Bär aktuell Nr.241

April 1st, 2018

Bär aktuell Nr.  241   – 22. April 2018

Bild des Monats April 2018:

Jürgen Raap, „Die Äbtissin von Fühlingen“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2018

Bär aktuell Nr. 241    –  3. April 2018

Wenn Herr Bär sich in den nächsten Tagen ins beschauliche Dansweiler begibt, bleibt an Herrn Bärs Smartphone die GPS-Ortung deaktiviert, denn erstens weiß Herr Bär immer, wo er ist und zumindest auf dem Weg nach Dansweiler weiß er ebenso, wo und wie es weiterhin langgeht und braucht daher kein GPS auf dem Handy, und zweitens geht es weder den Mark Zuckerberg noch Cambridge Analytics etwas an, wo Herr Bär sich gerade aufhält, und ob Herr Bär nach Dansweiler fährt, um dort Geld auszugeben oder um dort Geld zu verdienen. Wenn nun an dieser Stelle behauptet wird, der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sei zwar ein Erzkapitalist, aber er sähe nicht aus wie ein solcher, wie man ihn früher in Karikaturen dickbäuchig und mit Zigarre darstellte, sondern eher so wie der Schatzmeister des Ortsvereins der Grünen von Dansweiler, dann möchte Herr Bär in Zukunft nicht von Cambridge Analytics mit Wahlwerbung der Grünen von Dansweiler bombardiert werden. Und da Herr Bär in jungen Jahren die marxistische Mehrwerttheorie begriffen hat und um den pekuniären Wert beim Handel mit Informationen im digitalen Zeitalter weiß, schleudert Herr Bär Herrn Zuckerberg und Cambridge Analytics bei deren Versuch, Informationen über Herrn Bär abzugreifen, ein Zitat der Kölsch-Band „Brings“ entgegen: „He jitt et nix för lau“ (Hier gibt es nichts umsonst). Deswegen beteiligt sich Herr Bär grundsätzlich nicht an sozialen Netzwerken; er hat kein Facebook-Konto, twittert nichts, liked/bewertet, teilt und postet nichts, womit andere Geld verdienen könnten und Herrn Bär leer ausgehen lassen. Im Übrigen findet Herr Bär es höchst merkwürdig, dass man in Deutschland in jenen Kreisen, in denen man um urbane Weltläufigkeit bemüht ist, den Namen „Zuckerberg“ immer auf englisch als „Sackerbörg“ ausspricht, denn hier zu Lande kommt ja sonst auch kein Mensch auf die Idee, den Namen der Hauptstadt Frankreichs phonetisch auf französisch, nämlich „Pari“, zu artikulieren, sondern es heißt „Paris“, und Konrad Adenauer pflegte sogar beharrlich „Pariss“ zu sagen. In Frankreich sprechen sie den Zuckerberg übrigens phonetisch als „Sückerbersch“ aus und nicht als „Sackerbörg“.

Der Kreisverband der Kölner Grünen gibt eine Postille mit dem Titel „Mach et“ heraus. Erbauliches ist dort selten nachzulesen, doch für die jüngste Ausgabe hatten sie einen Marketing-Papst interviewt, der ihnen zum Stichwort „Populismus“ zu bedenken gab, die Grünen seien ja überhaupt nicht populistisch, denn sie erreichten das Volk nicht mehr, wenn sie den Leuten alles verbieten wollten, was eben das Volk so schätze, nämlich Fleischverzehr, Alkohol, Rauchen, Auto fahren und sonstiges Ausleben in Saus und Braus. Deswegen hielte die Stimme des Volkes („vox populi“) die Grünen für elitär, und wollten sie in Zukunft Wahlen gewinnen, müssten sie sich bodenständiger geben. Das nahm sich in jener Postille ein paar Seiten weiter ein Autor zu Herzen, der Selbstkritik übte und einen Versuch unternahm, der Elitenfeindlichkeit im wutbürgerlichen Volk Paroli zu bieten, indem er das Desinteresse der Grünen an Sportevents und auch ihre sonstige Neigung zur Unsportlichkeit beklagte und ihnen deshalb riet, sie möchten sich doch wenigstens am „Bickendorfer Büdchenlauf“ beteiligen. Der „Bickendorfer Büdchenlauf“ gilt schon deswegen als bodenständig, weil der Name suggiert, dass man hier von Büdchen zu Büdchen läuft: das sind Kioske, die man in der Ausschilderung etwas vornehmer auch als „Trinkhallen“ etikettiert, in Köln vulgo als „Bierbud“, und das bedeutet: der „Bickendorfer Büdchenlauf“ findet immer hart an der Bierflasche statt und ist somit eine wahlkampftaktische Herausforderung an die Grünen: denn wer von ihnen beim Zwischenstopp „Bionade“ trinkt statt Bier, der gilt als elitär und hat schon wieder von vorneherein die nächste Wahl versemmelt, wenn man dem Marketingpapst glauben darf.

