Archive for Oktober, 2025

Baer aktuell 353 – 22. Okt. 2025

Donnerstag, Oktober 23rd, 2025

Bild des Monats Oktober 2025: „Die Stimme von Longerich“, 2025

Baer aktuell no. 353   – 22. Okt. 2025

Auch das ist Service: Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG publizieren bereits 2021 „Aufzugsstörungen ab sofort in Echtzeit“. Wer allerdings in der Domstadt mit den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB unterwegs ist, der stößt  unter kvb.koeln/fahrtinfo/betriebslage/aufzuege  zwar auch auf eine „aktuelle Übersicht der Aufzugstörungen“, dies aber nicht immer in Echtzeit, denn es könnte „sein, dass ein Aufzug im Laufe des Tages ausfällt und keine Meldung bei der Leitstelle der KVB eingeht.“ So, so. Doch die KVB wollen demnächst dennoch und frohen Mutes die Fahrscheinautomaten abschaffen und ihre Tickets nur noch via App vertreiben, was man einerseits mit einem Zitat des Komikers Helge Schneider als „digitale Altersdiskriminierung“ schelten kann, da womöglich nicht unbedingt jeder 93jährige Handybesitzer überhaupt weiß, was eine App ist und wie man sie nutzt, und man zum anderen befürchten muss, dass sie bei der KVB  die digitale Ticket-Abrechnung technisch nicht in Echtzeit hinkriegen, wenn die Leitstelle jetzt schon nicht alle notorisch defekten Aufzüge rund um die Uhr „in Echtzeit“ zu erfassen vermag. Denn falls die App nicht richtig funktioniert, riskiert man, im steckengebliebenen Aufzug beim Schwarzfahren erwischt zu werden.

Von sprachlichen Flapsigkeiten und von verbaler Polarisierung soll diesmal hier die Rede sein. Über Jan Böhmermann, von seinen Fans zu „Böhmi“ verniedlicht, behauptete der „Spiegel“, dessen Sendung „ZDF Magazin Royale“ zähle „zu den polarisierendsten Formaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Für Herrn Bär lässt sich eine Kontroverse über „Böhmis“ Hang zum Polarisieren in erster Linie an dessen handwerklich bedenklicher Vermengung von satirisch Gewolltem mit investigativjournalistisch Gemeintem festmachen, wobei der TV-Moderator „Böhmi“ in der Rolle des Journalistendarstellers immer wieder den Grundsatz von Hans-Joachim Friedrichs ignoriert, ein guter Journalist mache sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten. Nun beklagte sich „Böhmi“ in einem Interview mit dem „Spiegel“ kürzlich über die „ immer ängstlicher und schwammige Sprache in den Medien“. Das Hamburger Intelligenzblatt leistete sich in seiner jüngsten Print-Ausgabe zwar die sprachliche Flapsigkeit, den homo heidelbergensis als „Steinzeit-Dödel“ zu bezeichnen, aber darüber regte sich niemand auf, da urhistorisches Dödeltum im 21. Jh. offensichtlich nicht zur politischen Polarisierung taugt. Auch die Beobachtung eines „Spiegel“-Reporters, Frank-Walter Steinmeier habe frühmorgens mit „Schlafaugen“ vor dem Berliner Schloss Bellevue gestanden, rief keinerlei Shitstorm bei den notorischen Empörungsprofis hervor. Apropos Shitstorm: Das ZDF wollte sich eigentlich von „Böhmi“ getrennt haben, berichtete die BILD-Zeitung, soll sich dann aber wieder anders besonnen haben: „Das ZDF wird den Vertrag noch einmal um ein Jahr verlängern. Auch aus politischen Gründen, wie BILD erfuhr: Auf dem Mainzer Lerchenberg, dem ZDF-Sitz, hatte man Angst, in einen Shitstorm zu geraten, wie der Disney-Konzern in den USA nach der (vorübergehenden) Absetzung des Nacht-Talkers Jimmy Kimmel.“ Das Wort „Polarisieren“ wurde übrigens im 18. Jahrhundert von dem französischen Chemiker Étienne-Louis Malus geprägt, um die Ausrichtung von Lichtwellen aufgrund ihrer Schwingungsrichtung zu beschreiben.

