Archive for Dezember, 2016

bär aktuell 210/211 und Bild des Monats

Montag, Dezember 5th, 2016

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Bild des Monats Dezember 2016:

Jürgen Raap, Junger Mann zum Mitreisen gesucht, 2016

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Bar in Mainz

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Bausünde in Mainz

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Assmannhäuser Höllenberg, Foto: S. Kallnbach

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Schloss Rüdesheim

 

Werbung in Rüdesheim

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Loreley, Foto und Copyright: S. Kallnbach

Bär aktuell Nr. 210 – 3. Dez. 2016

Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär – Trifft man im rheinischen Weinort Rüdesheim in der berüchtigten Drosselgasse auf Chinesen, so benehmen die sich wie harmlose Touristen. In Wirklichkeit sind sie aber wohl Investoren, und zwar solche, vor denen uns der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem seiner seltenen wachen Momente neulich gewarnt hat: man dürfe denen nicht das Know How in unseren Schlüsseldindustrien überlassen, mahnte Gabriel, und wer Sigmar Gabriel ernst nimmt, der hält jetzt jeden Chinesen, der auf dem Rüdesheimer Weihnachtsmarkt hemmungslos herum fotografiert, für einen Wirtschaftsspion, der sich das Geheimrezept von Schwester Hildegards Äbtissinnenlikör aneignen will. Das Destillat aus dem örtlichen St. Hildegard-Kloster enthält Ceylonzimt, Angelikawurzel und -halten Sie sich fest!- auch noch Kalmuswurzel, mehr wird an dieser Stelle jedoch nicht verraten. Huhu, Herr Gabriel, wer mit derlei staatsbürgerlicher Verantwortung um der Spionageabwehr willen den Chinesen gegenüber verschweigt, dass besagter Rüdesheimer Klosterlikör auch noch Ysopkraut enthält, der hat ja wohl das Bundesverdienstkreuz verdient (huhu, Herr Gabriel, bitte das Bundesverdienstkreuz nicht per DHL zu Herrn Bär schicken, denn die sind zu faul zum klingeln und schieben immer nur eine Paketabholkarte unter der Haustür durch). In der Drosselgasse wirbt auch eine Künstlerin namens Bea Schröder, in Personalunion Wirtin des „Theater-Cafés“, für sich und ihre Kunst auf englisch (ihre Kunst sei „famous“=berühmt) und auf chinesisch, aber das interessiert die Chinesen weniger, die sich lieber von der Getränkekarte das Rezept für „Rüdesheimer Kaffee“ abschreiben: Kaffee, ein Schuss Asbach Uralt und darauf ein Sahnehäubchen. Wer stattdessen lieber im „Restaurant Schloss Rüdesheim“ einkehren und dort Wein, Weib und Gesang frönen will, der trifft im Gastraum auf ein mechanisches Klavier, das die „Capri-Fischer“ intoniert, was zu einem rheinischen Weinort zwar nicht ganz passt, aber nun ja, der Rotwein vom benachbarten „Assmannshauser Höllenberg“ gleitet auch zu diesen Klavierklängen samtig-süffig über die Zunge, und eine Inschrift informiert darüber, dass hier Johann Wolfgang von Goethe am 15. August 1814 nächtigte und beim Genuss eines Rheingau-Rieslings oder auch eines „Assmannshäuser Höllenbergs“ begeistert ausrief: „Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein“. Herr Bär hätte sich sofort in Zimmer 24 einquartiert, wo vor 202 Jahren der Dichterfürst sein Haupt zur Ruhe bettete, um sich von diesem genius loci zur Abfassung von „Faust IV“ inspirieren zu lassen, aber das Zimmer war gerade belegt, und so bleibt es jetzt nun doch bei „bär aktuell“. Der Weihnachtsmarkt in Rüdesheim nennt sich übrigens „Internationaler Weihnachtsmarkt“, und international daran ist die Tatsache, dass den Stand mit Leuchtlampen in Form eines Weihnachtssterns ein Afrikaner betreut und jenen mit Produkten aus Alapaka-Wolle, nun ja: ein Chinese, den seine Landsleute ausfragen, wo sie als Investoren am besten ihr Geld anlegen (Antwort des Standbetreuers: am besten in Alpaka-Wolle). – Weiter geht’s nach Mainz, wie es singt und lacht, und für Wein, Wein und Gesang verbürgt sich hier unweit des Mainzer Domes die „Bar zu Hölle“, die als „Bar mit Niveau für den anspruchsvollen Gast“ firmiert, dies allerdings unter wahrscheinlicher Missbilligung des örtlichen Erzbischofs, und in der mitunter auch der Vorstand der KP-Ortsgruppe Shanghai auf Investorentour die Parteikasse versäuft, um das niveauvolle Etablissement später beschwingt mit dem Spruch auf den Lippen zu verlassen: „Wenn einem soviel Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach Uralt wert“, was sie allerdings phonetisch wie „ulalt“ artikulieren (Huhu, Marketingabteilung von „Asbach uralt“: für diese Schleichwerbung als kleines Dankeschön bitte einen Karton „Asbach uralt“ an die Adresse von Herrn Bär schicken, aber bitte nicht per DHL, denn die sind zu faul zum klingeln und schieben immer nur eine Paketabholkarte unter der Tür durch). Nach ihrer Rückkehr nach Shanghai müssen sie auf dem Parteitag wahrscheinlich Selbstkritik üben, weil sie außer einer leeren Parteikasse nur das Rezept für „Rüdesheimer Kaffee“ und einen Pullover aus Alpaka-Wolle vom Weihnachtsmarkt mitgebracht haben. Ansonsten fallen Herrn Bär im Stadtbild von Mainz die architektonischen Bausünden auf, die es auch letztes Mal hier schon zu besichtigen gab, aber nun ja, Mainz bleibt Mainz. In der ersten Kneipe, die Herr Bär ansteuert, wird als Bier „Sion Kölsch“ ausgeschenkt, der örtliche Fußballverein „FSV Mainz 05“ bewirbt seine Spiele im Europacup in der Schreibweise „Europakapp“, und damit den Gag auch jeder versteht, zusätzlich mit dem Symbol einer Narrenkappe, und ein örtlicher Karnevalbedarfsladen hat sein Schaufenster zur Weihnachtszeit nicht etwa mit Nikolausmützen dekoriert, sondern mit Funkenmariechenkostümen, und das macht einem Touristen aus Köln die Stadt dann doch irgendwie sympathisch: „Nä, he süht et wirklich us, wie bei uns ze Hus“ (einschließlich der architektonischen Bausünden, wie man sie auch aus Köln kennt). – Dass indessen in Mannheim die wenigen noch vorhandenen architektonischen Hinterlassenschaften des barocken Kurfürsten Carl Theodor heute im restlichen Stadtbild durch Neubauten im Stil einer missratenen Sparkassengebäude-Ästhetik gemeuchelt werden, hat Mannheim den Ruf eingetragen, das „Bielefeld des Südens“ zu sein, doch als regionale Spezialität bieten die Metzgereien hier eine „Mettwurst zum Rohessen“ als „Bratwürstle“ an. Herr Bär dachte sich, Weltoffenheit demonstriert man in der Fremde am besten durch Neugier auf Unbekanntes, schließlich ist man ja auf einer Bildungsreise, und so erkundigte er sich, warum die Mettwurst so heißt, und bekam als Antwort: „Die kann man auch braten“.

