Bär aktuell Nr. 143 —– 22. Sep. 2012

September 13th, 2012

Bitte beachten Sie folgenden Terminhinweis:

Donnerstag, 20. Sep. 2012, 20 Uhr: Krimilesung „Schieß noch einmal Sam“. Jürgen Raap liest aus seinem Krimi „Eigelstein-Blues“. Außerdem lesen Petra Reategui und Andreas Schnabel. Moderation: Evert Everts

Wo? Im Café-Bistro „Casablanca“, Glockengasse 64-66, Köln (Hotel direkt neben der Traditionskneipe „Kleine Glocke“).

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Als Thomas Gottschalk und Stefan Raab gemeinsam beim Konzert „40 Jahre Höhner“ auftraten, versuchte Gottschalk den Kollegen zu überreden, auch so ein bunt kariertes Jackett anzuziehen wie er. Doch Stefan Raab lehnte dankend ab: „Es reicht, wenn einer von uns beiden scheiße aussieht“. Der Lobbyist Moritz Hunzinger steckte den Grünen-Politiker Cem Özdemir vor einigen Jahren nicht in einen schlabbig-grellen Clownsanzug à la Gottschalk, sondern in seriösen edlen Zwirn. Trotzdem erhält Cem Özdemir nun den „Orden wider den tierischen Ernst“ im Aachener Karneval, wiewohl das Witzigste am Politiker Cem Özdemir ist, dass er in Leonberg einen Namensvetter hat, der unter eben diesem gemeinsamen Namen Cem Özdemir bei der Castingshow „Popstars“ auftrat und sich selbst mit den Worten charakterisiert: „Man kann zu mir alles sagen, aber nicht, dass ich kein Gas gebe. Ich gebe immer Gas“. Offensichtlich haben sie beim Aachener Karnevalsverein den Politiker Cem Özdemir mit dem Popstars-Kandidaten Cem Özdemir verwechselt, denn aus dem Munde eines Grünen-Politikers würde es sich schon reichlich schräg anhören, sich als Freund des schnellen Autofahrens zu outen, wo seinen Parteifreunden doch sonst eher die Krötenwanderwege am Herzen liegen. Aber so richtig lustig ist das letztlich auch nicht, und so kann man nur mutmaßen, dass die Latte für die Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ nicht sehr hoch liegt.

Mit der sächsischen Konsonantenerweichung hatte sich ein Gericht zu beschäftigen, das zu dem Urteil kam, bei der Buchung einer Reise müsse das Personal im Reisebüro sich darauf verlassen können, dass der Reisewunsch in verständlichem Hochdeutsch vorgetragen werde. Eine Frau aus Sachsen hatte nämlich ein Flugticket nach Porto in Portugal verlangt, jedoch ein Billett nach Bordeaux in Frankreich ausgehändigt bekommen, das sie laut Gerichtsurteil nun auch bezahlen müsse… Kommt einer im Leipziger Hauptbahnhof an den Fahrkartenschalter und sagt auf Hochdeutsch: „Ich hätte gerne eine Fahrkarte nach Paden-Paden“. Antwortet der Schalterbeamte: „Paden-Paden? Das haben wir nicht im Computer. Wollen Sie nicht lieber nach Perlin oder nach Premen fahren?“ Darauf der Sachse auf sächsisch: „Nu gut, dann äben noch Bärlin…“ Und er kriegt das richtige Ticket ausgedruckt. So funktioniert’s!

Ab und zu brauchen auch die Leistungsneurotiker in der FDP ein Ventil und dann frönen sie dem Glückspiel. Das wiederum freut den Glücksspielautomaten-Aufsteller Paul Gauselmann, der auf seiner Internetseite u.a. mit dem Slogan „Spielspaß mit kleinem Geld“ für seine Produkte wirbt, was insofern ein intelligenter Werbespruch ist, weil ja jedes Kind längst weiß, dass die großen Vermögen längst heimlich in die Schweiz abgeflossen sind. Die Gauselmann AG nennt ihre Spielhallen auch „Fun Center“, was übersetzt ein wenig wie „Freudenhaus“ klingt, und das passt ja irgendwie zur FDP, die selbst mal als „Spaß-Partei“ antrat, die sich aber nun laut ARD-Recherchen („Exclusiv im Ersten“) mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, dass „ein enger Berater des Glücksspiel-Automatenherstellers Gauselmann offenbar insgesamt 2,5 Millionen Euro in FDP-Tochterunternehmen investiert habe, wobei zumindest ein Teil des Geldes letztlich an die Partei geflossen sei“, wie bei „Spiegel online“ nachzulesen ist. Jener Berater soll „im Jahr 2007 Anteile einer Druckerei der FDP übernommen und 1,1 Millionen Euro in das Unternehmen investiert haben. Wirtschaftsexperten bezweifeln… den unternehmerischen Sinn der Investition, da die Rendite der Beteiligung – gemessen an den veröffentlichten Gewinnen der Gesellschaft – weit unter einem Prozent liege“. Vermutlich ist der bescheidene Ertrag jenes „kleine Geld“, mit dem man sich einen „Spielspaߓ an den Gauselmann-Automaten gönnen kann. Nun warten alle darauf, dass die FDP sich für eine komplette Steuerbefreiung bei Glücksspielgewinnen einsetzt. In Presseberichten ist in Zusammenhang mit dem Verkauf des Druckerei-Geländes durch die Bundes-FDP von „rätselhaften Finanzgeschäften“ die Rede, insbesondere was die Höhe des Kaufpreises angeht, was aber der FDP-Generalsekretär Patrick Döring bestreitet: angesichts der anschließenden Entwicklung auf dem Immobilienmarkt habe man aus heutiger Sicht das Grundstück „zu früh“ verkauft. Bisher stand jedenfalls immer nur die SPD im Ruf, sie könne nicht mit Geld umgehen.

