Archive for Juni, 2013

bär aktuell nr. 156 – 22. Juni 2013

Mittwoch, Juni 12th, 2013

Bär polyglott – Unterwegs mit Herrn Bär Mit typisch österreichischem Charme warb man unlängst in der Wiener U-Bahn für den Weltnichtrauchertag: „Rauchen könnte Ihr Geldbörserl schädigen“. Wer wollte das jemals bezweifeln?
Mit Sicherheit ist Uli Hoeneß in der langen Geschichte der deutschen Steuerhinterzieher der erste, der sich rühmen darf, dass ihm sowohl der Bundespräsident als auch die Bundeskanzlerin die Hand gedrückt haben, und dies zu einem Zeitpunkt, da seine unrechtmäßige Steuervermeidung medial schon längst keine „mutmaßliche“ mehr war, da Hoeneß nämlich geständig war und via Boulevardpresse um Vergebung bat mit der etwas fatal wirkenden Selbsteinschätzung, er hielte sich nicht für einen „schlechten Menschen“. Der präsidiale Händedruck und ebenso jener der Kanzlerin galt aber nicht als Gratulation heimlichen Transfer von Millionen Euro in die Schweiz durch den vermeintlichen Gutmenschen Hoeneß, sondern vielmehr und ausschließlich ihm in seiner Eigenschaft als Präsidenten des Fußballvereins FC Bayern München und dessen diesjährigen Meisterschafts- und Pokalgewinnen. Wenn diese Händedruck-Fotos nun fortan ohne jegliche Bildunterschrift durchs Internet kursieren und dann eines fernen Tages von einer ahnungslosen „User“-Generation angeschaut werden, die nichts mehr über die durchaus auch vorhandenen dunklen Seiten des Uli Hoeneß weiß, dann muss wieder einmal der wackere Guido Knopp in „ZDF-History“ die Geschichte erzählen, die hinter solchen Bildern steckt. In der „ZDF-History“-Sendung zum Stichwort „Gefallene Engel“ tauchten z.B. neben dem Dopingsünder Lance Armstrong, dem Doktorandendarsteller Karl-Theodor zu Guttenberg und den Wulffs auch der Erotomane Dominique Strauss-Kahn auf. Zu Wort kam zwischendurch ein „Eliteforscher“, der dem Publikum erklärte, wieso wir gerade immer dann eine diebische Schadenfreude empfinden, wenn echte und triviale Helden sich selbst demontieren und ganz tief ins gesellschaftliche Abseits hinab stürzen. Mit Uli Hoeneß ließe sich diese „Gefallene Engel“-Sendung also trefflich fortsetzen, und vielleicht kommt dann in dieser Sendung auch noch die Düsseldorfer Punk-Combo „Die toten Hosen“ zu Wort, die derzeit bei ihren Bühnenauftritten Lacher einheimst mit der Pointe, der FC Bayern habe Uli Hoein die JVA München transferiert.
Der Scheich ist reich Während es in Deutschland verpönt ist, über seine Einkünfte zu reden, beschwerte sich hingegen ein saudischer Scheich, es sei eine Unverschämtheit, ihn auf der „Forbes“-Liste der reichsten Männer der Welt nur auf Platz 26 zu notieren, denn er habe in Wirklichkeit noch 20 Millionen mehr auf dem Konto und verdiene daher eine höhere Platzierung. Eine völlig andere Form von Vermögens-Outing bezeichnet man derweil in den deutschen Finanzämtern als „Hoeneß-Effekt“, denn allein in NRW hätten nach dem