Archive for August, 2015

bär aktuell 185/186 und Bild des Monats

Dienstag, August 4th, 2015

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Bild des Monats August 2015:

Jürgen Raap, „Das durchsichtige Frühstück“, 2015

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Bildstrecke Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär:

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Bär aktuell Nr. 185 – 3. August 2015

Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Als Herr Bär jüngst in Bamberg weilte, traf er dort auf einen Chinesen, der sich bei Herrn Bär erkundigte, wo er denn herkäme. Als Herr Bär antwortete, er sei in Köln zu Hause, strahlte der Chinese über das ganze Gesicht und sagte: „Ah, 4711, Eau de Cologne“. Und Herr Bär hatte sich wieder einmal als Botschafter des guten Geruchs erwiesen.
Dass Modedesigner bisweilen arg überkandidelt sind, bewies einmal mehr jener Berliner Vertreter der Zunft, der zur aktuellen Herrenmode für diesen Sommer bekundete, der elegante Flaneur solle ruhig Mut zum „Knöcheldékolleté“ haben. Herr Bär weigert sich dennoch, mit entblößten Fußgelenken durch die Straßen zu schlendern, weil man nämlich früher über solche Zeitgenossen lästerte, sie hätten ihre Hose auf Hochwasser eingestellt.
Wenn das mediale Sommerloch naht und den Zeitungsleuten nichts mehr einfällt, verbreiten sie gerne Tiergeschichten. „Bär raubt Bienenstock aus“ war mithin eine recht schöne Nachricht, ebenso wie jene urbane Legende, dass in Köln ein Rennpferd auf den Namen „Millowitsch“ getauft wurde und sein erstes Rennen mit vier Längen Vorsprung gewann. Derweil verbreitete ein Zeitungskolumnist allen Ernstes die Sottise, es verbiete sich von selbst, Wolfgang Schäuble wegen seines unbeirrbaren Auftretens in der Griechenland-Krise mit unangemessener Metaphorik einen „aufrechten Gang“ oder „Rückgrat“ zu bescheinigen, da er ja im Rollstuhl säße, wohingegen man über Sigmar Gabriel durchaus urteilen kann, er sei wieder einmal wie gewohnt schmierwurstartig aufgetreten, als er im Internet einen „Shitstorm“ auslöste und dann peinlicherweise zurückruderte in der Frage, ob und wann er vorab etwas über Schäubles „Grexit“-Nonpaper gewusst habe.

SPD bizarr Während Wolfgang Schäuble also trotzig und trutzig verkündet, wenn man ihn nicht weiterhin so agieren ließe wie er denn wolle, könne er ja auch zurück treten, dämmerte dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD), dass mit jenem Gabriel, bei dessen Rhetorik Herr Bär immer an eine streichfähige Teewurst denken muss, kein Staat zu machen ist. Und da auch sonst in seiner eigenen Partei niemand an die Beliebtheit von Über-Mutti Merkel heranreiche, empfahl Albig seinen Genossen, sie sollten doch bei der nächsten Bundestagswahl getrost auf einen eigenen Kanzlerkandidaten verzichten. Und es kommt noch doller: ausgerechnet der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück attestierte Wolfgang Schäuble, er, Steinbrück, habe an Schäubles Verhandlungsführung gegenüber den Griechen überhaupt nichts auszusetzen, und der „Grexit“ dürfe kein Tabu sein. An seiner eigenen Partei lässt Steinbrück indes kein Gutes Haar: „Die SPD mobilisiert nicht, sie weckt keinen Enthusiasmus, sie reißt niemanden mit“, verkündete er jüngst in „Bild am Sonntag“. Steinbrück wirft seinem Parteifreund, dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, zugleich eine völlig vergeigte Energiepolitik vor, und dass er Gabriel trotz seiner Flops eigenartigerweise dennoch trotz äusserst geringer Wahlchancen für einen geeigneten Kanzlerkandidaten hält, klingt denn doch eher wie ein vergiftetes Lob. Und so bewahrheitet sich im Falle von Sigmar Gabriel wieder einmal die altbekannte Lebensweisheit, wer solche (Partei)-Freunde habe, der brauche beileibe keine Feinde mehr.