© Raap/Bär 2012

 

Bild des Monats September 2012:

September 3rd, 2012

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„Herr Bär, Sie haben ein Sittenbild gemalt und widmen es dem Ballett und dem Boule-Spiel?“

Bär: „Jojo, et fängt ja beides mit „B“ an!“

„Und der Bischof als strenger Zuchtmeister mit dem erhobenen Stock in der Bildmitte?“

Bär: „Eijentlich sollte dä jo op däm Bild kräftig jejen de sieben Todsünden wettern, wozu man hückzedach jo och de Vergnügungssucht rechnen muss. Ävver dann verfällt och dä Bischof den Freuden des Daseins un mutiert zum Dirigenten, dä met däm Taktstock dä Ton zur Musik anjibt. So is dat Bild dann doch mehr zo ener Parabel üvver de moralische Anfälligkeit der Kirchenfürsten jeworden, dat och sie sich jerne zu Lustbarkeiten verführe losse…“

 Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Der halbe Severin III“, 2012

Bär aktuell Nr. 141/142

August 1st, 2012

Bär aktuell Nr. 141/142 ——- 3. Aug. 2012    / 3. Sept. 2012

 

Kein Wort an dieser Stelle über Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers kläglichen Versuch, sich mittels moralischer Entrüstung über „Datenhehlerei“ zur Schutzheiligen der Steuerhinterzieher zu stilisieren. Stattdessen lesen Sie hier etwas über Guido Westerwelles freimütigen Umgang mit Steuergeldern (es geht übrigens auch anders, wie es der Bundespräsident beim „Tag der Offenen Tür“ kürzlich positiv vorgemacht hat: keine üppige Sponsoren-Sause auf Schloss Bellevue wie früher üblich, sondern nur noch Würstchen aus dem Etat des Präsidialamtes…)

Auf Papptellern wie beim Picknick werden sie in den deutschen Botschaften bisher ja wohl nicht gespeist haben. Wozu also will Außenminister Guido Westerwelle die Botschaften mit neuem Tafelgeschirr für 4,7 Mill. Euro ausstatten? Hat da etwa einer die silbernen Löffel geklaut, so dass sie jetzt ersetzt werden müssen? Und wenn ja, wer macht so was? Doch wohl höchstens ein Bankettgast aus einem „Schurkenstaat“. Vielleicht ist das Besteck in den Botschaften aber auch noch immer vollzählig vorhanden und den Außenminister hat einfach nur die Lust am Geldverplempern übermannt. Für 4,7 Mill. Euro könnte man sich auch 407.000 elektrische Zahnbürsten Marke „Smart Guide“ zu je 99,99 Euro das Stück kaufen, wenn man doof genug dazu ist. Damit man sich nach dem Festbankett die Zähne putzen kann, wenn es beim Botschaftsempfang Heringsbrötchen mit Zwiebeln gegeben hat.

Ganz gerne so richtig krachen lässt es auch Franz-Peter Tebartz-van Elst, der als Bischof von Limburg Erster Klasse nach Indien fliegt und auf dem Flug Champagner schlürft, bevor er nach der Landung dort „soziale Projekte“ besucht. Herr Bär stellt sich vor, wie der „Luxus-Bischof“, so der „Express“ über den Limburger Kirchenfürsten, dann perlweinselig im indischen Armenviertel „Ora et labora“ predigt und den darbenden Schäfchen verkündet, wer arm sei, der sei auch „gnadenreich“, woraufhin diese sich verarscht fühlen müssten, hätten sie Kenntnis vom Lebensstil des Oberhirten. Denn weniger die göttliche Gnade, sondern offensichtlich den irdischen Komfort hat der genussfreudige Gottesmann nämlich auch sonst für sich selbst eher im Auge: „Prunk, Dünkel und Selbstverliebtheit“ meldete die „Rhein-Zeitung“ über sein Gebaren. Denn im heimischen Limburg lässt der snobistische Oberhirte mitunter sogar eine Rampe an der Bürgeransteigkante anlegen, damit seine „Limousine den Bordstein vor dem Dom erklimmen kann“. Tröstlich zu wissen, dass es trotz allem immer noch Orte gibt, die selbst ein Kaiser zu Fuß aufsuchen muss. „Prunk, Dünkel und Selbstverliebtheit“: die gleiche Etikettierung könnte allerdings auch auf Guido Westerwelle und seine Vorliebe für diplomatisches Prunkgeschirr angewendet werden.