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär:

Asiatischer Kaviarsalat à la Karl-Josef Bär

Roten Lachskaviar oder gelben Felchenkaviar sowie 1 Sardellenfilet mit Olivenöl, etwas Sesamöl, geriebenem weißen Rettich, Lauchzwiebeln vermengen, vorsichtig mit Chili, geriebenem Ingwer und Curry würzen, mit Zitrone, süßem japanischen Essig und Fischsauce abschmecken, vor dem Servieren mit frischen Minzblättern bestreuen.

Artischocken

Als Kulturpflanze sind Artischocken größer und ausdauernder als die wild wachsende Variante. Erste historische Erwähnungen finden sich in römischen Quellen, verbreitet ist sie von den Kanarischen Inseln über den gesamten Mittelmeerraum bis in den Iran. Nördlich der Alpen, d.h. in Frankreich und Großbritannien, kennt man Artischocken seit dem 15. Jh. durch Importe eines Händlers aus Florenz. Essbar sind nur die unteren fleischigen Teile der Blätter und die Blütenböden. Klassischerweise kocht man sie 20 bis 40 Minuten in Salzwasser mit etwas Zitronensaft. Man zupft die Blätter einzeln ab und tunkt sie zum Verzehr in einen Dip, das ist entweder eine Senf-Vinaigraite mit Essig, Senf, Schnittlauch, etwas Estragon und bei Bedarf auch Kapern, oder aber eine Sauce aus Joghurt, Creme fraiche/wahlweise auch Frischkäse, etwas Mayonnaise, Knoblauch, etwas Zitronensaft, Schnittlauch und/oder etwas frischen Dill.

Saltimbocca alla romana à la Karl-Josef Bär

Kleine Kalbsschnitzel salzt und pfeffert man. Beim Originalrezept belegt man sie mit rohem Schinken und Salbei, klappt sie dann zusammen und fixiert sie mit einem Zahnstocher. Herr Bär macht es sich etwas einfacher, denn er brät die Schnitzel flach in der Pfanne liegend von einer Seite an, wendet sie dann, beträufelt sie mit ein wenig Zitronensaft, belegt dann die obere Seite mit (Parma)-schinken oder auch nur einfachem Schinkenspeck und 1-2 frischen Salbeiblättern, würzt mit etwas Rosmarin un Knoblauch nach und löscht den Bratensud mit Weißwein ab. Dazu passen Rosmarinkartoffeln oder Zucchini-Gemüse und ein weißer Landwein aus Venetien, aus der Toscana oder Sizilien.

Kulturanthropologie mit Karl-Josef Bär

Heute: Ein Grußwort an die Rohkostanhänger

Das Rohe und das Gekochte sind ein zentrales Beispiel in der strukturalistischen Methode von Claude Lévy-Strauss, in binären Gegensatzpaaren die Struktur von rituellen Verhaltensmustern zu beschreiben. Was wir heute bei Computern an mathematischen binären Operationen mit „0“ und „1“ kennen, hat Lévy-Strauss schon anhand alter Mythen belegen können. Das Rohe ist und bleibt der Sphäre der Natur verhaftet; es ist das Wilde, das Vorgefundene, das Gesammelte (z.B. Pilze sammeln im Wald). Das Gekochte ist hingegen das kulturell Bearbeitete, also das kulturell Denaturierte; es wird mithin aus der Sphäre der Natur in die Sphäre der Zivilisation übernommen und durch Trocknen, Räuchern, Marinieren, Kochen oder Braten haltbar(er) und schmackhafter gemacht. Daniel Spoerri verdanke ich den Hinweis, dass in der Kunst mit dem Aufgreifen von Fundstücken / objet trouvés beim ready made Marcel Duchamps, in den Montagen der Dadaisten und der Surrealisten, aber auch bei den Künstlern des Nouveau Réalisme wie Arman, Daniel Spoerri etc. das Gefundene und das Gestaltete, mithin das künstlerisch Unbearbeitete, Rohe und als Gegenpol das plastisch Geformte bzw. kulturell Veränderte als ästhetisch gleichwertig anzusehen sind. Die Kochkunst fängt dann mit dem formgebenden Arrangement roher, natürlicher Speisen (z.B. Salatplatten) an und mit der physikalischen Veränderung der Nahrung durch Kochen. Der Gastrosoph Jean-Anthelme Brillat-Savarin beschreibt verschiedene Zwischenstadien zwischen dem Unbehandelten und dem Kultivierten: manche Obst- und Gemüsesorten verzehren wir frisch und jung, manche Früchte lieber reif, Fleisch muss hingegen gut abgehangen sein, damit es weich wird, und bei Wild schätzte man früher den Haut gout, der erst mit dem Beginn der Verwesung eintritt. In Asien kennt man eine Fischsauce aus verfaulten Krabben. Manches muss man sogar erst kochen, wie z.B. das Nachtschattengewächs Kartoffeln, das roh verzehrt erstens schwer verdaulich wäre und zweitens außerdem das Gift Solanin enthält, ein Schadstoff, der sich beim Kochen verflüchtigt, aber weil er nicht fettlöslich ist, beim Frittieren erhalten bleibt. Man müsste aber dann schon 3 kg rohe Kartoffeln oder pommes frites auf einmal essen, bis sich Vergiftungserscheinungen bemerkbar machen würden. Solanin enthalten auch unreife Tomaten und ältere Auberginensorten, die man früher züchtete (die heutigen im Supermarkt erhältlichen Sorten allerdings nicht mehr).