Baer polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Wer einmal pünktliche Züge erleben will, der vertraue sich den Belgischen Eisenbahnen an, und er erlebt auch in Brüssel, Brugge und Blankenberge saubere Bahnhöfe, in denen Rolltreppen und Aufzüge tadellos funktionieren. Kommt man in Brugge mit Einheimischen ins Gespräch und offenbart ihnen, man käme aus Köln, sagen sie, Köln sei keine schöne Stadt, denn der Übergang von folkloristischer rheinischer Lässigkeit zu massiver urbaner Verwahrlosung hat sich mittlerweile auch bis nach Brugge herum gesprochen. Auf der Strandpromenade von  Blankenberge steht ein Denkmal aus der Zeit von König Leopold II, nämlich dem Jahr 1900, zum Gedenken an zwei 1892 im Kongo ermordete Kolonialoffiziere, und jemand hat die  gedruckte Texterläuterung um die handschriftlich notierte Frage ergänzt, warum die Frauenfigur zu den Füssen der Offiziere unbedingt nackt sein müsse. Es heißt, im Ersten Weltkerieg hätten deutsche Besatzungstruppen die Offiziers-Figuren geraubt.  Sie seien sann 1920 durch neue ersetzt worden, zusammen mit dem weiblichen Akt.  Soviel zum Thema Dekolonisierung in Belgien.

Im Spielcasino des belgischen Badeortes Blankeberge herrscht kein Krawattenzwang, denn schließlich ist dies ein „Strandcasino“, wie der Manager Herrn Bär erklärte. Allerdings muss man am Eingang seine Personalien angeben, auch seinen Beruf, und die Hostess an der Reception, die das Formular für Herrn Bär ausfüllte, warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und trug dann ohne weitere Nachfrage „Pensionair“ in die Rubrik ein. Herr Bär gewann an jenem Abend am Spielautomaten 31 Euro und besserte damit seine Rente auf. Wahrscheinlich verstehen sie in der deutschen Regierungskoalition unter „Aktivrente“ aber etwas anderes.

Der Schauspieler Tom Gerhardt liebäugelt mit einem Comeback seiner Kunstfigur des spießigen „Hausmeister Krause“ und lässt via „Express“ kein gutes Haar an den sprachpolizeilichen Umtrieben der Woke-Bewegung: „Es ist so lächerlich, wie von allen Seiten versucht wird, die Sprache und das Verhalten zu beschneiden… Der Wokismus ist rückwärtsgewandt und reaktionär, obwohl er das Gegenteil von sich behauptet. Das ist kleinbürgerlich, pedantisch und verklemmt, dazu noch autoritär.“ Eben wie Hausmeister Krause. Wobei wiederum der Kabarettist Dieter Nuhr befürchtet, wenn das mit der Wokeness so weiter ginge, dann „fangen auch noch die Rapper an zu gendern“. Zum Suchbegriff „Schlechte Witze“ findet man unter https://schlechtewitze.com/rap den „Rap-Witz“: „Was sagt ein Leprakranker Rapper? Was geht ab?“ Kommentiert wird im Netz dieser „Aua aua“-Witz mit sechsmal Daumen hoch und sechzehnmal Daumen runter. So sei als Schlusspointe an dieser Stelle ein Zitat von Herbert Feuerstein angefügt: „Jeder hat das Recht, verarscht zu werden.“ Rechte spießige Hausmeister ebenso wie von ihren Gegnern der Weinerlichkeit gescholtene linke Wokisten oder zu aggressiven Texten mit simpler Weltsicht neigende Rapper.

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Entrée „Stéphane Mallarmé“

Diese kleine Vorspeise widmet Herr Bär einem Dichter des französischen Symbolismus: Auf gesalzenen und gepfefferten Tomatenscheiben drapiert man Scheiben von hartgekochtem ein und darauf einen großen Klacks Joghurt mit ein wenig Senf, Salz und geraspeltem Sellerie.

Gefüllte Wachteln

Pro Person zwei Wachteln salzen und pfeffern, füllen mit Apfelstücken, Feigen, Maronen, grünen Pfefferkörnern, Thymian und reichlich zerdrücktem Knoblauch, Oberseite mit Knoblauchbutter bestreichen, im Backofen in einer Jenaer Glasschüssel bei 200 Grad garen lassen, bis die Oberseite gebräunt ist, in einem Sud aus Entenfond, Zwiebeln, Knoblauch, Feigen, Maronen, Apfelstücken, Sellerie und Thymian.

Perlhuhnbrust auf  marokkanische Art

Die gesalzenen und gepfefferten Perlhuhnbruststücke in einer Pfanne mit Zwiebeln auf beiden Seiten braten, dann aus einem Topf separat vorgekochtes Gemüse hinzufügen: Gedünstete Zwiebeln, Möhrenstreifen, Selleriestückchen, etwas rotem Gemüsepaprika, 1 kleingehackte Tomate, Fenchelstücken, Oliven, reichlich Knoblauch, gewürzt mit etwas Salz, Couscous-Gewürz, Harissasauce oder Chilisauce, frisch geraspeltem Ingwer, Thymian, gekocht in Zwiebel- oder Entenfond, abgerundet mit kroatischer Ajvar-Auberginen-Tomatenpaste oder mildem Paprikamark.