Wer keinen Führerschein hat und mit einem geklauten Auto unterwegs ist, der sollte nicht auch noch besoffen sein. Diesen Grundsatz ignorierte ein 26jähriger, der auf der Aachener Autobahn A 4 als Geisterfahrer auf der falschen Spur entlang bretterte. Als die Polizei ihn an der belgischen Grenze schließlich stoppte und ihn zum Alkoholtest bat, hatte er 1,6 Promille im Blut. Außerdem wurde er schon seit längerem per Haftbefehl gesucht. Jetzt rätselt der Mann in seiner Gefängniszelle, was er wohl falsch gemacht hat.

 Auf dem Mauritiussteinweg in Köln firmiert ein Bio-Friseur. Was um aller Welt hat man sich unter einem „Bio-Friseur“ vorzustellen? Benutzt der nur Scheren aus garantiert biologischen Stahlwerken? Und wie hält es der „Bio-Friseur“ mit der „Nachhaltigkeit“? Haare einfach nachwachsen lassen oder was? Noch nie hat eine Berufsbezeichnung so viele Rätsel aufgegeben, findet Herr Bär.

Auch das noch: die Kölner FDP lädt für den 11. September 2012 ins „Weinhaus Süd“ zur „Liberalen Weinprobe“ ein. Bei dieser „Liberalen Weinprobe“ werden natürlich nur liberale Weine verkostet. Allerdings nicht für lau: wer mitzechen will, muss die klamme Parteikasse vorher mit 15 Euro auffüllen. Dafür gibt’s aber auch Autogrammkarten von Reiner Brüderle. Die verteilen sie aber erst nach dem vierten oder fünften Glas. Als Drei-D-Wackelbild. Die Gläser für die Weinprobe haben sie wohl in den deutschen Botschaften abgestaubt, wo sie jetzt aussortiert werden. Denn Westerwelle hat ja aus seinem Außenminister-Etat neues Prunkgeschirr angeschafft. Nach einer solchen Weinprobe sollte man aber nicht ohne Führerschein mit einem geklauten Auto als Geisterfahrer unterwegs sein. Denn wie das enden kann, ist ein paar Zeilen weiter oben nachzulesen.

© Raap/Bär 2012

 

Sonntag, 19. August 2012, ca. 12 Uhr:

Zur Finissage der Ausstellungen Mary Bauermeister – Retrospektive / Das grüne Haus

führt die Gruppe „Fehltwas?“ eine Performance auf. Mit Sigrid Balk, Siglinde Kallnbach, Jürgen Raap

Frauenmuseum Bonn, Im Krausfeld 10

Mittwoch, 12. Sept. 2012, gegen 12 Uhr mittags:

Jürgen Raap hält einen kulturphilosophischen Vortrag: „Karl-Josef Bär – Transzendenz zur Faulheit“

Akademie der Muße

Theater in der Orangerie, Volksgarten Köln, Volksgartenstr.

Freitag, 14. Sept. 2012, 16-18 Uhr 

Samstag, 15. Sept. und Sonntag 16. Sept. 2012, jeweils 16-19 Uhr:

Offene Ateliers  Köln linksrheinisch – Initiator: BBK Köln

Im Atelier Senefelderstr. 5 in Köln-Ehrenfeld zeigen

Siglinde Kallnbach – Fotografie, Projektkunst, Performance

Jürgen Raap – Malerei

Bild des Monats August 2012

August 1st, 2012

„Herr Bär, bei dem Ruderboot fehlen ja die Ruder!“

Bär: „Jo? Su ne Driss. Die han ich glatt verjesse!“

„Und wie soll die Dame in dem weißen Kleid jetzt mit dem Boot rudern?“

Bär: „Die rudert ja nit selbst. Dazu is die zu vornehm. Die wartet auf einen Kavalöres, der die über den See rudert“.

„Aber womit denn, Herr Bär?“

Bär: „Ich muss däm Kavalöres noch Bescheid sagen, dat dä die Ruder selbst mitbringen muss, weil et op däm Bild keine jibt“.