Copyright: Raap/Bär 2018 – alle Rechte vorbehalten

 

 

baer aktuell 239/240 und bild des monats

März 1st, 2018

Bild des Monats März 2018:

Jürgen Raap, „Fluch der Begabung“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2018

Bär aktuell Nr. 239/240  – 22. März 2018

Auf den Hund gekommen war jüngst die SPD, wenn man im Zeitalter von Fake News ausnahmsweise doch mal glauben darf, was kürzlich in der BILD-Zeitung stand: deren Redaktion wollte herausfinden, wie leicht man SPD-Mitglied werden und dann über den Koalitionsvertrag mit abstimmen darf, und meldete den dreijährigen Hund „Lima“ als neues Parteimitglied an, der von der arglosen designierten Parteichefin Andrea Nahles dann auch auch prompt zu einer „Regionalkonferenz“ eingeladen wurde. Eigenartigerweise gab es dagegen diesmal keinen Protest von militanten Tierschützern. Obwohl es über ihn hieß, „der tut nix, der will nur spielen“, wurde der Hund aus der Partei inzwischen wieder ausgeschlossen, was auf den ersten Blick reichlich humorlos wirkt, aber die SPD hatte ja nie den Anspruch, eine Spaß-Partei zu sein, so wie die FDP, bei der man ein solches Neumitglied wohl mit den Worten begrüßt hätte: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“.

Nicht minder grotesk war die Musikauswahl bei den Olympischen Winterspielen, als beim Damen-Eishockeyspiel Korea gegen Schweden (0:8) ausgerechnet ein Hit des Ballermann-Barden Micky Krause mit dem Reim „Alles klar im BH“ ertönte, und zwar bei jedem der acht erzielten Tore. Wobei das Bemerkenswerte an Micky Krause ist, dass er in einem Interview bekundete, er wünsche sich, dass seine Kinder später mal nicht so werden wie er.

Über die 229 nordkoreanischen Cheerleader-Girls, die der nordkoreanische Diktator als „Armee der Schönen“ zu den Spielen entsandt hatte, lästerte unterdessen die „Hamburger Morgenpost“, sie könnten „wohl im Kölner Karneval mit den Traditionskorps konkurrieren“, während die „New York Times“ die zurecht gedrillten Nordkorea-Girls als eine „Mischung aus Stewardessen der 60er Jahre, den Cheerleadern der Dallas Cowboys und der Roten Armee“ beurteilte. Angesichts ihres etwas steifen Geschunkels verkniffen sich die WM-Organisatoren als musikalische Untermalung den Hit „Und dann die Hände zum Himmel, kommt lasst uns fröhlich sein“ und bevorzugten stattdessen lieber Micky Krauses Ode an das Frauenbild altbackener Kegelbrüder. Vielleicht kommt ja auch die SPD aus ihrem derzeitigen Umfragetief wieder heraus, wenn Andrea Nahles bei der Fußball-WM im Sommer in Russland als Tanzmariechen auftritt.

Dass die Algorhythmen in der virtuellen Welt des öfteren zu Fehlleistungen neigen, beweist eine Internet-Meldung bei n-tv über die Krebserkrankung des Schlagersängers Frank Zander, die eine Suchmaschine dann unter völliger Ignoranz jeglicher Logik und somit reichlich bescheuert mit dem Verweis auf ein Kochrezept für „Knusperzander“ bei „essen und trinken“ nebst der gleichfalls unpassenden Schlagwort-Anmerkung „und weitere Rezepte mit Petersilie, Zander“ kombiniert.

Gibt man hingegen „Nahles“ als Suchbegriff ein, fragt das Übersetzungs-Portal www.linguee.de allen Ernstes: „Meinten Sie Naples?“ So heißt Neapel auf englisch. Beharrt man jedoch eindringlich auf „Nahles“ und nicht auf „Neapel“, stößt man bei weiterem Surfen durch die Wirrungen des Internet auf eine Formulierung in der „ZEIT“, Andrea Nahles sei die „Oprah Winfrey aus der Vulkaneifel“, was Herr Bär als Vergleich allerdings für reichlich übertrieben hält. „Vulkaneifel“ trifft allerdings zu. Neapel hat übrigens auch einen Vulkan, und allmählich begreift Herr Bär, wie im Internet die Suchmaschinen eigentlich funktionieren.