öffentlichen Hoeneß-Geständnis weitere 8.000 Steuersünder Selbstanzeige erstattet. Vielleicht werden sie dann von den Steuermehreinnahmen mehr Computer für die Verfassungsschützer anschaffen: denn während die CIA durch die Enthüllungen ihres EX-Agenten Edward Snowdon Schlagzeilen machte, ihre Auslandsabteilung NSA schöpfe mittels Internetspionage munter die Surfgewohnheiten der Nutzer von Google, Facebook etc. ab, gebärdet sich in Deutschland der Überwachungsstaat bislang noch reichlich dilettantisch, da nämlich jeder dritte Verfassungsschutzbeamte offline ist, weil es ihnen ganz einfach an Dienst-PCs mangelt. Wahrscheinlich fehlt den Schlapphüten das Geld für eine vernünftige PC-Ausrüstung, weil sie selbiges schon längst zur Finanzierung von dubiosen V-Leuten im rechtsextremen Milieu verbraten haben. Herr Bär graust sich allerdings vor der Vorstellung, die US-Methoden der Internetspionage könnten in Zukunft auch bei deutschen Verfassungsschutzämtern Einzug halten, weil diese sich dann womöglich kaum darauf beschränken dürften, nur solche Nutzer auszuspionieren, die sich bei ebay einen Chemiebaukasten ersteigern und mit Vornamen „Ali“ heißen. Mit dem Argument der Terrorismusabwehr hat man bislang noch jeden Unsinn an polizeilichem und nachrichtendienstlichem Übereifer zu rechtfertigen versucht, das war in der Zeit der RAF-Hysterie in den 1970er Jahren nicht anders als heute. Wie man in den Medien solch eine Hysterie manipulierend schüren kann, bewies in völliger Verkennung der Brisanz in Sachen bürgerlicher Grundrechte wieder einmal der BILD-Kolumnist Franz-Josef Wagner mit seiner hanebüchenen Feststellung, er wäre lieber überwacht als tot.
Bürger beobachten Peer Steinbrück Der BILD-Zeitung verdanken wir ansonsten so schöne Schlagzeilen wie „Hat Genscher neue Ohren?“, „Thomas Gottschalk beleidigt den deutschen Schäferhund“ und „Die Honecker-Bande handelte mit Kokain“ (1989), oder auch mit nationalistischem Unterton die reichlich alberne Headline „Wir sind Papst“ (2005). Jetzt kann man frohlocken, dass auch der Bundestagswahlkampf so richtig ins Boulevardesk-Seichte abgleitet, da nämlich Peer Steinbrück sich ausgerechnet den ehemaligen BILD-Redakteur Rolf Kleine als neuen Sprecher zugelegt hat. Vielleicht recycelt der dann die alten „BILD“-Stilblüten zu „Hat Steinbrück neue Ohren?“ oder „Wir sind Steinbrück“, und auf den legendären deutschen Sozialhilfeempfänger in Miami Beach, der von der BILD-Zeitung als „Florida-Rolf“ tituliert wurde, folgt nun eine Wahlkampfzeitung mit einer Homestory über „Pannen-Peer“. Eine erneute und mittlerweile schon klassische Peer-Panne ist Rolf Kleines Berufung sicherlich, wirkte dieser doch zuletzt als Lobbyist für einen als heuschreckenhaft verrufenen Wohnungskonzern und als missratener Witzbold, der sich auf seinem Facebook-Profil eine „alltagsrassistisch“-geschmacklose Anspielung auf Philipp Röslers vietnamesische Wurzeln leistete.