 

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Die Kanonen von Lüttich“, 2012

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Bärs Sammelbild – Titel: „Gedärme und Aberglaube“

Juli 22nd, 2012

Bärs Sammelbild - Titel: “Gedärme und Aberglaube”

bär aktuell nr. 140

Juli 22nd, 2012

 

Bär aktuell seit 8 Jahren!  Nr. 140                                            22. Juli 2012

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Wer an den Tolpatschigkeiten des Lothar Matthäus teilhaben will, der sollte die sechsteilige „Doku-Soap“ des Senders Vox „Lothar – immer am Ball“ nicht versäumt haben. Als Matthäus es nämlich schafft, bei der Frühstückszubereitung das Rührei in der Pfanne gehörig anzubrennen, da kommentiert seine derzeitige Lebensgefährtin, das polnische Unterwäschemodel Joanna Tuczynska, die küchentechnische Fehlleistung mit den Worten: „Ich sehe das erste Mal in meinem Leben so scheiße Eier“. Möglicherweise kümmert sich sonst Freundin Joanna ums Frühstück, doch vor laufender Kamera glaubte Lothar Matthäus, ausnahmsweise selbst am Herd stehen zu müssen, und – man hat es ja fast schon vorher gewusst –  es ging mit viel Qualm mal wieder alles gründlich schief. Dass diese Doku-Soap uns Lothar Matthäus so zeigen wollte, wie er wirklich ist, glaubt Herr Bär aufs Wort. Die TV-Kritik sprach indessen von einem „Eigentor“ und einer „Selbstdemontage“ und zitierte den Vox-Chefredakteur Kai Sturm, er sei „nicht wirklich glücklich“ mit diesem filmischen Porträt. Denn schließlich hatte man Matthäus vorher versprochen, er werde sich mit der Ausstrahlung der Sendung nicht blamieren, aber offensichtlich gab es niemanden, der dem unbeholfenen Fußballtrainer geholfen hätte, sich vor sich selbst zu schützen. Immerhin schwante Lothar Matthäus bereits vor Drehbeginn, dass unfreiwillig clowneske Szenen wohl kaum für eine Selbststilisierung zum Helden tauglich sind: „Man weiß ja nie, wie die Öffentlichkeit in Deutschland auf solche Geschichten reagiert“.

 

Als Herr Bär durch den Schlosspark von Brühl lustwandelte, lockte ihn ein Schild in die Orangerie des Schlosses: „Letztmalige Ausstellung russischer und ukrainischer Künstler zu interessanten Preisen“. Zu sehen waren Bilder unterschiedlichster Stilrichtungen sowohl von virtuosen Könnern als auch von hemmungslosen Dilettanten. Als Herr Bär Interesse an einem Bild im Stil des phantastischen Realismus zeigte und sich bei der Aufsicht führenden Dame erkundigte, wer dies denn gemalt habe, da antwortete sie, Informationen zur Biografie des Künstlers gäbe es erst dann, wenn jemand das Bild gekauft habe. Schließlich sei sie nicht aus Russland nach Brühl gereist, um hier russische Künstler mit ihren Namen bekannt zu machen, sondern sie wolle diese Bilder lediglich verkaufen. Herr Bär entgegnete, dass im westlichen Kunstbetrieb das eine ohne das andere nicht ginge, doch dies weckte bei der Dame aus Russland keineswegs Zweifel an der Zweckmäßigkeit ihrer Geschäftsstrategie. Mit solchen Argumenten kann man freilich allenfalls Lothar Matthäus ein Bild andrehen. Nur wenn man sich in Afghanistan einen Teppich kauft wie jüngst der Minister Dirk Niebel, will man nicht wirklich wissen, welch zarte Hand ihn eigentlich geknüpft hat.

 

Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Wer am Stuttgarter Hauptbahnhof mit der S-Bahnlinie 2 oder 3 losfährt, der sieht  kurze Zeit später  an der Haltestelle „Oberaichen“ ein kleines Hotel, das sich „Hotel Bahnhöfle“ nennt. Herr Bär allerdings nächtigte im „Grand Hotel City Airport“, das aber von außen sichtbar nur drei Etagen hat und somit Herrn Bär zu dem Ausruf veranlasste: „Das soll ein Grand Hotel sein?“ Heißt „Grand“ denn nicht „groߓ? Müsste dieses Etablissement mithin sich nicht lieber auf schwäbisch „Hotel Airpörtle“ nennen? Um jedoch trotzdem den Begriff Grand Hotel zu rechtfertigen, haben sie im Aufzug bei der Etagennummerierung mit dem Zählen erst bei „3“ angefangen: man kann dort auf „E“ wie Erdgeschoss drücken, oder aber auf die Etagen „3“, „4“ oder „5“. So machen sie also aus einem dreistöckigen Gebäude ein fünfstöckiges. Ganz schön pfiffig, diese Schwaben. Herr Bär nächtigte in Zimmer 316 „im dritten Stock“, wie man ihn an der Rezeption einwies, was sich jedoch kurze Zeit später beim Blick aus dem Fenster als ein Zimmer im ersten Stock entpuppte, wie Herr Bär bereits vermutet hatte. Daher erkundigte sich Herr Bär anderntags an der Rezeption, wieso denn hier die erste Etage als die dritte gezählt werde, und der Rezeptionist klärte Herrn Bär auf, in einem anderen Gebäudetrakt gäbe es noch „zwei halbe Etagen“. Das seien der erste und der zweite Stock, und um die Gäste nicht zu irritieren, bezeichne man daher in jenem Gebäudeteil, in dem Herr Bär untergebracht sei, den ersten Stock als den dritten. „Zwei halbe Etagen? In einem Grand Hotel?“ Herr Bär wunderte sich doch sehr. Da ist mit dem Architekten wohl die typisch schwäbische Sparsamkeit gründlich durchgegangen.

