Archive for September, 2023

baer aktuell 328 – 3. Sept. 2023

Freitag, September 1st, 2023

Bild des Monats September 2023: Jürgen Raap, Der Wolfsjäger I, Acryl und Öl auf Leinwand, 2023

Bär aktuell 328 – 3. Sept. 2023

Wer nicht von „Menschen“, sondern stattdessen von „Mensch*innen“ spricht, hat sich gewaltig vergendert. Das führt uns der Autor Fabian Payr vor Augen, der in einem Büchlein „20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören“, zusammen getragen hat (1). Ihm sekundiert bekanntlich mittlerweile auch der Rat für deutsche Rechtschreibung, der weiterhin „Genderzeichen im Wortinneren nicht als einen Kernbestand der deutschen Orthografie“ einstuft. Auf der Internetseite https://schlechtewitze.com/gender postete ein Anonymus mit einem ironischen Plädoyer für sprach-unlogische Konsequenz: „Wenn man überlegt, müsste man ja eigentlich alles gendern… Also Sexist:innen, Mülleimer:innen, Damen:innen, Mutter:innen, Schule:innen, Deutschland:innen“. Ein anderer postet auf https://www.philippicae.de/post/gender-witz ergänzend dazu, dann müsste man ja auch „Taliban*innen“ sagen. Obwohl die Taliban in Afghanistan von der Gleichberechtigung der Geschlechter bekanntlich nichts halten und die Frage, ob es dort überhaupt weibliche Taliban, mithin „TalibanInnen“ oder „Taliban_innen“ gibt“, an dieser Stelle von Herrn Bär nicht beantwortet werden kann. Aber mutmaßlicherweise wahrscheinlich nicht. Fazit bei „Focusonline“ daher bereits 2021: „Schluss mit den nervigen Gender-Debatten! Jetzt muss Humor die Frauen nach vorne bringen“. So sei an dieser Stelle ein Witz zum Mitdenken zitiert, den man nicht auf der Internetseite „Schlechte Witze“, sondern woanders findet: Kommt eine Genderbeauftragte in die Kneipe und bestellt „eine Radlerin“. Sagt der Wirt: „Tut mir leid, das Zapfhuhn ist kaputt“. Die österreichische Zeitung „Profil“ berichtete derweil über den Hang mancher Gender-Eiferer zur Bigotterie: in Graz z.B. mit einer Stadtregierung unter Führung der kommunistischen KPÖ hieße es zwar „Grazer:innen, Fußgänger:innen, Dolmetscher:innen“, aber ansonsten nur „Investoren“. In der Vorstellungswelt der Bürgermeisterin sei für „Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen und Ausbeuter:innen aller Art wahrscheinlich kein Platz“. Aus dem Pendant zur KPÖ, nämlich der deutschen Linken, sei an dieser Stelle Sarah Wagenknecht zitiert, die sich kürzlich darüber mokierte, mit dem Zwang zum Gendern werde „die Sprache der Leute entwertet, die diese Regeln gar nicht im Detail kennen“. In diesem Sinne war auch in der Zeitschrift „Geo“ nachzulesen: „Gendern ist ein akademisches Elitenprojekt und geht an der Lebens- und Sprachwirklichkeit vieler Menschen vorbei; es ist eine Bevormundung“. Das Gendern führt im Wagenknechtschen Sinne eben nicht die „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, wie es in einem bekannten Arbeiterkampflied von Leonid Petrowitsch Radin aus dem Jahre 1896 heißt, und die Schwestern auch nicht. Denn bei https://languagetool.org heißt es: „Wenn nun alle anfangen würden, durchgängig zu gendern, würde dies jedoch allein nicht ausreichen. Frauen würden weiterhin weniger verdienen, immer noch in den Chefetagen unterrepräsentiert werden und noch weiter im klassischen Familienbild leben müssen. Da kann doch ein Sternchen oder eine Sprechpause nichts ändern“. Mit Humor allerdings ändert sich freilich mitunter auch nicht viel: bei https://fluter.de/humor-mann-frau-gender-gap ist nachzulesen: „Einen witzelnden Chef finden alle klasse, eine witzelnde Chefin dagegen schnell nervig. Frauen können sich die Karriere buchstäblich verscherzen..“ Copyright Raap/Bär 2023

