herum wie Kinder, die sich im Sandkasten um die Förmchen zanken, und man ahnt, dass Schulzens Parteigenosse Rosneft-Schröder als Missionar des guten Benehmens in den unermesslichen Weiten der sibirischen Taiga und der Tundra keine leichte Aufgabe hat und der Aufsichtsratsposten, den er dort wahrnimmt, vielleicht doch eher einer Verbannung gleicht.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Sauce gribiche ist eine kalte Sauce der traditionellen französischen Küche mit hartgekochtem Ei, Kapern, Gewürzgurken, Senf, Essig, Öl sowie Kräuter wie Estragon oder Kerbel. Die Eigelbe werden sehr fein gehackt, mit Senf und Essig verrührt und dann mit Öl zu einer Emulsion aufgeschlagen. Die fein gehackten Gurken, Kapern und Kräuter sowie das gehackte oder in Streifen geschnittene Eiweiß werden am Ende untergehoben. Die Sauce reicht man zu Kalbskopf , Presskopf /Tete pressé oder Sülzen, auch zu warmem oder kaltem Fisch, Krebsen oder anderen Schalentieren.

Thunfischsteak „Lülsdorf“

Thunfischsteaks 1-2 Std. auf beiden Seiten mit etwas Worchestershiresauce einreiben, in Olivenöl mit Knoblauch, 1 zerdrückte Knoblauchzehe, grünen und weißen Pfefferkörnern, Pimentkörnern, Ingwerscheiben, Limettenblättern Zitronensaft, 1 gesalzener Sardelle (Anchovis) und etwas Senf marinieren. In der Pfanne mit Zwiebeln und grünen Gemüsepaprikastreifen und ein paar Pfifferlingen braten, mit Salz abschmecken, zum Schluss für die Sauce klein gehackte Tomatenstücke und pürierten roten Gemüsepaprika mit etwas Petrellakäse verrühren und in der Pfanne kurz mit erwärmen.

Marillen-Potpourri à la Karl-Josef Bär

Man vermenge kleine Stücke von frischen Aprikosen, Himbeeren und Granatapfelkerne miteinander und übergieße sie mit einer heißen Fruchtsauce aus Himbeeren, Granantapfelkernen, 2 frischen Feigen, Sesamkörnern, Kokosflocken und grünem Pfeffer, die man mit ein wenig Wasser und Honig in einem Topf kurz aufkochen lässt und zum Servieren mit frischen Minzeblättern bestreut.

Bär aktuell 229 und Bild des Monats

Freitag, September 1st, 2017

Bild des Monats:

Jürgen Raap, Das Zeitalter der Nachahmungen, Öl/Acryl auf Leinwand, 2017

Gesehen auf einem Kölner Flohmarkt, Foto: Copyright J. Raap

Kölner Weinwoche, Foto:  Copyright Raap

Bär aktuell Nr. 227   – 3. Sept.2017

Beim Gerling es de Klingel kapott“. Zu Lebzeiten des Versicherungsmagnaten Dr. Hans Gerling wäre solch eine Behauptung in Köln ein Sakrileg gewesen, galt doch der Chef des Gerling-Konzerns als äusserst penibel, ja, geradezu als extrem pedantisch, und dass an der Pforte seiner Villa in Köln-Marienburg nunmehr ein Zettel klebt „Klingel defekt. Besucher in dringenden Fällen bitte Tel….. anrufen“, wäre mithin seinerzeit undenkbar gewesen. Gerling starb 1991 und erlebte nicht mehr, dass sein Konzern 2006 von der Talanx-Versicherungsgruppe übernommen wurde, die mit dem Namensschild „Talanx“ neben dem Zettel mit dem Hinweis auf die defekte Klingel als jetziger Hausherr der Villa ausgewiesen ist. Dass man sich im vornehmen Köln-Marienburg möglicherweise keinen Elektriker mehr leisten kann, der die defekte Klingel repariert, erschüttert Herrn Bärs Vertrauen in die Hochfinanz zutiefst. Vielleicht haben sie aber doch längst einen Elektriker beauftragt, der allerdings mit dem weit verbreiteten Berufsethos der kölschen Handwerker „Küss de hück nit, küsste morjen“ (Kommst du heute nicht, kommst du morgen) sein Erscheinen branchenüblich hinauszögert. Wenn er dann vier Tage später doch noch kommt, wirft er einen kurzen fachmännischen Blick auf die Schelle und sagt „Ich muss mal kurz zum Baumarkt wat Klingeldraht besorgen“ und ward nie wieder gesehen. Dass so etwas auch in Köln-Marienburg vorkommt, ist für die Bewohner der weniger vornehmen Stadtviertel doch irgendwie beruhigend.

Signierstunde in der Buchhandlung. Wenn ein Autor gebeten wird, eine Widmung in das soeben gekaufte Buch zu schreiben, empfiehlt der Kunstheoretiker S.D. Sauerbier den Text: „13,90 Euro dankend erhalten“.