 

© Bär/Raap 2012 alle Rechte an Text und Bild vorbehalten

Bild des Monats – Die goldene Kammer

Juli 8th, 2012

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Bild des Monats Juli 2012

 „Herr Bär, auf Ihrem letzten Bild ist der Schäl als Stockpuppe im Kölner Hänneschen-Theater zu sehen. Sie hatten versprochen, im nächsten Bild auch den Tünnes zu verewigen“.

Bär: „Voilà!“

„Der Tünnes ist die größere Figur in dem blauen Wams?“

Bär: „Ija. Dat is die traditionelle Arbeitskleidung der kölschen Arbeiter, der Tagelöhner un Handlanger, zum Beispiel vun dä ‚Ringroller’, die früher am Rhein die Fässer vun denne Lastkähne op dä Kai erunger rollten. Dä Tünnes ist in dä kölschen Volksmythologie dä sinnenfrohe Triebmensch met enem bäuerlichen Einschlag, und dä Schäl ist dä hinterfotzige Kulturbürger un hätt deswejen ne schwazze Frack an.“

„Und wenn man eine echte Posse erleben will, muss man ins Hänneschen-Theater gehen?“

Bär: „Oder in et Rathaus. Die aktuelle Kölner Kulturpolitik is ja burlesker als jeder Schwank op dä Theaterbühn’“.

„Kulturpolitik? Gibt es so was überhaupt in Köln?“

Bär: „Mer künnten als Kulturmetropole ja Weltstadt sein, aber wat will man dann noch erreichen? Der typische Kölner Kulturpolitiker lebt lieber mit dem Jeföhl, dat sich eher im Scheitern die wahre menschliche Größe offenbart…“

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Die goldene Kammer“, 2012

 

 

Bärs Sammelbild

Juni 22nd, 2012

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 „Herr Bär, unten rechts im Bild, das ist doch der Schäl als Stockpuppe im Kölner Hänneschen-Theater?“

Bär: „Jojo…“

„Und wieso ist der Tünnes nicht auch im Bild zu sehen?“

Bär: „Dä spar’ ich mir für dat nächste Bild auf. Dat is ökonomisch sinnvoller. Wenn einer Tünnes und Schäl zesamme han will, dann muss dä gleich zwei Bilder koofe“.

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Phasen der Nacht“, 2012

Bär aktuell Nr. 139

Juni 14th, 2012

 

Bär aktuell Nr. 139                                                         22.Juni 2012

Ist Dirk Niebel als „der Teppichkäufer Ihres Vertrauens“ zu empfehlen? Wer die Niebelschen Usancen des Teppichschmuggels für einen akzeptablen methodischen Beitrag zum freien Welthandel ohne Zollschranken und als Musterbeispiel für eine gelungene wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afghanistan hält, der wird diese Frage womöglich bejahen. Dass der Bundesnachrichtendienst BND als Paketdienst zuverlässiger arbeitet als die Deutsche Post mit ihrem DHL-Service, ist nicht nur im Falle des Niebelschen Teppichtransports aus Afghanistan erwiesen: Herr Bär ärgert sich immer wieder über faule Paketboten, die die Ware erst gar nicht ausliefern, sondern einfach nur eine Abholkarte in den Hausflur werfen. Abholen muss man den zusammengerollten Teppich dann selber in einem mehrere Kilometer entfernt gelegenen Paketamt. Oder bei der Zollfahndung. 

Wenn Lenins geflügeltes Wort zutrifft, der deutsche Revolutionär löse erst einmal eine Bahnsteigkarte, bevor er einen Bahnhof besetze, dann gewiss auf die juvenilen Mitstreiter der Kasseler Piratenpartei. Als das ebenfalls geflügelte Wort der documenta-Leiterin Carolyn Christov-Barkargiev die Runde machte, sie setze sich für ein „Wahlrecht für Hunde und Beeren“ ein, setzten die lokalen Freibeuter dies auf ihre Weise flugs in die politische Praxis um und pinselten am Rande des Friedrichsplatzes eifrig Plakate für eine Demonstration gegen genmanipulierte Erdbeeren. Freudestrahlend versicherten die sonst als meinungs- und ahnungslos bekannten Nachwuchs-Rebellen, sie hätten sich für ihre Demonstration des Wohlwollens der Kasseler Sozialdemokraten versichert. Es sind schon komische Zeiten, in denen solche „Piraten“ eher recht brav und niedlich wirken und Widerborstiges stattdessen aus dem Munde des Bischofs von Fulda Heinz-Josef Algermissen zu vernehmen ist: er komme „nicht damit klar, dass die documenta-Leiterin“ die Skulptur des Künstlers Stefan Balkenhol auf dem Turm der St. Elisabethkirche als „zerstörerischen Akt bezeichnet“ habe.