( 1) Fabian Payr,“ Von Menschen und Mensch*innen“, 20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören, Springer Verlag, Wiesbaden 2021)

Kein Witz Als Olaf Scholz nach einem Sturz aufs Gesicht beim Jogging mit Augenklappe herumlief, lud ihn die Stadt Köln dazu ein, als Pirat am nächsten Kölner Karneval teilzunehmen und versprach ihm laut Boulevardblatt „Express“, dafür auch noch eine Pappnase zur Verfügung zu stellen. Herr Bär meint: Die Augenklappe und die Pappnase kann man ja später als Scholz-Reliquien im Deutschen Historischen Museum ausstellen und das Museum dadurch zu einem Olaf Scholz-Wallfahrtsort machen. Jedenfalls: die Augenklappe lenkt gut von seinem Gesicht und seiner Pläät ab. Und vielleicht entwickelt sich Olaf Scholz als Pirat im Kölner Karneval ja doch noch zu einer rheinischen Frohnatur. Immerhin bewies er schon mal die für ihn erstaunliche Befähigung zur Selbstironie, bei manchen Joggingstrecken nähme man doch besser das Auto. Was das Autofahren auf derlei Park- oder Waldwegen angeht, so überkam Hubert Aiwanger ein Moment der Erleuchtung, als er darauf hinwies, Christian Lindner habe im Wald nichts zu suchen, denn da bliebe sein Porsche irgendwo stecken. Aiwangers Ratschlag beherzigen im übrigen auch die Helikoptermütter, die ihre Blagen eben nicht im SUV, sondern mit dem Lastenfahrrad über holprige Waldwege karren. Notfalls auch mit Augenklappe.

An die Chefredaktionen von „Bild“ und „Express“ muss ernsthaft die Frage gerichtet werden, ob tatsächlich ein größeres öffentliches Interesse am Verlauf der Schwangerschaft der Komikerin Carolin Kebekus besteht, oder ob man Stammlesern wie Herrn Bär derlei gynäkologische Regenbogenpresse-Berichterstattung nicht besser ersparen sollte. Dass es durchaus wichtigere weltbewegende Themen gibt, bewies „Die ZEIT“, als sie einen Leserbrief von Klaus P. J. abdruckte, der sich darüber beklagte, der Musiker Heino sei ja bereits längst „im Rentenalter, aber er singt weiter“, und in derselben Ausgabe mokierte sich in einem anderen Leserbrief ein gewisser Dierk H. darüber, dass ein „ganzseitiger Artikel über den greisen Barden Heino“ ausgerechnet „im Wirtschaftsteil“ abgedruckt wurde. Nun ja, Carolin Kebekus hat es mit ihrer Schwangerschaft noch nicht in den Wirtschaftsteil der „ZEIT“ geschafft (denn es gibt ja noch keine Merchandising Fan-Artikel wie Carolin Kebekus-Babyschnuller oder -strampelhöschen), während man hingegen bei https://www.heino.de/shop/fanartikel/ fündig wird, wenn man dort nach dem „Original Steiff Heino Teddy Bär – Limited Edition“ für 369 Euro oder nach dem „Eau de Parfum – Das singende Enzian“ für 35 Euro pro 50ml-Flasche sucht, wobei ausdrücklich davor gewarnt wird, der Heino-Teddy sei „kein Kinderspielzeug“, sondern ausschließlich „für erwachsene Sammler“ bestimmt“. Das erwartet Herr Bär natürlich auch von einem Carolin Kebekus-Babyschnuller. Die Kreation eines Nancy Faeser-Parfums für den hessischen Landtagswahlkampf durch irgendeinen überkandidelten Duft-Designer hat sich die regionale SPD zur Auffüllung ihrer Wahlkampfkasse bislang immerhin noch verkniffen. Da noch nicht sicher ist, ob überhaupt und wann und wo die Medienmogule Elon Musk, der auch sonst schon reichlich durchgeknallt wirkt, und der nicht minder fragwürdige Mark Zuckerberg tatsächlich in den „Alles ist erlaubt“-Box-Käfig steigen, um sich dort gegenseitig gründlich zu verprügeln, wie es sonst woanders nur pubertierende Schulbuben auf dem Schulhof tun, goutiere man bis dahin in den hiesigen Medien, wie zwei andere mediale Krawallbrüder, nämlich Julian Reichelt (Ex-“Bild“-Chefredakteur) und Jan Böhmermann („ZDF Magazin Royale“) sich in der Causa „Nancy Faeser-Arne Schöhnbohm“ juristisch duellieren, dies immerhin noch in halbwegs zivilisierter Weise und eben noch nicht auf einem archaischen „Alles ist erlaubt“-Straßenschläger-Niveau, was in den heutigen Zeiten mit den sonst überall reichlich verrohten Sitten ja auch schon was wert ist, obwohl die Bundesinnenministerin und hessische Wahlkampf-Spitzenkandidatin Nancy Faeser darüber jammert, sie werde „mit Dreck beworfen“. Gegen den Gestank dieses Drecks hilft vielleicht Heinos Enzian-Parfüm. Und ansonsten ergab eine Meinungsfrage, dass ein Drittel der Befragten sich wünschen, Olaf Scholz solle weiterhin eine Augenklappe tragen.