Neue Rubrik: Essen und Trinken mit Herrn Bär

Wurstbrot à la Sigmar Gabriel
Scheiben von rustikalem Graubrot dick mit Butter und mit Braunschweiger Mettwurst bestreichen, anschließend mit kleingehackten Lauchzwiebeln bestreuen. Dazu passt am besten ein Gläschen „Torsten Albig“-Aquavit (38 Vol. Prozent).

Risotto à la Europäische Zentralbank (Mario Draghi gewidmet)
1-2 Schalotten im Topf kurz in Knoblochbutter andünsten, Risotto-Reis hinzugeben und ständig umrühren, bis der Reis glasig ist. Mit Brühe auffüllen (Hühnerbrühe bei Geflügelrisotto, Fischfonds-Brühe bei Fischrisotto). Sobald der Reis die Brühe aufgesogen hat, immer wieder neue Brühe hinzugeben und ständig rühren, damit der Reis nicht anbrennt. Wenn der Reis gar ist, mit Salz, Pfeffer und Knobloch abschmecken, Parmesankäse darüber reiben. Dazu in der Pfanne scharf angebratene Maishähnchenbruststückchen mit Zwiebeln, Knobloch, frischen Pfifferlingen, ein paar Möhrenscheiben, roten Paprikastreifen, Petersilie, 4-5 dunklen Weintrauben und frischem Thymian zubereiten, bei Bedarf auch 4-5 getrocknete Morcheln hinzugeben. Als Sauce Geflügelbrühe mit geriebenem rotem Gemüsepaprika in die Pfanne einrühren. Bei Fischrisotto weiße Muscheln (Vongole) und Garnelen in Olivenöl anbraten, mit Fischfonds ablöschen, klein gewürfelte Tomaten, etwas Tomatenmark, rote Paprikastreifen, Knobloch und schwarzen Oliven kurz aufkochen lassen, mit Salz, Pfeffer, Beifuß, Dill und eventuell auch ein paar Blättern frischem Salbei abschmecken und zusammen mit dem Risotto servieren.
© Raap/Bär 2015

 