Doch auch der Donner des Bischofsworts rief Widerspruch hervor: Ein bekannter Kasseler Kunstprofessor plädiert nämlich für einen „Schonraum“ in der Stadt zugunsten der documenta. Deswegen sei das Balkenhol-Werk auf dem Kirchturm in Sichtweite des Museum Fridericianum „zu nah dran“ an der documenta-Kunst. Und weiter führt der Hochschullehrer aus, der Künstler Stephan Balkenhol habe ja alles daran gesetzt, um als Teilnehmer zur documenta eingeladen zu werden, und als dies dann nicht geschehen sei, habe er als Alternative den Kirchturm gewählt.

Nachts ist die Balkenholsche Holzskulptur eh nicht als Kunstwerk zu erkennen. Ein Nachbar glaubte gar, da wolle sich im Dunklen ein Selbstmörder vom Kirchturm stürzen und ließ die Feuerwehr mit einem kompletten Löschzug anrücken.

Unterdessen führte die Künstlerin Siglinde Kallnbach zur documenta-Pressekonferenz eine Protest-Performance „ToleRance“ vor der Kasseler Stadthalle durch und stand dabei drei Stunden im Regen: „Noch nie habe die künstlerische Leitung so viel Einfluss genommen, dass bestimmte Kunst verschwindet“, beklagte sich Kallnbach. Denn die evangelische Kirche kuschte windelweich vor den Begehrlichkeiten der documenta-Leitung und sagte eine Installation von Gregor Schneider ab.

Immerhin gönnen sich die betulichen Protestanten vor ihrem „Haus der Kirche“ auf der Wilhelmshöher Allee als Kunst-Ersatz ein offenes Designer-Häuschen aus gelb gemustertem Plexiglas als Witterungsschutz für Raucher, denn immer häufiger heißt es ja für die Nikotinanhänger: „Wir müssen leider draußen bleiben“. Das gilt auch für den gemeinen Straßenköter, der nicht in die documenta-Hundeschule in der Karlsaue darf, wenn Herrchen keine Tageskarte zu 20 Euro gelöst hat. Wer glaubt, in diesem „Dog Run“-Parcours des Künstlers Brian Jungen werde als praktische Umsetzung von Christov-Bakargievs Kritik am anthropozentrischen Welt- und Menschenbild nun Staatsbürgerkunde für wahlberechtigte Vierbeiner geboten, wird enttäuscht. Die Hunde balgen dort nämlich nur herum wie auf jeder anderen Hundewiese auch.

Die Stadt Kassel habe den gesamten öffentlichen Raum für die Zeit der documenta reserviert, und im Rathaus musste man dafür sorgen, dass das übrige „Kasseler Kultursommer 2012“-Programm räumlich und zeitlich nicht mit der „d 13“ kollidiere, erfuhr Herr Bär hinter vorgehaltener Hand. Verhindern ließen sich andere künstlerische Umtriebe damit trotzdem nicht: So zelebrierte z.B. die Performancegruppe „Deutsches Schwein“ auf dem Bahnhofsvorplatz eine „performative Verkündungszeremonie mit ziehbarer Videoinstallation“.

Weil die documenta-Leiterin gerne alles im Vagen lässt und sogar stolz darauf ist, kein Konzept zu haben, verpassten ihr die Studenten der Kasseler Kunsthochschule den Spitznamen „Missis Maybe“. Die Studenten sehen sich ansonsten ebenfalls als Opfer der rigiden lokalpolitischen Raumordnungspolitik: ihre Fahrradwerkstatt in einem mit Baumstammbrettern vernagelten Schuppen dürften sie derzeit nicht benutzen, so erzählen sie, denn ihr Rektor Christoph Philipp Müller sei der Ansicht, das Aufziehen neuer Fahrradschläuche lenke zu sehr von seinem eigenen documenta-Beitrag ein paar Meter weiter ab, einer Brücke aus Booten über den Kanal in der Karlsaue, die mit verschiedenen Sorten Mangold-Pflanzen bestückt sind.   © Raap/Bär 2012

baer aktuell 137/138

Mai 28th, 2012

 

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Copyright Karl-Josef Bär/Jürgen Raap 2012