Bärs Bestatterkritik Gelingt es, der beklagenswerten Ballermannisierung der Eventkutur zumindest in Köln mit einer Kuckelkornisierung Einhalt zu gebieten? Christoph Kuckelkorn ist in Personalunion Bestattungsunternehmer und Präsident des Festkomittees Kölner Karneval, was insofern sittengeschichtlich stimmig ist, weil der Totentanz, wie ihn in der Kunstgeschichte Hans Holbein dargestellt hat, sich aus den mittelalterlichen Fastnachtsspielen entwickelt hat. Aber das Kuckelkorn sich nun mit einem Eventmanager zusammen tat, um auf Kölns schlimmster städtebaulicher Sünde, nämlich der tristen Asphaltpiste der Nord-Süd-Fahrt, ein kilometerlanges Straßenfest zu veranstalten, das „neue Formen der Mobilität“ vorstellen sollte, mochte die Stadt Köln nicht genehmigen: das Konzept erwecke eher den Eindruck einer „Verkaufsmesse“, und das alarmierte Herrn Bär: Sollten da etwa an einem Werbestand nur Kuckelkornsche Eichenholzsärge angepriesen werden? Und von wegen „neue Formen der Mobilität“: wie ein Leichenzug nach wie vor vonstatten geht, hat der Krätzchensänger Jörg Weber anschaulich in den Liedzeilen zusammen gefasst: „Dä letzte Wagen es immer ne Kombi, un do liss hingen en dä Kiss, wat ene Driss…“ (Der letzte Wagen ist immer ein Kombi, und du liegst hinten in der Kisten, was für ein Scheiß…“)

Das digitale Zeitalter hat den Typus des „gescheiterten Intellektuellen“ hervorgebracht, den die Kunstzeitschrift „Monopol“ so definiert: er schaffe es nicht, Bücher zu schreiben und beschränke sich daher auf das Twittern. In der Tat hat das meiste, was Tag für Tag als mediales Gezwitscher von einfältigen Gemütern via Twitter oder Facebook hinausgezirpt wird, selten eine literarische Qualität. Und da in den snobistischen Kreisen des Kunstbetriebs die Bezeichnung „Instagram-Künstler“ als abwertend, ja, sogar als Schimpfwort gilt, sei somit jeder, der als ein anspruchsvoller Fotokünstler gefeiert werden will, davor gewarnt, irgendwelche verwackelten Selfies oder andere ästhetisch belanglose Knipsereien bei „Instagram“ etc. hochzuladen. Andernfalls kann sich der dilettierende Handynutzer dann als „gescheiterter Fotokünstler“ zum „gescheiterten Intellektuellen“ gesellen.

Wie ist die neue Große Koalition zu bewerten? Eine Staatsministerin für Digitales trägt den schönen Nachnamen Bär, und ob Dorothee Bär ihrem Nachnamen gerecht wird und das beachtliche Leistungsniveau ihrer Namensvettern Julius Bär (1857-1922, erfolgreicher Bankier), Artur Bruno Bär (1884-1972, erfolgreicher Illustrator und Grafiker) oder Karl Bär (1901-1946, erfolgreicher Grünlandforscher und in den 1930er Jahren Herausgeber der Zeitschrift „Futterbau und Gärfutterbereitung“) erreicht, bleibt abzuwarten. In einem Interview mit „ZDF-heute“ flötete Dorothee Bär jedenfalls schon mal gut gelaunt ins Mikrofon, sie betriebe die Digitalisierung „mit Leidenschaft“; und Horst Seehofer bescheinigte ihr, sie habe von der Digitalisierung mehr Ahnung als er selbst, was man im Falle Seehofers durchaus glauben darf. Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU hingegen erweckt bei Herrn Bär eher den Eindruck eines renten- und sozialpolitischen Geisterfahrers, und auch sonst wird es gewiss noch genügend Anlässe zur Verbreitung von Jens Spahn-Witzen in „bär aktuell“ geben.  Jedenfalls ist Spahn mit seinen 37 Jahren für einen Gesundheitsminsiter noch erheblich zu jung und zu unreif. Einer wie Bubi Jens kommt allerdings im Berliner Regierungsviertel mit dem HARTZ IV-Regelsatz von 416 Euro/Monat sehr gut aus, wenn er sich beim Sektempfang der Kassenärztlichen Vereinigung und ähnlichen Anlässen Abend für Abend für lau mit Lachshäppchen vollstopft – Lachs galt übrigens im Mittelalter als Arme-Leute-Essen. Anderntags beim Arbeitsessen mit der Kanzlerin in einem Nobelrestaurant übernimmt dann auch noch Mutti Merkel großzügig die Zeche und sagt gönnerhaft zum jungen Jens: „Nun lang mal kräftig zu, damit du mal groß und stark wirst“. Wollte man die Physiognomie von Jens Spahn beschreiben, könnte man dies mit einem Zitat aus den Philip Marlowe-Krimis von Raymond Chandler tun: „Der Kerl hatte ein Kinn wie eine Zigarrenkiste“. Doch das wäre heute politisch unkorrekt, da man in der Öffentlichkeit fast nirgendwo mehr rauchen darf.