Bär aktuell Nr. 186 – 22. August 2015

OB-Wahlkampf in Köln Im Kölner Klüngel-Sumpf galt der SPD-Politiker Jochen Ott zu Beginn seiner Polit-Karriere als eine „Lichtgestalt“, die über jeden Korruptionsverdacht erhaben sei. Als Einäugiger unter lauten Blinden der König zu sein, mithin unter lauter filzigen Klüngelbrüdern als integrer Saubermann da zu stehen, war unter den damaligen Umständen allerdings auch nicht allzu schwer. Dennoch schrieb Jendrik Scholz schon 2002 in der „Sozialistischen Zeitung“, über den heutigen Kölner OB-Kandidaten, er sei „in den 90er Jahren das Ziehkind der beiden tief in den Korruptionsskandal verstrickten ehemaligen Paten des rechten Flügels der Kölner SPD, Klaus Heugel und Norbert Rüther“ gewesen. Weil ihnen die Jusos damals zu links gewesen seien, „entschieden sich die SPD-Rechten Heugel und Rüther dafür, das ‚Red-Sox-Team‘ als neue parteitreue Jugendorganisation zu installieren und machten Ott zum Chef…“. In der Frankfurter Rundschau und der Süddeutschen Zeitung, so Scholz, hätten deswegen seinerzeit Mutmaßungen kursiert, „dass Otts damalige Aktivitäten in Wirklichkeit aus den schwarzen Kassen Rüthers und Heugels finanziert worden waren.“
In den Stadtrat hat es Jochen Ott im Laufe der Jahre indes nie dauerhaft aus eigener Kraft geschafft: bei der vorletzten Kommunalwahl hätte er auf einem hinteren Listenplatz den Einzug in den Rat fulminant verpasst, wenn nicht der Parteifreund Jürgen Noppel mehr oder weniger freiwillig zugunsten Otts auf seinen Ratssitz verzichtet hätte. „Noppeln“ nennt man seitdem in Köln diese reichlich bizarre Form von Mandatsübernahme. Die Wähler in Noppels Wahlkreis staunten jedenfalls nicht schlecht, als sie Noppel gewählt hatten und dafür Ott bekamen. Nach der letzten Wahl musste Jochen Ott einige Monate später seinen Ratssitz wieder räumen, nachdem auf Anordnung des Verwaltungsgerichts im Wahlbezirk Rodenkirchen die Stimmen neu ausgezählt wurden und das Wahlergebnis daraufhin korrigiert werden musste.
Auf der Internetseite „abgeordnetenwatch.de“ muss sich Jochen Ott als Mitglied des NRW-Landtags angesichts seiner schwammigen Antwort auf eine Frage nach „Auswirkung des Nachtfluglärms“ den Vorwurf gefallen lassen, „dass Sie den Ihnen gestellten Fragen mehrheitlich ausweichen“, wie ein gewisser Peter Hahne moniert. Dass er auf seinen Wahlplakaten seine SPD-Mitgliedschaft verschweigt, kann man allerdings als PR-strategisches Kuriosum durchgehen lassen, wobei es zur Begründung aus seiner Wahlkampfzentrale heißt, in Köln wisse doch jeder, dass Ott in der SPD sei, deswegen brauche man das auf einem Plakat nicht mehr eigens zu erwähnen.
Die inhaltliche Beliebigkeit seiner Wahlkampfparolen auf den Plakaten wird nur noch durch die Hohlnussigkeit übertroffen, mit der eine gewisse Sabine Neumeyer Jochen Otts Kandidatur Konkurrenz macht und sich als parteilose „Partybürgermeisterin“ anpreist, als ob es gelte, den Stadtrat in ein Festkomitee für die zunehmende und damit auch zunehmend unerträgliche Ballermannisierung der Stadt umzufunktionieren. Zugleich muss Jochen Ott aber auch gegen den „Nackt-Cowboy“ Herby Nussbaum antreten und gegen „Dr. Made“, einen prominenten Kriminalbiologen, der als NRW-Vorsitzender die Satire-Partei „Die Partei“ anführt, während ein weiterer Kandidat, nämlich der „Umweltaktivist“ Marcel Hövelmann, für den Fall seiner Wahl als OB das Vorhaben eines Designwettbewerbs für Blumenkübel im öffentlichen Straßenraum als dringlichstes kommunalpolitisches Problem in die Tat umsetzen will.
Henriette Reker, die von den Grünen, der CDU und der FDP gemeinsam unterstützt wird, hofft vielleicht insgeheim, dass diese skurillen Exoten trotz ihrer Chancenlosigkeit ihrem Rivalen Ott letztlich so viele Stimmen weg nehmen, dass es für ihn am Ende nicht reicht. Immerhin hat bei einer früheren Ratswahl ein Zeitungsverkäufer als Außenseiterkandidat schon mal mehr als 1.000 Stimmen eingeheimst.
Herrn Bärs Fazit: ein bisschen erinnert der OB-Wahlkampf ja nun doch an einen Schwank im Hänneschen-Theater, aber ein solcher Politik-Stil gehört nun mal zu den folkloristischen Eigenheiten der Domstadt genauso wie ein Bauskandal nach dem anderen: erst trödeln sie auf der Baustelle des Opernhauses herum, um dann bei ihrem Bauherrn „Beschleunigungszuschläge“ einzufordern, und wenn es dann trotzdem nicht schneller voran geht, heißt es, für beschleunigtes Arbeiten fehle ihnen das nötige Fachpersonal. Wahrscheinlich wird der Berliner Flughafen nun doch früher fertig als die Sanierung des Kölner Opernhauses, aber das stört am Rhein niemanden, denn wie sagt der Kölner: „Langsam kütt mer och an et Ziel“.
© Raap/Bär 2015