Bär aktuell Nr. 137/138  www.karljosefbaer.kallnbach.de   3. Juni 2012

Früher hatten die Päpste die Deutungshoheit über die Kunst. So legte z.B. Papst Clemens XII. im Jahre 1732 die Zahl der Kreuzwegstationen auf 14 fest, und seitdem beschränkt sich auch die Anzahl der Bilder in Kirchenräumen, die die Passionsgeschichte verbildlichen, auf vierzehn Darstellungen. In Kassel hingegen bestimmen heute der documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld und die künstlerische Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev, was während der documenta im Sommer 2012 in den lokalen Kirchen an Kunst gezeigt werden darf, nämlich am besten nichts bzw. höchstens nur das, was mit dem Kunstverständnis der documenta-Leiterin konform geht. So beklagten sich Leifeld und Christov-Bakargiev über eine Skulptur des Künstlers Stefan Balkenhol auf dem Turm der St. Elisabeth-Kirche am Kasseler Friedrichsplatz. Das Werk störe „erheblich“, die documenta-Leiterin fühle sich durch das Werk gar „bedroht“.  Hm, hm, wieso kann der Anblick solch eines harmlosen Kunstwerkes eine Bedrohung auslösen? Bedroht wird man durch Bombenleger oder Straßenräuber, aber doch nicht durch eine Skulptur auf einem Kirchturm! Da hat der Herr Leifeld sich hinsichtlich des semantischen Bedeutungsgehalts wohl ein wenig in der Wortwahl vergriffen. Die evangelische Kirche gab dem Druck der documenta-Leitung nach und beugte sich den Zensurmaßnahmen – eine Installation von Gregor Schneider wurde abgesagt. Die katholische Konkurrenz hingegen blieb standhaft und zog ihre Stefan Balkenhol-Ausstellung durch, was der documenta-Geschäftsführer mit seinen päpstlichen Allüren und als Freund starker Worte wiederum „respektlos“ findet. Wieso sollen Künstler, die nicht zum offiziellen Programm der documenta gehören, dieser Veranstaltung Respekt zollen und auf eine Ausstellung ihrer Werke an einem anderen Ort in Kassel verzichten? Das wäre ja so, als würde z.B. der Bäcker Merzenich von der Konkurrenz der „Backwerk“-Kette den Respekt einfordern, auf den Verkauf von Brötchen zu verzichten. Während in diesem Falle die liberalen Wettbewerbsfetischisten sofort aufschreien würden, die freie Marktwirtschaft sei in Gefahr, hört man von den Parteigängern dieser Ideologie nichts über die Freiheit der Kunst. Und wem gehört der öffentliche Raum der Stadt? Immerhin geht es hier nicht darum, ob ein Bierbus mit grölenden Junggesellenabschiedsfeierinsassen während der documenta imageschädigend durch Kassel kurven dürfte, sondern um einen künstlerischen Richtungsstreit: man sagt der documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev nämlich eine Aversion gegenüber figurativer Kunst nach; zumindest tut dies Veit Görner, Leiter der Hannoveraner Kestner-Gesellschaft, der der documenta-Kuratorin „Größenwahn“ unterstellt und es für „unverzeihlich dumm“ hält, dass sie meine, „sie müsse alles abräumen, was figürlich ist“.

Veit Görner wiederum ist an einer Veranstaltung beteiligt, die sich „Made in Germany“ nennt, zeitlich parallel in Hannover diverse Kunstorte bespielt und deswegen als Konkurrenzveranstaltung zur documenta gilt, und dies eben auch im Buhlen um Besucherzahlen, so dass Görners harsche Erwiderung durchaus als Beitrag zum marktwirtschaftlichen Wettbewerb gelten kann, wie auch sonst der ganze verbale Streit um die Deutungshoheit der Kunst in Kassel von denen, die ihn angezettelt haben, gut getimt ist, rechtzeitig vor der Eröffnung der documenta und vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft am gleichen Juni-Wochenende: denn wer interessiert sich noch für die Freiheit der Kunst in Kassel, wenn erst mal in der fernen Ukraine die geschossenen Tor bejubelt werden?

Sie wolle auf der documenta „wirtschaftskritische Kunst“ zeigen, hatte Carolyn Christov-Bakargiev angekündigt. Bildnerische Attacken auf den neoliberalen Heuschreckenkapitalismus kann man a priori ja nur gutheißen, aber wer sich als kuratorischer Trittbrettfahrer an die Occupy-Bewegung anhängt, der sollte dann bloß nicht verlangen, dass Stefan Balkenhol seiner Skulptur ein Josef-Ackermann-Geldtäschchen umhängt, damit sie als „wirtschaftskritisch“ gelten kann. Was nun in diesem Zusammenhang die Bigotterie des Ganzen angeht, so ging es vielleicht dem documenta-Gründer Prof. Arnold Bode in den 1950er und 1960er Jahren noch wirklich um die Kunst und um ihre Freiheit, nach den Verfolgungen in der Nazizeit, denn auch der Künstler Arnold Bode hatte in der NS-Zeit Berufsverbot und musste sich als technischer Zeichner im Architekturbüro seines Bruders durchschlagen, und mit der documenta-Ausstellung wollte er seinen Zeitgenossen die vor 1945 in Deutschland verfemte Moderne nahe bringen, während es heute dem Stadtkämmerer im Kasseler Rathaus vor allem um die Gewerbesteuereinnahmen geht, die die wirtschaftlichen Sekundäreffekte des Spektakels mit sich bringen. Denn blieben solche refinanzierenden Steuereinnahmen aus, würden weder die Stadt Kassel noch das Land Hessen die documenta mit ihrer „wirtschaftskritischen“ Kunst finanzieren. Auch bei diesem Knatsch, der zum Richtungsstreit über non-figurative und figurative Kunst hochgejubelt wurde, werden also letztlich wieder die Krämerseelen über die Ästheten triumphieren.