Essen und trinken mit Herrn Bär

Mett- und Bratwurst unterscheiden sich in der Rezeptur durch einen unterschiedlich hohen Fettanteil – die klassische Mettwurst hat etwa 15 Prozent Fettanteil, und für diese wird kein Bauchfleisch verarbeitet, in der Bratwurst jedoch durchaus, die mindestens 40 Prozent Fettanteil hat. Mett ist zudem immer grob gewolft (Ausnahme: feine Rügenwalder Teewurst), Bratwurstfleisch oft auch fein gekuttert. „Mett“ meint im Niederdeutschen gehacktes Fleisch ohne Speck. Die kleinen dünnen Nürnberger Rostbratwürste sind mit Salz, Pfeffer etwas intensiver mit Majoran gewürzt als andere Sorten. Fakultativ sind eine Prise Piment, etwas Narzisblüte oder auch eine Spur Zitrone. Für die Thüringer Rostbratwurst ist als Rezept für 2 kg Schweinefleisch an Zutaten überliefert: 4 Eier, Semmelmehl, Milch, 36 Gramm Salz, 5 Gramm Pfeffer, Kümmel, Muskat, ½ Knoblochzehe. Andere Varianten des Rezepts nennen auch noch als weitere Zutaten Senfkörner und Majoran.