Neue Rubrik: Kulturanthropologie mit Karl-Josef Bär

Heute: Auf ein Wort zur Fastenzeit

Tieropfer und Fastenopfer rekurrieren darauf, dass im biblischen Sinne „Fleisch“ den gesamtem Bereich des Irdischen und Leiblichen meint, es ist die Sphäre des Menschlichen schlechthin. Sigmund Freud beschreibt in seinem Text „Totem und Tabu“ (1912), dass das Tieropfer älter als der Ackerbau sei, und dass es ursprünglich ein Ritual der Geselligkeit gewesen sei, mithin ein Ritual der Kommunion, gemeinsam mit dem Gott (oder den Göttern) das geopferte Fleisch zu verzehren, während man hingegen Früchte als Opfergaben nur den Göttern darbot und als Mensch auf ihren Verzehr verzichtete. Was die katholische Theologie unter „Erbsünde im Fleisch“ versteht und daher das Fasten, d.h. den Fleischverzicht als „Eindämmung der Leidenschaft“ propagiert, deutet Freud als Aufforderung zur Triebregulierung und zum Triebverzicht. In seinem ersten Brief an die Korinther riet der Apostel Paulus seinen Adressaten dennoch, sie mögen bei einer Einladung zum Gastmahl das angebotene Fleisch durchaus ohne Bedenken verzehren, sofern sie das Fleisch tatsächlich „nur als Fleisch“ genössen und nicht etwa als Götzenopfer.

© Raap/Bär 2018

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär:

Hamburger Aalsuppe

Die Aalsuppe ist in Hamburg seit dem 18. Jh. bekannt und wird 1782 von Johann Georg Krünitz in seiner „Ökonomischen Enzyklopädie“ als Gericht für „gemeine Leute“ beschrieben. In ähnlicher Weise wird die „saure Suppe“ ohne Aal zubereitet. Die Hamburger Aalsuppe enthält portionierte Aalstücke, die mit etwas Essig in einer Fleischbrühe gekocht werden. Parallel dazu kocht man in einem separaten Topf ebenfalls in Fleischbrühe Backobst (Backpflaumen, -äpfel) und kippt das Ganze dann zusammen und bindet die Brühe mit Mehlschwitze, gibt Aalkraut hinzu, das man kurz mit aufkocht. Aalkraut ist eine variable Mischung aus Petersilie, Dill, Majoran, Thymian, Salbei, Bohnenkraut, Estragon und anderen Kräutern. In Holland nimmt man für die Aalsuppe kein Backobst, sondern nur Suppengrün als Einlage in die Fleischbrühe, und an Kräutern nur Kerbel und Sauerampfer und rührt zum Schluss ein Eigelb mit hinein.

Nierenschaschlik

Ist aus der deutschen Imbissgastronomie inzwischen nahezu verschwunden, gibt es gelegentlich aber noch auf Rummelplätzen. Nieren halbieren und das weiße Gewebe im Inneren abschneiden. Anschließend alles in Stücke/Würfel schneiden (wie Gulasch) schneiden und eine halbe Stunde lang in Milch einlegen, dann abspülen und trocken tupfen. Zusammen mit Speckscheiben und groben Zwiebelstücken, roten und grünen Paprikastücken auf einem Spieß aufreihen und in einer Pfanne mit Öl anbraten. Man kann die Zutaten aber auch ähnlich wie Gulasch einfach zusammen in einem Topf anbraten, Tomatenmark und Fleischbrühe zugeben, etwas Knobloch hineinpressen und ca. 45 Min. bei niedriger Flamme köcheln lassen. Mit Salz, Cayennepfeffer, etwas Curry und Paprikapulver abschmecken.

Rumänische Knoblauchsauce Mujdei

Die Vampirsagen in den rumänischen Volksmärchen enthalten den Hinweis, durch Knobloch könne man Vampire vertreiben. In Scheiben geschnittene Knoblauchzehen vermengt man mit Salz, Pfeffer, Öl, Zitronensaft oder etwas Chilischote. Diese Masse übergießt man mit heißem Wasser oder Fleischbrühe, damit dem Knoblauch die Bitterstoffe entzogen werden. Man kann auch mildere Paprikaschoten, Tomaten oder saure Sahne einrühren.

Soljanka

Ein Rezept aus der ländlichen Küche Russlands; die Suppe war auch in der DDR sehr verbreitet und man bekommt sie auch heute noch gelegentlich in der ostdeutschen Gastronomie. „Sol“ heißt Salz; daher der Name. Das Ursprungsrezept aus dem 18. Jh. ist als Fisch-Soljanka überliefert, später wurde es mit Fleisch und Tomaten, in neuerer Zeit auch mit Tomatenmark abgewandelt. Für den säuerlichen Geschmack verwendet man grundsätzlich keinen Essig, sondern die Lake (Marinade) eingelegter Gurken. Man brät Speck und Zwiebeln in Fett (Butter oder Schmalz an), gibt dann Weißkraut und anderes Gemüse hinzu, z.B. Möhren und Kartoffeln, Suppenfleisch vom Rind, manchmal auch Wurststücke (Fleischwurst, Krakauer oder Jagdwurst), Salz- oder Gewürzgurken. Man füllt das Ganze dann mit Fleischbrühe und Gurkenlake auf und lässt alles langsam köcheln. Abschmecken mit Salz, Pfeffer, frischem Dill, frischer Petersilie und saurer Sahne. Fakultativ kann man das Rezept auch um Tomatenmark, Knoblauch, Senf, und roten Gemüsepaprika sowie zum Würzen mit Paprikapulver ergänzen.