 © Bär/Raap 2012

 

In Pulheim darf die „KG Ahl Häre“ (Alte Herren) im kommenden Jahr den Prinz Karneval stellen. Der designierte Prinz namens Harald Müller ist pikanterweise Hausmeister in einem Kölner Großbordell und ließ beim närrischen Volk erst gar keine Zweifel an seiner Seriosität aufkommen: er sei in der Bordellkaserne für „Umbauten und Technik“ zuständig und organisiere „das Golfturnier“; aus dem „operativen Geschäft“ halte er sich jedoch heraus. Bei den „Ahl Häre“ herrscht jetzt schon eitel Freude: Prinz Harald kündigte nämlich an, im Laufe der Session mit seinem Gefolge auch die Tabledance-Bar des Puffs aufzusuchen: „Das ganze Regiment kommt vorbei“.                                                                          © Bär/Raap 2012

 

Bärs Bestatterkritik Was tut sich Neues in der Kölner Bestatterszene? Nicht ganz auf der Höhe der Zeit befindet sich derzeit das „Bestattungshaus Pilartz“, das sich zwar rühmen darf, seit 1864 alle Kölner Erzbischöfe unter die Erde gebracht zu haben, aber auf seiner Internetseite unter der Rubrik „Aktuelle Veranstaltungen“ im Mai 2012 immer noch darüber informiert, dass im November 2011 im Ballhaus Wolkenburg ein „Fest für alle Sinne“ mit dem Titel „lebensart boulevard“ ausgerichtet wurde. Unter den „besten Adressen aus den Bereichen Mode, Wohnen und Kulinarik“ war auch das Bestattungshaus Pilartz mit einem Informationsstrand zum Thema „Vorsorge“ vertreten. Aber wer will das ein halbes Jahr später noch wissen? Rührig wie immer ist auch der Bestatterkollege Christoph Kuckelkorn. Er ließ kürzlich die Kabarettistin Emma Boos „amüsante Geschichten“ auf kölsch vortragen, die mit „Lück sin och Minsche un Dummheit is och en Gabe Gottes“ überschrieben waren. Anschließend lud Kuckelkorn noch „zu einem Umtrunk in unsere neuen Geschäftsräume“ in Köln-Brück ein. Aus der Schaufensterdekoration an der innerstädtischen Zentrale seines Bestatter-Imperiums ist der legendäre „Jackenengel“ mittlerweile verschwunden. Die „lebensfrohen Fotografien“ von Joachim Rieger im Schaufenster sind mit Texten von Rainer Maria Rilke kombiniert, über den bei Wikipedia nachzulesen ist, ausgerechnet Sigmund Freud habe über ihn behauptet, Rilke sei ein „im Leben ziemlich hilfloser Dichter“ gewesen. Passt Rilke allein schon deswegen ins Schaufenster eines Beerdigungsinstituts? Weiter heißt es bei Wikipedia, Rilke sei „für ein bürgerliches und ortsgebundenes Familienleben nicht geeignet“ gewesen, und so mag man nun glauben, dem Bestatter Kuckelkorn und dem Fotografen Rieger ginge es darum, das Schaufenster von einem Hauch unbürgerlicher Künstler-Bohème in Form von Rilke-Zitaten durchwehen zu lassen. Unterdessen bot in der Trauerakademie von Fritz Roth die Schlagersängerin Katja Ebstein einen Liederreigen unter dem für eine Trauerakademie recht passenden Leitmotiv „Na und, wir leben noch“ dar. Für den 31. Mai 2012 ist im Bestattungshaus Pütz-Roth auch noch ein „Karl Valentin-Abend“ mit Martin Müller-Reisinger angekündigt, und für den 9. Juni 2012 schließlich eine „Tagesfahrt mit Fritz Roth nach Schloss Anholt und Umgebung“, und dies „im komfortablen Reisebus“. Über die „kölsche Weihnacht 2012“ mit der Karnevalsband „Die Paveier“ meldet Fritz Roth allerdings, sie sei jetzt im Mai 2012 schon ausverkauft. Wer innerhalb des Veranstaltungsangebots der Kölner Bestatterszene dringend nach einer unterhaltungskulturellen Alternative für die Adventszeit sucht, der hofft, dass Konkurrent Pilartz bis dahin seine Internetseite aktualisiert hat.

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