Bär aktuell Nr. 211  -22. Dez. 2016

Deppen-Ranking Mit Abstand die Nr. 1 im diesjährigen Deppen-Ranking ist Jeff Sessions, Senator aus Alabama und im künftigen Kabinett von Donald Trump designierter Justizsenator. Durch den Staatsanwalt Thomas H. Figures ist als Aussage unter Eid die Bemerkung von Sessions verbürgt: „Der Ku-Klux-Klan war fein – bis sie begonnen haben, Marihuana zu rauchen”. Dass durch einen bekifften Ku-Klux-Klan für den strammen Senator die Welt aus den Fugen gerät, im Umkehrschluss durch einen unbekifften nach dessen Ansicht aber wohl hingegen nicht, ist so ziemlich das dämlichste, was man aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (und mittlerweile auch der unbegrenzten Blödheit) zu hören bekam. Zu den schrägsten gedanklichen, politischen und sonstigen Fehlleistungen in diesem Jahr gehört ohne Zweifel auf dem zweiten Platz die völlig hirnrissige Idee des mittlerweile ehemaligen britischen Regierungschefs David Cameron, seinen Wählern zu versprechen, für den Fall seiner Wiederwahl werde er ein Brexit-Referendum abhalten, in der Hoffnung, die Abstimmung ginge dann doch wohl Pro-EU aus. So dämlich verzockt hatte sich im Polit-Betrieb der letzten Jahre sonst nur Gerhard Schröder, als er 2005 Neuwahlen ausrief und damit den Weg für Mutti Merkel als Nachfolgerin freimachte. Die kriegt jetzt den Hals nicht voll und will noch vier Jahre weiter merkeln. Jan Böhmermanns Idee, Mutti Merkel nackt abzubilden, war gar nicht von Böhmermann, sondern ziemlich platt aus einem Video des Hip Hoppers Kanye West geklaut, und dies rechtfertigt Platz 3. Derlei Böhmermannsche Einfallslosigkeit bestätigt erneut Herrn Bärs Einschätzung, dass er von der intellektuellen Brillanz eines Kurt Tucholsky Lichtjahre entfernt ist. Platz 4 nimmt nicht etwa Donald Trump wegen seiner scheußlichen Frisur ein, sondern die Demoskopen, die nicht wahrhaben wollten, dass man auch mit solch einer Frisur in den USA Präsident werden kann. Auf die Idee, sich die Haare quer über die Pläät zu kämmen, kam übrigens als erster der Sportmoderator Ernst Huberty, der Leuten wie Herrn Bär aber nur wegen dieser Frisur in Erinnerung ist, während sein Kollege Heribert Fassbender intellektuelle Brillianz mit dem Satz bewies: „Es steht 0:0, es könnte auch andersherum stehen“. Daran sollte sich Jan Böhmermann mal ein Beispiel nehmen. – Herrlich trottelig stellte sich ebenfalls die SPD-geführte rheinland-pfälzische Landesregierung an, der es nicht reichte, den Nürburgring wirtschaftlich gründlich in den Sand gesetzt zu haben, weshalb sie beim Versuch, den Flughafen Hahn zu verkaufen, dann auch noch auf einen chinesischen Hochstapler herein fiel und damit Anspruch auf Platz 5 bei diesem Deppen-Ranking hat. – Ausgerechnet auf dem Kölner Hohenzollernring, der nachts als Hochburg von Antänzern und anderen Taschendieben gilt, wedelte ein 19jähriger mit einem Geldbündel voller 500 Euro-Scheine herum und fragte einen Disco-Türsteher übermütig: „Könnt ihr das wechseln?“ Ein paar Minuten später sprach ein Straßenräuber den Geldbündelbesitzer an und fragte: „Sind die Scheine auch echt? Zeig doch mal her…“ Wie die Geschichte weiter ging, kann sich jeder denken, und der Vollhorst landet auf Platz 5, gefolgt auf Platz 6 von dem ebenfalls höchst deppenhaften hessischen Bäckerlehrling, der als Hippie durch Mallorca tingelte und beim Versuch, in freier Wildbahn sein Klopapier zu verbrennen, gleich den ganzen Wald anzündete. – Allzu sehr hochgestapelt hatte die Essener SPD-Politikerin Petra Hinz mit der Fälschung ihrer Biografie, sich ein Abitur anzudichten, das sie in Wirklichkeit nie gemacht hatte (Platz 7). Mit ihren üppigen Bundestagsdiäten hätte sie sich auch problemlos den Titel einer Prinzessin von Anhalt kaufen und damit die Seiten der Regenbogenpresse füllen können, und die Wiederwahl wäre dann zumindest bei der Leserschaft den „Goldenen Blatts“ gesichert gewesen, die mit ihrer detaillierter Kenntnis über die dynastischen Verwicklungen des hohen und niederen Adels zwischen „Petra von Anhalt“ und „Marcus von Anhalt“ zu unterscheiden gewusst hätte. Letzterer belehrte kürzlich in einem Gerichtsprozess den Richter über die steuerliche Absetzbarkeit eines Luxusautos, er, Marcus von Anhalt, sei der einzige, der sich im deutschen Steuerrecht richtig auskenne, was ihm jedoch nichts nützte und eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gefängnis und hier Platz 8 einbrachte. Platz 8 belegt Alexander Gauland von der AfD, dem die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht deutsch genug ist und der allen Ernstes dem Fußballer Jerome Boateng unterstellte, man wolle ihn „nicht als Nachbarn haben“, was dann selbst die sonst arg betuliche und immer um Beschwichtigung bemühte Mutti Merkel als einen „niederträchtigen und traurigen Satz“ empfand – bei Mutti Merkel sind solch seltene klaren Worte immerhin denn doch bemerkenswert. – Nicht sehr schlau stellte sich auch der „Hühnerbauer Ralf“ an, der in der TV-Sendung „Bauer sucht Frau“ letztlich doch nicht die Bäuerin fürs Leben fand, später eine Tankstelle überfiel und bei seiner Geldforderung durch seine Strumpfmaske so fürchterlich nuschelte, dass die Kassiererin gar nicht verstand, was er eigentlich wollte. Anschließend fuhr „Hühnerbauer Ralf“ mit dem eigenen Audi davon und wunderte sich, wieso man ihn anhand des Kennzeichens so schnell identifiziert hatte (Platz 10).

