Archive for November, 2014

bär aktuell nr. 175

Samstag, November 15th, 2014

Nun zählt Jonathan Meese nicht gerade zu jenen Zeitgenossen, denen Herr Bär zutraut, eine Wagner-Oper zu inszenieren, und Herrn Bärs Befürchtungen wurden fulminant bestätigt, als bekannt wurde, die Bayreuther Festspiel GmbH habe sich von Meese wieder „getrennt“, weil dessen Konzept zu einer „Parsifal“-Inszenierung „nicht finanzierbar“ sei. So bleiben uns denn gottlob Meese`sche Hitlergruß-Mätzchen und andere spätpubertäre Abgedrehtheiten im Bayreuther Festspielhaus erspart. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Herr Bär plädiert keineswegs dafür, an der Kultur zu sparen, weder bei Opern-Inszenierungen noch sonst wo, denn er hält gleichzeitig den NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans für einen fürchterlichen Kulturbanausen, weil der nämlich die Verschleuderung von zwei Andy Warhol-Bildern für 150 Mill. Dollar zwecks Sanierung einer landeseigenen Spielbank gutheißt: die Spielbank-Betreiber müssten „unternehmerisch denken“, findet Walter-Borjans in völliger Verkennung der Notwendigkeit, dass Kunstwerke in öffentlichem Besitz museal zu bewahren und nicht schnöde für die Aufstellung neuer Roulette-Tische zu verplempern sind. Solche Politiker würden wohl am liebsten in Athen auch die Akropolis abreißen, um stattdessen dort ein Casino-Hotel im Las Vergas-Stil zu errichten. Oder aus dem Kölner Dom eine Daddel-Halle machen.

Hat sich auch Carsten Maschmeyer verzockt? Denn Hand aufs Herz: Sind die Rechte an den Memoiren von Gerhard Schröder wirklich jene zwei Millionen wert, die Maschmeyer dafür hinblätterte? Wohl kaum, mutmaßt Herr Bär, denn ein literarisches Meisterwerk vom Niveau eines Romans von Thomas Mann ist Schröder (oder seinem Ghostwriter) keineswegs gelungen. Zu den Aspekten eines möglichen kaufmännischen Desasters schreibt der Berliner „Tagesspiegel“: „Langjährige Verlagsexperten erklärten…, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, dass Maschmeyer bei einem Aufwand von zwei Millionen Euro seine Kosten wieder eingespielt oder gar Gewinn gemacht haben könnte.“ In Internet-Blogs sind Spekulationen darüber nachzulesen, dass der Nutzen des literarisch wie ökonomisch wohl eher zweifelhaften Memoiren-Projekts womöglich ganz woanders läge: der Finanzdienstleister Maschmeyer habe vielleicht gehörig davon profitiert, dass Schröder seinerzeit mitgeholfen habe, das Vertrauen der Bürger in die gesetzliche Rentenversicherung zu untergraben, so heißt es dort. Was die Lukrativität seiner aus diesem Vertrauensverlust resultierenden Vermarktung der privaten Rentenvorsorge angeht, so ist von Carsten Maschmeyer das geflügelte Wort überliefert, er fühle sich wie auf einer Ölquelle sitzend. Fürwahr eine treffsichere Metapher, da man bei Öl gemeinhin an ein Schmiermittel denkt, und eine unappetitliche Schmierenkomödie ist die ganze Geschichte allemal.

Wenn die Zeitungen schreiben, der Ex-Manager Thomas Middelhoff müsse nach erstinstanzlichem Urteil wegen Untreue und Steuerhinterziehung „genauso lange wie Uli Hoeneß“ in den Knast, nämlich drei Jahre, legt dies die Vermutung nahe, das Hoeneß’sche Strafmaß diene fortan als anschaulicher boulevardjournalistischer Vergleichsmaßstab für alle anderen Gerichtsurteile in Sachen Wirtschafts- oder Steuerkriminalität mit einer Skala von „weniger als Hoeneß“ bis „mehr als Hoeneß“. © Raap/Bär 2014