Archive for November, 2025

Baer aktuell 354 – 22. Nov. 2025

Samstag, November 1st, 2025

Bild des Monats November 2025: Jürgen Raap, „Die innere Freiheit“, Vorzeichnung und Untermalung, 2025

Bär aktuell – das einige Blog-Magazin, in welchem der Chefredakteur sich selbst interviewt.

Bär aktuell: Herr Bär, das Bild des Monats zeigt diesmal nur die Vorzeichnung und die Untermalung.

Bär: Jo jo.

Bär aktuell: Heißt das, Sie sind diesmal nicht rechtzeitig fertig geworden?

Bär: Enä.

Bär aktuell: Es heißt, Sie hätten für diese Untermalung als erster Farbschicht, die man Imprimatura nennt, ein Programm mit Künstlicher Intelligenz zu Rate gezogen?

Bär aktuell: Künstlerische Intelligenz. Dat Programm hätt mir jesaht, ich soll als Braunton Van Dyck-Braun nemme. Ich han en mingen Atelier  ävver jrad kein Van Dyck-Braun jehatt. Da han ich stattdessen Umbra-Braun, Ocker un Grüne Erde jenomme. Dat hätt dä Doof nit jemerkt.

Bär aktuell: Sie haben die Künstliche Intelligenz also ausgetrickst. Was ist das denn für ein Programm?

Bär: Ein chinesisches Malprogramm. Dat heißt „Wladimir“.

Bär aktuell: Wladimir? Ist das nicht ein russischer Name? Ein chinesisches Malprogramm mit Künstlicher Intelligenz, das einen russischen Namen trägt?

Bär: Jojo. Et soll ja keiner wissen, dat das us China kütt. Deswegen han die diese Künstlerische Intelligenz “Wladimir“ jenannt. Ävver ich mööch en jern wissen, wat för ne Doof dat Malprogramm trainiert hat. Dä Wladimir kann ja noch nit ens Van Dyckbraun vun Umbra-Braun unterscheiden. Da male ich ming Bilder lieber weiterhin selver.

Bär aktuell 354 – 22. Nov. 2025

Fotostrecke „Materialien zur Stadtbild-Diskussion“: Bahnhofsuhr Köln-Deutz Gleis 10 mit falscher Winterzeit im November, Urinspur in der U-Bahnpassage Dom/Hbf.- Andreaskloster, monatelange Rolltreppen-Baustelle U-Bahnstation Venloer Str. /Ehrenfeldgürtel, Graffiti in Kölner Altstadt, Fotos: Copyright J. Raap 

Materialien zur Stadtbild-Diskussion Wenn die Töchter von Friedrich Merz Punkt sieben Uhr abends zu Hause sein müssen, sollten sie sich nicht auf die Bahnhofsuhr in Köln-Deutz an Gleis 10 verlassen, die auf diesem Foto fünf vor sechs anzeigt, mithin 17.55 Uhr, obwohl es an jenem Novembertag zum Zeitpunkt der Aufnahme schon längst fünf vor sieben war (der nächste Zug nach Düren fuhr tatsächlich zwei (!) Minuten später um 18.57 Uhr ab). Warum aber am Aufgang zu Gleis 10 zudem ein Fahrplan hängt, dessen Auflistung nur Züge „ohne Gleis 9 und 10“ ankündigt, könnte den Merz-Töchtern auch niemand erklären, sollten sie jemals dort stranden und ratlos vor dem Fahrplan stehen. Sie bekämen keineswegs von Papa Merz den Hintern versohlt, weil sie eine Stunde zu spät zu Hause eintreffen und ihnen niemand glaubt, dass in Deutschland mittlerweile auch die Bahnhofsuhren falsch gehen, die früher mal als Inbegriff deutscher Verlässlichkeit und Pünktlichkeit galten. Die Prügelstrafe ist bekanntlich auch im Sauerland längst abgeschafft; es bestünde mithin kein Grund, mit einer Demonstration vor der Berliner CDU-Zentrale Solidarität für die Töchter von Friedrich Merz einzufordern, während hingegen im Iran erst im März diesen Jahres der iranische Popsänger Mehdi Yarrahi mit 74 Hieben ausgepeitscht  wurde, weil  der 26. Abteilung des Islamischen Revolutionsgerichts in Teheran Yarrahis Liedzeile „Leg dein Kopftuch ab, lass dein Haar frei“ missfiel. Töchter, die in anderen Ländern erst gar nicht das Haus verlassen dürfen, können nicht zu spät nach Hause kommen, auch wenn die Bahnhofsuhr die richtige Zeit anzeigt. Ein Kulturkampf hat immer auch etwas mit kultureller Überheblichkeit zu tun, und  ebenso mit einem rigorosen Konformitätsdruck, mit dem eine Gefolgschaft für diese oder jene Ideologie eingefordert wird. Kulturelle oder soziale Konkurrenz fördert Aggression, welche sich dann im Vandalismus ein Ventil schafft und völlig enthemmt einen entsprechenden Niederschlag im Stadtbild findet, in der Verschmutzung und in der Zerstörung. Wer Angst sät, will Macht über die Verängstigten gewinnen. Verwahrlosung ist dabei ein Zeichen von Kontrollverlust in jeder Hinsicht.