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Sauerkrautsuppe

Sauerkrautsuppe hat ihren festen Platz in der Küche Österreichs, Russlands und anderen osteuropäischen Ländern. Man brät Zwiebeln in heißem Fett (Schmalz oder Butter) an, fügt Kartoffeln und Möhren hinzu und schwitzt sie leicht an. Dann gießt man den Topf mit Rinderbrühe auf. Das Sauerkraut kocht man ca, 30 Min. separat mit ein paar Pfefferkörnern, einem Lorbeerblatt 1-2 Wacholderbeeren ebenfalls in Rinderbrühe und kippt dann den Inhalt der beiden Töpfe zusammen. Für einen Beutel Sauerkraut benötigt man 1 Liter Rinderbrühe. Dazu kann man als Wursteinlage Scheiben von polnischer Krakauer oder ungarischer Debreziner nehmen und zum Abrunden der Würze frischen Knobloch hineinpressen.

Tomatensauce aus Ghana – hierzu brät man separat Zwiebeln, Knobloch und klein geschnittene Tomaten an, fügt etwas Wasser hinzu und lässt das Ganze so lange köcheln, bis die Tomaten zerkocht sind, mischt dann die Pfefferpaste und 1 TL Tomatenmark unter. Je nach Geschmack, ob man es milder oder schärfer haben will, mit Pfeffer oder Chili (vorsichtig!) nachwürzen. Chili ist ein umgangssprachlicher Name für eine besonders scharfe Paprikaschote; sie enthält einen besonders hohen Anteil an Capsaicin, das die Schärfe erzeugt. Andere Würzmittel reizen die Geschmacksnerven auf der Zunge, Capsaicin ruft jedoch einen Hitze- und Schmerzreiz hervor, weshalb man – wenn man an den Genuss nicht gewöhnt ist oder Schärfe nicht verträgt – beim Essen Schweißausbrüche erlebt. Eine Alternative ist vorsichtig dosiertes Rosen-Paprikapulver.