Thunfischsteak „Sürther Aue bei Hochwasser“

Möhren bissfest kochen, Kartoffeln separat kochen. Dann die Möhren in einer kleinen Pfanne in Butter schmoren lassen, etwas Honig, Knoblauch, japanischen Reisessig, geriebenes frisches Zitronengras hinzufügen, ca. 10 Min. ziehen lasen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Kartoffeln in kleine Stücke schneiden oder pürieren, frischen Koriander untermengen. Den Fisch salzen und pfeffern, in Mehl wälzen, mit Zitrone beträufeln und in Öl braten, ein paar Spritzer asiatische Fischsauce hinzufügen.

Flan

Der Begriff „Pudding“ stammt aus England, wo man im 18. Jh. Mehlspeisen (Teigklöße) ähnlich wie Serviettenknödel im heißen Wasserbad garte. Später bezeichnete man als „Pudding“ eine Schaummasse aus Butter, Eidotter, Zucker und manchmal auch Eischnee, ebenfalls im Wasserbad gegart. Heute versteht man darunter ein Dessert aus Puddingpulver oder Grieß, der in Milch aufgekocht wird. Während beim klassischen Pudding die Masse auf Mehlbasis nur im Wasserbad gegart wird, kocht man bei der „Flammerie“ die Zutaten auf; dazu verwendet man auch Polenta-Maismehl, Grütze (z.B. geschroteten Hafer oder anderes Getreide), Stärkemehl oder Sago-Verdickungsmittel aus der Sagopalme.

In Frankreich nennt man den Flan Crème Caramel und in Mexiko „Flan Napolitano“, und dazu verwendet man in Mexiko Frischkäse (Quark), Kondensmilch, Zucker und Vanilleextrakt. Diese Variante ist auch sonst überall in Lateinamerika verbreitet. Beim spanischen Flan verrührt man Eier und Zucker zu einer schaumigen Masse und anschließend mit heißer Milch, füllt sie in Portionsförmchen und lässt sie 60 Min. im Wasserbad garen, bis sie steif geworden ist. Geschmolzenen Zucker nennt man Karamell. Wenn man die Masse abkühlen lässt und aus den Förmchen stürzt, verflüssigt sich das Karamell wieder zu einer Sauce, während die Puddingmasse fest bleibt. Bei der Crème brulée vermischt man das Mark einer Vanilleschote mit süßer Sahne, Milch, erhitzt diese Masse vorsichtig, dann rührt man separat Eigelb mit Zucker zusammen, die man dann zu der Masse hinzugibt und lässt das Ganze bei mittlerer Hitze 8 Min. ziehen, verteilt dies dann auf Förmchen, die man in eine Auflaufform mit Wasser stellt und im Backofen ca. 40 Min. ausbackt und dann gründlich auskühlen lässt. Vor dem Servieren bestreut man die Förmchen mit Zucker, erhitzt sie im Backofen, bis der Zucker karmellisiert ist und lässt sie dann wieder abkühlen.

 

 

 

baer aktuell Nr. 238 und bild des monats

Februar 15th, 2018

 

Bild des Monats Februar 2018:

Jürgen Raap, Schild für Karnevalsumzug, 2018

Prinz Karneval beteiligt sich an Siglinde Kallnbachs Aktion „a performancelife“, 2018, Foto: Raap/Bär

Der Vorstand von „a performancelife e.V.“ bei der Nostalgiesitzung in der Kölner Flora, Jan. 2018, Foto: privat

Karnevalistischer Empfang der Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld („Sitzung en d’r Prummebud“) – Siglinde Kallnbach überreicht Bezirksbürgermeister Josef Wirges (links) und dem Kölner Dreigestirn ihre Unterschriftensammlung „a performancelife“ („Wir stehen zusammen für unseren Kölner Karneval“). Foto: Raap/Bär

 

Fußgruppe von “ a performancelife e.V.“ beim Ehrenfelder Dienstagszug, Köln-Ehrenfeld, 13.2. 2018, Fotos: Copyright a performancelife e.V. Köln

Bär aktuell Nr. 238       –   3. Feb 2018:

Witze aus dem Kölner Karneval:

Sagt die Oma zum Tünnes: „Hür ens, Tünnes, jetzt dürfen sugar zwei Männer ungereinander heirate. Ist dat nit widernatürlich?“ – Tünnes: „Enä, wiesu dat dann? Dinge Herzschrittmacher is doch och widernatürlich“.