Schon die Alchimisten wollten unedle Metalle wie Blei oder Quecksilber zu Gold veredeln, und einer von ihnen namens Böttger habe 1708 dabei eher beiläufig das Porzellan in Europa erfunden, so heißt es. In China kennt man hingegen keramisches Porzellan bereits mindestens seit der Han-Zeit ab 260 v. Chr. Der Konzeptkünstler Piero Manzoni hat 1961 als seine persönliche Alchimie seine eigenen Exkremente als „merde d`artiste“ (Künstlerscheiße) in Konservendosen abgefüllt und zum Verkauf angeboten. Eine dieser Konzept-Skulpturen wurde 2016 in Mailand zu einem bisherigen Höchstpreis von 275.000 Euro versteigert. In einer kunsthistorischen Nachfolge zu Marcel Duchamp, der 1917 mit deklaratorischer Geste ein Pissoir-Becken aus Keramik aus dem Sanitärladen als Skulptur zu einer Ausstellung eingereicht hatte, damit das „ready made“  als Kunstwerk erfand und solchermaßen eine künstlerische Gleichwertigkeit des vorgefundenen massenhaften industriellen Fertigprodukts mit dem gestalterisch Geformten in der klassischen Kunst und im klassischen Design proklamierte, hat der Künstler Maurizio Cattelan nun für ein Mindestgebot von 10 Mill. Euro eine Skulptur in Form einer benutzbaren goldenen Kloschüssel zur Versteigerung angeboten (man erfreue sich an dieser Stelle am Satzbau, aber heute schreibt ja keiner mehr Sätze wie Thomas Mann). Die Festsetzung des Preises von 10. Mill. wird mit dem aktuellen Kurs für Gold und der verwendeten Goldmenge für das Klo  begründet. Im Falle von Manzoni wie Cattelan handelt es sich um eine gewollte Gleichsetzung des als edel und wertvoll Angesehenen auf der einen und des Banalen, Trivialen und eher Missachteten auf der anderen Seite – anders ausgedrückt: hier stehen sich Sakrales und Profanes ausgewogen gegenüber. Wo fußballerische Fankultur zur Ersatzreligion wird, erfahren erfolgreiche Trainer oder Spieler symbolisch eine mediale Heiligsprechung bei gleichzeitiger schnöder Kommerzialisierung. Ein 19jähriger Fußballspieler des 1. FC Köln namens Said el Mala, der noch vor einigen Monaten brav beim Drittligsten Viktoria Köln kickte, soll laut www.transfermarkt.de  jetzt aktuell im Falle eines erneuten Vereinswechsels einen Transferwert von 18 Mill. Euro haben. So  viel müssten z.B. der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der SG St. Germain Paris oder englische Top-Klubs an den 1.FC Köln zahlen, sollte dieser den Spieler vorzeitig aus seinem bis 2030 laufenden Vertrag zu einem anderen Club ziehen lassen. Da der FC Viktoria Köln wiederum für el Malas Wechsel zum 1. FC Köln von diesem dem Vernehmen nach nur 350.000 Euro Ablösesumme bekam, hat der mediale Hype mit einer nahezu sakralen Aura um den Spieler etwas Alchimistisches, zumal die Sportpresse kolportiert, der 19jährige Jungstar sei wie ein roher Diamant, der in seiner weiteren fußballerischen Entwicklung von den Trainern erst noch zurecht geschliffen werden müsse. Zum Vergleich der gesellschaftlichen Bewertung künstlerischer, sportlicher oder medizinischer Leistungen: ein Oberarzt an einer Uni-Klinik, der als Gefäßchirurg in einer mehrstündigen hochkomplizierten Operation das Bein eines Patienten vor der Amputation rettet, hat ein Jahreseinkommen von etwa 97.000 bis 124.000 Euro. Für den Transferwert eines talentierten 19jährigen Nachwuchsfußballers bekommen Sie auf dem Kunstmarkt also auch zwei goldene Kloschüsseln von Maurizio Cattelan, oder – wenn Sie doof genug dafür sind – zum Neuwertpreis von 24 Euro exakt 83.333 gebundene Ausgaben von Christian Lindners Denkschrift „Schattenjahre: Die Rückkehr des politischen Liberalismus“.

Bärs Bestatterkritik Wie die Kölnische Rundschau reportierte, geriet in der englischen Hafenstadt Hull der Bestatter Robert Bush ins Visier der Ermittlungsbehörden, weil man in seinem Keller Leichen fand. Das ist in einem Beerdigungsinstitut eigentlich nichts Ungewöhnliches; hier jedoch handelte es sich um Leichen, die eigentlich längst bestattet sein müssten. Bestatter Bush geriet somit in Verdacht, den Hinterbliebenen stattdessen nur leere Urnen ausgehändigt zu haben oder solche mit fremder Asche. Er muss sich nun wegen Betrugsverdachts juristisch verantworten. Es empfiehlt sich daher zumindest in der Hafenstadt Hull makabrerweise, vor der Beisetzung noch mal nach zu schauen, ob in der Urne auch alles drin ist, was dort hinein gehört.