Eine andere, mildere Variante dieser Tomatensauce kann man mit Okraschoten zubereiten: man beträufelt frische Okraschoten mit Zitronensaft und lässt sie 30 Min. ziehen. Zwiebeln, rote Parikaschoten und Tomaten dünstet man in heißem Oliven- oder Erdnussöl kurz an, gibt etwas Knobloch hinzu, dann die Okraschoten, weitere passierte Tomaten (aus der Düse) und Tomatenmark, bei Bedarf etwas Wasser, lässt die Okraschoten in der Sauce mitköcheln, bis sie weich sind.

Zanderfilet „Longericher Pilgerpfad“

Der Zander ist ein Süßwasserfisch, zoologisch aus der Familie der Barsche. Er kommt in europäischen Flüssen, Seen und Kanälen und ebenso in Westasien rund ums Kaspische Meer vor, jedoch nicht in Skandinavien, nicht im nördlichen Russland und nicht im südlichen Balkan. Wie der Hecht, so ist auch der Zander ein Raubfisch. Wegen seines mageren, festen, weißen Fleisches ist er als Speisefisch beliebt. Der beidseitig gesalzene und gepfefferte Fisch wird mit Mehl bestäubt und dann in der Pfanne in Olivenöl gebraten. Dazu: Möhren, Zwiebeln, rote Paprikaschoten und Zucchinischeiben kurz in Butter andünsten und in ein wenig Gemüsefonds garen, Paprikapüree und Sahne hinzufügen, mit Salz, Pfeffer, ein paar Spritzern Zitronensaft, Petersilie und Thymian abschmecken.

Copyright für alle Texte und alle anderen Fotos: Raap/Bär 2016 – Alle Rechte vorbehalten

Weihnachtsmarkt Bonn 2016, Foto: Raap

Sich das Leben nicht verdrießen zu lassen, wie es auch die Bundeskanzlerin nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt empfahl („Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Auch, wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen…“), konnte man zwei Tage später auf dem Bonner Weihnachtsmarkt erleben – er war gut besucht wie immer.  Weder eine Trotzhaltung gegen das Muckertum sauertöpfischer Fanatiker („Die Ungläubigen trinken dort Alkohol!“) war an den Glühweinbuden spürbar noch jene Routine oder gar jene fatalistische Gleichgültigkeit, wie sie Ergebnis eines Gewöhnungsprozesses ist, sondern stattdessen nur die übliche „Business as Usual“-Stimmung der Standbetreiber und die eierpunschbeseelte Besinnlichkeit der Konsumenten.

Eine Spirituosennovität pries dort in der Bonner Altstadt der „Fürst von Schabau“ an seinem Stand in Form eines „Spekulatiuslikörs“ an – und wer wie Herr Bär den Selbstversuch wagte, gelangte zu dem Geschmacksurteil: der Likör schmeckt einfach nur wie flüssiger Spekulatius, aber nun ja, er ist in diesem Augenblick halt auch nur Ausdruck einer Normalität, die wir uns nach den Anweisungen auch des Bundesinnenministers Lothar de Maizière nicht nehmen lassen sollten. Kann man mit Schrecken Scherz treiben im Shakespearschen Sinne und mit dem Witz der Satire die Angst hinweg lachen, funktioniert das wirklich? Oder kann man mit Spekulatiuslikör gegen die Beklommenheit antrinken, um sie abzumildern?