King Charles, damals noch Prince of Wales, wurde 2002 von einem „parteiübergreifenden Arbeitskreis parlamentarischer britischer Bierfreunde“ zum „Biertrinker des Jahres“ gekürt. 1987 hatte man ihm und ebenso Prinzessin Diana bei einem offiziellen Besuch im Kölner Rathaus je ein Glas Kölsch in die Hand gedrückt, und Herr Bär erinnert sich noch gut daran, wie die Lokalpresse damals grummelnd darüber berichtete, Prinzessin Diana habe nur höflich an dem Glas genippt und dabei keine Miene verzogen. Als der Sohn der beiden, nämlich Prinz Harry, kürzlich in Düsseldorf weilte und dort in einem typisch rheinischen Brauhaus einkehrte, soll er laut „BILD“ an jenem Abend sechs Glas Alt-Bier konsumiert und dazu verkündet haben, er habe gehört, dieses Bier schmecke besser als jenes in Köln. Von wem hat er das wohl gehört? Aus der Sicht des Kölner Braugewerbes lässt sich dazu nur kommentieren: 1. Mer muss och jünne künne (man muss auch gönnen können). 2. Wir Kölner sind ja immer stolz auf unsere Weltoffenheit. Als Herr Bär mitten auf dem Mittelmeer (Achtung: indirekter Pleonasmus!!!) auf einem Kreuzfahrtschiff an der Bar einmal ein „Newcastle Brown Ale“ orderte und ein britischer Passagier auf dem Barhocker neben ihm fragte, wieso er, Herr Bär, mit seinem spürbar deutschen Akzent in der englischen Aussprache der Bestellung, hier nicht nach deutschem Löwenbräu verlange, das gäbe es auf diesem Schiff doch auch, da entgegnete Herr Bär: deutsches Bier könne er doch in Deutschland überall trinken, aber wenn man schon mal woanders sei, solle man dort auch Spezialitäten probieren, die es zu Hause nicht gibt. Der britische Mit-Passagier war begeistert, gab Herrn Bär ein zweites „Newcastle Brown Ale“ aus, und Herr Bär kann sich rühmen, an der Bar jenes Kreuzfahrt-Schiffes mit einem Prost auf den heutigen King Charles III. als „Biertrinker des Jahres 2002“ zur Völkerverständigung beigetragen zu haben, und er empfiehlt daher allen lokalpatriotisch eingefleischten Berufskölnern, bei Aufenthalten in Düsseldorf ebenfalls solch einen guten Eindruck zu hinterlassen, indem sie bei geselligen Anlässen sich dort kosmopolitisch verhalten, was das Goutieren lokaler Spezialitäten anbetrifft. Dazu muss man aber über die kleinen, aber feinen Unterschiede Bescheid wissen: In Köln ist ein „Halver Hahn“ ein Röggelchen (Roggenbrötchen) mit mittelaltem Holländer Käse, in Düsseldorf hingegen mit Mainzer Käse.

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