Wer Albernheiten nichts abgewinnen kann, der grämt sich keineswegs darüber, dass Friseure inzwischen auf alberne Bezeichnungen ihrer Wirkungsstätte wie „Haarspalterei“, „Schnittstelle“ oder „Kopfsalat“ neuerdings lieber wieder verzichten und sich auch den nicht mindern albernen Ausruf „Yes we kämm“ verkneifen. Neue Wege der kuriosen Werbung geht unterdessen scheinbar ernsthaft  ein Figaro in Köln-Lindenthal, der seine Künste für „das anspruchsvolle Haar“ anpreist und  versichert, bei ihm gäbe es einen Haarschnitt „in Salonqualität“. So fragt sich Herr Bär einigermaßen ratlos,  welche handwerkliche Qualität man sonst noch in einem Friseursalon erwarten könnte. Dass da ein übermütiger „Haarlboro“ oder ein unbekümmerter „Haarpunzel“ seinem Kunden mit der Kettensäge den Schädel abrasiert und dies gemeinhin als „Kaiserschnitt“ in  „Salonqualität“ durch ginge, bezweifelt Herr Bär allerdings und beendet diese Glosse ebenso albern mit einem fröhlichen   „Haarlelujah“.

Mehr Baer aktuell unter http://blogkarljosefbaer.kallnbach.de/

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Garnelen-Cocktail „Duisburg-Hamborn“ Muss man eine Vorspeise nach Bärbel Bas benennen, bloß weil sie keine Gelegenheit auslässt, überall herumzuerzählen, sie käme aus Duisburg? Nicht unbedingt. Wohl aber nach dem Duisburger Vorort Hamborn, weil das erste Spiel des 1. FC Köln, das Herr Bär live im Müngersdorfer Stadion sah, 1962 in der damaligen Oberliga West gegen Hamborn 07 ausgetragen und vom FC 4:0 gewonnen wurde. Hier also das Rezept für den „Garnelen-Cocktail Duisburg-Hamborn“: In einer Sauce aus Joghurt, Meerrettich, etwas Chilipaste, Salz, Ingwer, einem Hauch frischem Knoblauch und ein paar Spritzern asiatischer Fischsauce Garnelen, Dill, Salbei, kleine grüne Paprikastücke, kleine Gurkenstücke und Gartenkresse miteinander vermengen.

Blumenkohl-Curry „Rösrath“ Wie gegenseitige kulturelle Aneignung mit anschließender Umdeutung über die Jahrhunderte kulinarisch funktionieren kann, beweist dieses Rezept: Der Blumenkohl stammt ursprünglich aus Kleinasien (Türkei), verbreitete sich dann auch an den Küsten der Levante (östliches Mittelneer), kam von dort durch venezianische Händler im Mittelalter nach Italien und vermutlich durch deren Handel mit Indien schließlich auch dorthin, wo das Curry-Gericht „Aloo Gobi“ mit Blumenkohl und Kartoffeln heute zu den Klassikern der indischen Küche zählt. Die von Herrn Bär kreierte Variante „Rösrath“ heißt nur so, hat ansonsten mit Rösrath nichts zu tun und besteht aus kleinen Blumenkohlröschen, die man zusammen mit Zwiebeln, dünnen Möhrenstreifen und Sesamkörnern in einer Pfanne in heißem Öl andünstet. Dann gibt man eine Paste hinzu, die man im Mixer aus grünem Gemüsepaprika (Spitzpaprika), einer Chilischote, klein gehackten Ingwerstücken und Knoblauch püriert hat, verrührt dies mit Gemüsebrühe, Kochsahne und Kokosmilch. Das Ganze lässt man kurz aufkochen und dann zusammen mit rotem Curry, gelbem Curry, Schwarzkümmel oder Kreuzkümmel und frischem Korinander ziehen bzw. dünsten , bis alles Gemüse weich ist.

Überbackener Porree „Opheylissem“ Opheylissem (französsch Hélécine) ist ein Dorf östlich von Brüssel genau auf der Sprachgrenze: auf der Hauptstraße spricht man in den Läden und Lokalen auf der nördlichen Straßenseite nur niederländisch (Flämisch-brabantisch), auf der anderen, südlichen Straßenseite hingegen nur französisch-wallonisch. Ein Klassiker der belgischen Küche: Ganze Porreestangen (nur den weißen Teil) in Salzwasser mit etwas Essig andünsten, dann nachsalzen, pfeffern, etwas Knoblauch, Dill und Schnittlauch hinzufügen, mit gekochtem Schinken umwickeln, mit kleinen Tomatenstücken und Emmentaler Schmelzkäse bestreuen und im Backofen erhitzen, bis der Käse geschmolzen ist.