Gedichte, die die Welt nicht braucht. Der dennoch gelungene Einzeiler mit einer schönen Alliteration: „Bekleckert in Bleckede.“

Erlebniswelt REWE-Supermarkt In einem ihrer Lieder reimen zwei kölsche Krätzchensänger: „Mit uns’rem Dackel Waldi do jon mer jän nom Aldi, un wolle met erläwwe, dann jon mer och zum REWE…“ Erleben kann man im REWE-Supermarkt in der Tat so einiges, und zwar schnödesten Neoliberalismus, seit sie angefangen haben, in der einen oder anderen Filiale Kassiererinnen durch elektronische Kassen zu ersetzen, an denen man seine Einkäufe selber einscannen muss. Man übernimmt also als Kunde die Arbeit des Kassenpersonals, ohne jedoch auch den Lohn dafür zu bekommen, und das findet Herr Bär reichlich abartig.

Höhepunkt der Kölner Weinwoche war diesmal der Auftritt des „Weingut Bär“ aus Ober-Olm mit einem sagenhaften Acolon-Spätlese: ein kräftiger und zugleich erstaunlich samtig die Zunge umschmeichelnder Rotwein.

Als Überleitung zur Rubrik „Essen und Trinken“ sei an dieser Stelle auf den Kabarettisten Thorsten Schlösser verwiesen, der sich ernsthaft Gedanken darüber macht, ob Muttermilch und eine vergane Ernährung von Babys sich gegenseitig ausschließen. „Nein“, findet das Internetportal „www.vegpool.de“, und zum Thema „Ist Muttermilch unvergan?“ gibt ebenfalls „www.petazwei“ lediglich zu bedenken: es wäre nur falsch, „nach der Geburt Mütter und Kinder getrennt voneinander einzusperren und die abgezapfte Milch dann an eine andere Spezies zu verkaufen.“ Auf diese Entdeckung einer Marktlücke ist bisher allerdings noch keiner gekommen.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Französischer Selleriesalat mit Wachteleiern

Wachteleier hart hochen und kalt werden lassen. Stangensellerie in dünne Scheiben schneiden und dann zusammen mit den Wachteleiern mit einem Dressing aus Olivenöl, Salz, Pfeffer mildem Essig oder Zitrone, Senf, etwas ausgepresstem Knoblauch, Petersilie und Schnittlauch vermengen. Man kann je nach Geschmack auch etwas frische Basilikumblätter beifügen und den Salat dann zusammen mit Brot-Croutons servieren. Herr Bär ergänzt die Zutaten auch gerne mit Gurken, Apfelstücken, Kresse und grünem Gemüsepaprika.

Gefüllte Blätterteigpasteten à la Karl-Josef Bär

Blätterteigpasteten gibt es fertig im Supermarkt und man muss sie dann nur noch selber füllen. Als Klassiker kennt man Füllungen mit Ragout fin: dazu läßt man Kalbfleischstücke (aus der Schulter) mit Zwiebeln, 1 Lorbeerblatt, Nelken, Pfefferkörnern mit Salz in Wasser mindestens 1 Std. bei schwacher Hitze köcheln. Dann erhitzt man Butter in einer Pfanne, schwitzt Mehl darin an, rührt Fleischbrühe hinein, lässt das Ganze aufkochen und schmeckt es mit etwas Weißwein, Zitronensaft, Worchestershiresauce ab, evtl. nachsalzen und nachpfeffern. Im dritten Arbeitsgang brät man Zwiebeln und Champignons in Butter an, gibt das inzwischen abgekühlte gewürfelte Kalbfleisch hinzu, erhitzt es kurz, gibt Sahne hinzu und füllt die Masse dann in die Blätterteigpasteten. Stattdessen kann man auch Hühnerfricassee nehmen, indem man Hühnerfleisch mit Suppengrün in gesalzenem Wasser aufkocht. Die weiteren Arbeitsschritte sind dann wie beim Ragout fin, wie man in die Sauce aber auch Erbsen, kleine Möhren- und kleine Spargelstücke einrühren kann, bevor man die Pastetchen füllt. Herr Bär brät Schweine-/Kalbmett mit Zwiebeln, braunen Champignons, 2 Knoblauchzehen in Butter an, mischt etwas Fetakäse unter, gibt geriebenen Sellerie, Erbsen und kleine grüne Paprikastückchen hinzu, je nach Saisonverfügbarkeit auch kleine Spargelstückchen, lässt das Ganze in Fleischbrühe kurz aufkochen und rundet es mit Sahne und frischem Thymian ab, bevor man es in die Pastetchen füllt.

Dorade oder Seebarsch mit Sauce vierge

Dorade oder Barsch salzen, pfeffern und mit Zitronensaft beträufeln. Mit Zwiebeln und reichlich Knoblauch in Butter braten oder im Backofen in eingefetteter Auflaufform garen. Die Sauce Vierge (übersetzt: die reine Soße oder jungfräuliche Sauce) ist ein Bestandteil der französischen Nouvelle Cuisine der 1980er Jahre; als ihr Erfinder gilt Michel Guérard. Man kann die Zutaten ausschließlich roh verarbeiten und die Sauce dann kalt servieren, oder auch erwärmen. Porreestücke und Stangensellerie brät man kurz an und gibt sie zu dem Fisch. Für die Sauce vierge vermengt man frische Tomatenwürfel, kleingehackte Schalotten oder Zwiebeln, dünne Stangenselleriestücke, Gurkenstreifen, Zucchinistreifen, Pinienkerne, klein gehackte Oliven, etwas frischen Ingwer, sowie frischen Thymian, frischen Rosmarin, frische Basilikumblätter miteinander in reichlich Olivenöl. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.