Sich ausgerechnet einen Weihnachtsmarkt für solch einen Terroranschlag auszusuchen, hat auf perfide Weise schon eine hohe Symbolkraft und ist ein Beleg für das äusserst perfide Geschick in psychologischer Kriegsführung bei den Hintermännern solcher Anschläge, wenn sie mit ihren ausgeklügelten Hasspredigten und mit militärischer Versiertheit in Sachen Kommandooperationen irgendwelche Einfaltspinsel als opferwillige Gefolgschaft für ihre Machtgelüste rekrutieren. Auch wenn der äussere Glanz der adventlichen Lichterketten in den Fußgängerzonen heute eigentlich eher Ausdruck einer Sinnentleerung ist, also mithin nur noch Folklore, und mit der ursprünglichen sakralen Bedeutung des Weihnachtsfestes nicht mehr viel zu tun hat, schmälert dies die Symbolkraft eines solchen Anschlags allerdings nicht.– Der tunesische Terrorist, der auf seiner Flucht von italienischen Polizisten erschossen wurde und der laut forensischer Fingerabdruckanalyse zum jetzigen Zeitpunkt der Erkenntnisse kein mutmaßlicher mehr ist, hat derlei kulturelle Feinheiten selber womöglich gar nicht durchschaut, sondern sich in seiner Verblendung von seinen Führungsoffizieren im IS als nützlicher Idiot instrumentalisieren lassen. Gefährlich sind eben nicht nur die derzeit exakt 549 irrwitzigen potenziellen „Gefährder“, die laut Beobachtung der Sicherheitsbehörden bei uns noch frei herumlaufen, sondern vor allem ihre Strippenzieher in der Führungsebene, von ihnen nicht wenige geschult durch den ehemaligen irakischen Geheimdienst zur Zeiten Saddam Husseins, und sie machen sich für ihre asymmetrische Kriegsführung und bei der Rekrutierung ihrer Anhänger den Zerfall staatlicher Strukturen im Irak, in Syrien und in Lybien zunutze. Es ist ei Fußvolk von zumeist unbedarften und daher leicht fanatisierbaren Anhängern, „die in der Regel keine Aufstiegschancen in der Gesellschaft haben. Sie sind frustriert und desintegriert und werden durch gewaltverherrlichende Kommunikation in ihrem Ego angesprochen, weil die Gewalt als Tabuverletzung und als ‚Action‘ – ähnlich wie ein Actionfilm – ein Gefühl der Stärke vermittelt. Das erlaubt ihnen, erlebte Beleidigungen oder Demütigungen zu kompensieren“, wie der Kommunikationswissenschaftler Jürgen Grimm erklärt. Mit ähnlichem Tenor apostrophiert der linke französische Soziologe Emmanuel Todd diesen entfesselten Islamismus als eine „Religion der Armen“, während die kapitalistischen Verwerfungen der globalisierten Wirtschaft überall in Europa Verlustängste bei der Mittelschicht hervorriefen und dies den Rechtspopulisten Auftrieb gäbe. Wo in der unübersichtlichen weltpolitischen Gemengelage der Machtpolitik mit den jeweiligen geostrategischen Interessen von saudi-arabischer, russischer, iranischer und türkischer Seite als einem Humus dieses in den Westen exportierten Terrorismus auch schon mal äusserst unappetitliche Potentaten als Verbündete gestützt werden, da muss es nicht unbedingt albern sein, in den Tagen nach dem scheußlichen Attentat demonstrativ als eine Geste gegen das erwähnte fundamentalistische Muckertum auf einem Weihnachtsmarkt Spekulatiuslikör zu trinken, auch wenn der eigentlich nicht gut schmeckt, und den rheinischen Spirituosenpapst „Fürst von Schabau“ bizarrerweise als Bollwerk in einem Kulturkrieg anzusehen – denn man muss in einer säkularen Gesellschaft, die auch weiterhin eine solche und eine pluralistische bleiben will, eine „Pflicht zur Blasphemie“ nur in anderen Dimensionen weiter denken, als besagter Soziologe Emmanuel Todd diese Vokabel ursprünglich und mit anderem Tenor als Gegenwehr gegen den Islamofaschismus skizziert hat. Anders und – ideologisch völlig neutral – ausgedrückt: wir müssen uns nicht zu einer kulturellen Bringschuld gegenüber den anderen verpflichtet fühlen und auf Spekulatiuslikör verzichten. Aber – und da muss Herr Bär an dieser Stelle auch mal den Bundespräsidenten Joachim Gauck zitieren: „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen…“

Der Satiriker nimmt „das Böse“ (O-Ton Angela Merkel) ernst, aber er gibt es zugleich der Lächerlichkeit preis und erreicht so im prustenden Auflachen eine bewusstseinsmäßige Befreiung – der brachiale Humor der TV-Comedians klärt allerdings nicht immer auf, aber der Witz der Satiriker und Kabarettisten versucht dennoch etwas zu klären, dies freilich manchmal vergeblich, so wie Zeitzeugen berichten, Kurt Tucholsky habe in den frühen 1930er Jahren mit der Schreibmaschine gegen die aufziehende Katastrophe anzuschreiben versucht, und von Erich Kästner ist das Eingeständnis überliefert, der Satiriker sei ein Moralist, und als solcher versuche er, „seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus.“ In diesem Sinne wünscht Herr Bär trotz allem schöne Feiertage und ein hoffentlich friedvolleres Jahr 2017.

© Raap/Bär 2016 – alle Rechte vorbehalten