© Raap/Bär 2013

bär aktuell nr. 155 und bild des monats juni 2013

Montag, Juni 3rd, 2013

Ein rabiater Fahrschüler war schon zweimal durch die Prüfung gefallen. Laut Boulevardpresse rammte er bei der dritten Fahrschulprüfung ein Taxi, bedrohte anschließend den Taxifahrer und verprügelte auch noch seinen Fahrlehrer. Bevor er zum vierten Mal zur Fahrprüfung antreten darf, muss er erst einmal einen medizinisch-psychologischen Eignungstest machen, ob er „charakterlich“ überhaupt zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist. In diesem Zusammenhang sei ein Zitat des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) erwähnt, der einmal von sich behauptete: „Früher war ich eher ein Wilder, heute fahre ich risikobewusster“. Nachdem man sich diese Pointe ein paar Augenblicke lang auf der Zunge zergehen ließ, folgt nun korrekterweise die Auflösung, Ramsauer hätte damit keineswegs seinen Fahrstil als Autofahrer gemeint, sondern seine Abfahrtsläufe auf der Skipiste.

Bürger beobachten Peer Steinbrück und Der Vetter aus Dingsda Während die Liberalen für die Schlagzeile sorgten, der Vetter von Dirk Niebel sei von der FDP zur Anti-Euro-Partei übergelaufen, war dem Leserbrief eines gewissen Leo Unger an focusonline zu entnehmen, er hielte Peer Steinbrück für einen „Wendehals par excellence“, weil dieser nach einem möglichen Wahlsieg das Betreuungsgeld wieder abschaffen will, dessen Einführung er einst als Minister der Großen Koalition selbst mit beschlossen hatte. Bei den unbeholfenen Versuchen, ausgerechnet Peer Steinbrück nunmehr als links gewendeten Politiker zu verkaufen, kann man sich allerdings tatsächlich genauso verarscht vorkommen wie bei der Lektüre der Renditeprognosen in Prospekten für geschlossene Immobilienfonds. Mit einer gewissen Wachheit postete daher der Leser „Wandtbewohner“ an die Online-Redaktion des „Spiegel“, Steinbrück sei in Wirklichkeit „eine Marionette der Finanzwirtschaft“, was auch Herr Bär für nicht ganz falsch hält. Dem Kölner Boulevardblatt „Express“ war übrigens neulich zu entnehmen, dass ein Star-Büttenredner im Kölner Karneval für einen 20minütigen Auftritt eine Gage von 1.500 Euro verlangen kann. Hm, hm, wer will sich dann noch für ein Honorar von 15.000 Euro eine Rede von Peer Steinbrück anhören mit ein paar langweiligen selbstironischen Gags, die ihm sein Redenschreiber ins Manuskript diktiert hat? Der Preis für eine Flasche Wein auf einer Karnevalssitzung hat allerdings durchaus Steinbrück-Niveau, aber sehr viel billiger ist wahrscheinlich auch nicht ein unterhaltsamer Abend mit dem abtrünnigen Vetter von Dirk Niebel, wird doch die Anti-Euro-Partei im „Spiegel“ als „obskure Akademiker- und Millionärepartei“ apostrophiert. Das ist die FDP eigentlich auch, weshalb sich Herr Bär nun fragt, warum Niebels Vetter von dort stiften gegangen ist, desgleichen fragt sich das Dirk Niebel, der sich jetzt wahrscheinlich über seine puckelige Verwandtschaft grämt. In diesem Zusammenhang sei Eduard Prinz von Anhalt zitiert, der einst via Zeitungsinterview die Warnung kundtat, „wer immer sich in Zukunft den Titel eines von Anhalt durch Adoption erkauft oder ergaunert, wird damit weder etwas erben noch werde ich seine Rechnungen bezahlen“. Nun hat Dirk Niebel immerhin 30 Cousins in seiner Verwandtschaft, und obwohl das wahrscheinlich alles echte Niebels von Geburt und Geblüt an und keineswegs schnöde Adoptivlinge sind, müssen auch sie sicherlich alle ihre Rechnungen selber bezahlen, was ihnen gewiss nicht schwerfällt, sofern sie einer „obskuren Millionärepartei“ (vulgo: FDP) angehören.

Auffällig war übrigens bei den Fernsehberichten zum 150jährigen Jubiläum der SPD, dass man bei diesem Anlass Peer Steinbrück vor den Kameras versteckte, wohl wissend, dass er kaum mit solch charismatischen Persönlichkeiten wie August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels, Kurt Schumacher und Willy Brandt mithalten kann, und so blieb es dem Festredner Sigmar Gabriel vorbehalten, den Jubiläumsgast Angela Merkel fälschlich mit dem Titel „Frau Bundespräsident“ zu begrüßen, und Herr Bär ahnte in diesem Momnent, weshalb der gut genährte Bonvivant aus dem Harz als möglicher Kanzlerkandidat der SPD schon sehr früh aus dem Rennen war und – da Frank-Walter Steinmeier verzichtete – Peer Steinbrück dann selbiges machte.

© Raap/Bär 2013

Bitte beachten Sie folgende Veranstaltungshinweise:

Montag, 17. Juni 2013, 19.30 Uhr:

Vernissage zur Ausstellung „Blaue Blume & Blue Ray“ im Technologiepark Bergisch Gladbach, Friedrich-Ebert-Str. (A4 Richtung Olpe, Abfahrt 20 „Kürten-Herkenrath-Moitzfeld“)

Gruppenausstellung, u.a. mit Bildern von Jürgen Raap/Herrn Bär

 

Bild des Monats Juni 2013:

„Herr Bär, ist das da auf der Kirmes-Geisterbahn nicht der zechende Maler Rembrandt?“

Bär: „Enä. Dat is dä malende Zecher Rambrandt. Dat sieht man doch“.

„Und was malt der so?“

Bär: „Im Moment nix. Dä is ja jrad op dä Jeisterbahn am Zechen. Dä Rembrandt is nit so ne Multi-Tasking-Typ, dä mäht nie zwei Sachen gleichzeitig!“

 Karl-Josef Bär / Jürgen Raap „Johnnys Night Club“, 2013OLYMPUS DIGITAL CAMERA