Tünnes geht mit seiner Frau ins Kino. Fragt sie: „Sag ens, Tünnes, wie mache die dat, dat dat Licht em Saal immer janz langsam usjeht, wenn dä Film anfängk?“ – Tünnes: „Ich jläuv, die ziehen dä Stecker janz langsam eraus“.

Büttenredner: „Dä Trump lügt ja, wenn dä nur dä Mund aufmacht. Et heißt ja immer, Lügen haben kurze Beine. Dann hät dä Trump bestimmt Hornhaut am Sack…“ Unterbricht ihn der Sitzungspräsident: „Hör mal, solche Witze kannste hier im Kölner Karneval nicht erzählen! Dat jehört sich nit! Über Hornhaut macht man keine Witze“.

Der Martin Schulz hält seine Reden mit Bedacht. Manchmal ändert der seine Meinung schon im selben Satz“.

Bei dä Schöpfung hät da liebe Jott jeschlamp: missraten es dä Donald Trump“.

Dä Donald Trump es nit doof. Dä weiß nur nit vill“.

Wenn dat Angela Merkel mal ernsthaft krank wird, besteht die CSU darauf, dat die dann nach Bayern in et Krankenhaus kommt. Damit dä Seehofer Sterbehilfe leisten kann“.

Schäl: „Sag ens, Tünnes, dat Angela Merkel ist immer so schlecht jelaunt, mit den herabhängenden Mundwinkeln. Weißte, wie man die zum Lachen bringt?“  – Tünnes: „Stell se einfach op dä Kopp“.

© Raap/Bär 2018

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär:

Falscher Hase ist ein Hackbraten, der mit Rind- und Schweinehack, Speckstückchen, Zwiebeln, Ei, eingeweichten Brötchen oder Weißbrotstücken, Semmelbrösel oder Paniermehl zubereitet wird, gewürzt mit Salz, Pfeffer, Kümmel, Majoran, bei Bedarf auch ein wenig Knobloch. Man kann auch hartgekochte Eier, Pistazienkerne, Gewürzgurkenstückchen oder rote Gemüsepaprikastückchen in die Hackmasse einmengen. Gegart wird die Masse im Backofen. Man serviert ihn in Scheiben geschnitten. Oft bereitete man diesen Hackbraten früher zu Ostern nach dem Ende der Fastenzeit zu – da war die winterliche Jagdsaison beendet; es gab keinen echten Hasenbraten mehr, und in Anspielung an den Osterhasen musste man sich dann mit solch einem „falschen Hasen“ begnügen.

Pariser Erbsen Berühmt waren früher die Erbsen von den Feldern in Clamart bei Paris. Heute sind die Anbauflächen wesentlich kleiner, weil die Banlieus von Paris ziemlich zugebaut sind. Man nehme junge frische Pflückerbsen, die im Sommer im Handel sind, dünste sie mit Perlzwiebeln in Butter an, koche sie dann in ein wenig Wasser weich. Abschmecken mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss, Petersilie, Kerbel – man richtet sie zusammen mit grünem Salat oder Ruccula als Garnitur an, manche Rezeptvarianten kennen auch ein wenig Speck oder Schinkenstreifen als Zutat. Pariser Erbsen passen gut als Beilage zu Chateaubriand und allen Gerichten mit Rinder-Steaks, Schnitzeln oder Koteletts vom Schwein oder Kalb.

Flageolets sind kleine grüne Bohnen (Phaseolus vulgaris), die es nur in französischen Supermärkten gibt und manchmal auch in Belgien, zumeist als Konservenware, in Deutschland auch bei „Edeka“. Sie passen als Beilage gut zu Lammgerichten, Rinderbraten, Wachteln oder Entenbraten. Man erhitzt sie, würzt sie mit Salz, Pfeffer, etwas Knoblauch und Petersilie, und wenn man will, auch mit einem Stängel getrocknetem Beifuß.

 

 

 

bär aktuell 236/237 und bild des monats

Januar 1st, 2018

Bild des Monats Januar 2018:

Jürgen Raap, Das vierte Pferd, Acryl/Öl auf Leinwand, 2017

Bär aktuell nr. 236  – 22. Januar 2018

Am 8. Februar 2018 wird im Berliner Zoo der „Pandabären-Oscar“ verliehen. Das vierjährige Panda-Weibchen Meng-Meng tritt in der Kategorie „Beliebtester Pandabär außerhalb Chinas“ an, und – wie der Berliner „Tagesspiegel“ meldet – Angela Merkel allen Ernstes in der Kategorie „Der Panda-Moment des Jahres“. Die Bundeskanzlerin war nämlich im vergangenen Sommer bei der Übergabe zweier Pandas durch die chinesische Regierung an den Berliner Zoo zugegen, doch es heißt, die beiden Pandas hätten bei diesem Festakt von ihr keinerlei Notiz genommen und sich stattdessen nur um ihr Bambus-Futter gekümmert. Das also soll der „Panda-Moment des Jahres“ gewesen sein? Herr Bär meldet jedenfalls Zweifel an der Seriosität der Preisverleihung an. Indes besteht kein Grund für die SPD, schadenfroh herum zu feixen, denn würde man Martin Schulz im Berliner Zoo vor das Panda-Gehege stellen, dann würde der Bär ihn ebenso ignorieren und nur genüsslich an seinem Bambus herumkauen. Falls allerdings Peter Altmeier oder Sigmar Gabriel vor dem Gehege auftauchen, bringt der Panda schnell sein Bambus in Sicherheit, denn beiden sieht jeder Panda-Bär aufgrund ihrer wohlgenährten Leibesfülle an, dass sie sich bei offiziellen Empfängen mit Ellbogengewalt robust am Büffet durch zu kämpfen verstehen, und wenn es bei der feierlichen Panda-Übergabe im Berliner Zoo Bambussprossen als Hauptgang gibt, können die Tiere sich nie sicher sein, ob insbesondere Sigmar Gabriel nicht auch bei ihrem Futter kräftig zulangt. Aus Sicht der Panda-Bären wäre das gewiss nicht der „Panda-Moment des Jahres“.

In der Parteizeitung „Mach et“ der Kölner Grünen war neulich nachzulesen, der Veganer an sich fühle sich dem Fleischesser moralisch überlegen, von wegen Tierschutz und so. Das ist wohl wahr, allerdings gibt der Autor seinen Lesern zu bedenken, zur moralischen Überheblichkeit bestünde kein Anlass, solange der Veganer zugleich Textilien trage, die in Billiglohnländern durch Kinderarbeit hergestellt würden. Im nächsten Satz stellt der Autor klar, es ginge ihm nicht darum, in der Parteizeitung der Grünen jetzt Leute anzuprangern, die sich kein T-Shirt für 30 Euro leisten könnten, sondern diejenigen, die durchaus 30 Euro für ein fair produziertes T-Shirt ausgeben könnten, dies aber nicht täten. Was im Umkehrschluss heißt: ein Fleischesser, der sich für 30 Euro ein T-Shirt und zudem sein Rindersteak im Bio-Laden kauft, darf sich dem Veganer moralisch überlegen fühlen (s. hierzu auch unten Herrn Bärs gastrohistorische Ausführungen zum „Schopska-Salat“).

Dass Christian Lindner inzwischen mit Neuwahlen liebäugelt, ist insofern eine grauenhafte Vorstellung, weil wir dann wieder Wahlkampfplakate mit Christian Lindner im Unterhemd ertragen müssen. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, das laute einer Marketinganalyse die beliebteste deutsche Herrenunterhose den Markennamen „Karl-Heinz Feinripp“ trägt. Wahlkampfplakate mit Christian Lindner in Feinripp-Unterhose mögen uns erspart bleiben, deshalb: doch lieber wieder eine Große Koalition. Obwohl dann Mutti Merkel weiterhin die Hosen anhat. Aber wenigstens läuft der Schulz nicht im Unterhemd durch die Gegend, sondern im DB-Schaffner-Anzug.

Witz aus dem Bonner Karneval: „Der Schulz ist kein schlechter Politiker, der hat nur manchmal Pech beim Denken“ (Pause und Alich)

Aus dem Wörterbuch der Berliner Bürokratie: „Kotbeutelmitführpflicht“

Gutes Benehmen ist oft Glücksache, vor allem in der heutigen Zeit bei Anredefloskeln in der Computerwelt. Massenmails, deren Anrede lapidar „Herr/Frau Karl-Josef Bär“ lauten, pflegt Herr Bär jedenfalls sofort ungelesen zu löschen, weil sie ihm nämlich zu unpersönlich erscheinen und oftmals auch zu dubios sind. Denn bekanntlich verwendet die berüchtigte „Nigeria-Connection“ in ihren Mails auf englisch zumeist die einfache Anrede „Dear Sir/Madam“, und bisweilen erhält man von diesen Online-Betrügern auch Mails mit der unangemessen vertraulichen Anrede „My Dear“ oder schlicht und einfallslos nur mit „Good day“. Das ehrwürdige Bildungsbürgerblatt „Die ZEIT“ weiß hingegen zu berichten, dass es unter Bergsteigern freilich durchaus etwas salopper zugehen darf, zumindest wenn man die ersten 1.000 Meter gemeinsam geschafft hat, denn erst dann duzt man sich in der Seilschaft gegenseitig, vorher jedoch nicht. In ähnlicher Weise gilt in den vornehmen Golfclubs das „Tages-Du“ nur solange, bis man bei der gemeinsamen Partie zum Einputten an Loch 18 angelangt ist; denn anschließend wird sich an der Club-Bar wieder gegenseitig streng gesiezt. Nicht allzu kompliziert ist es, wenn man sich in Queer-Kreisen um die politisch korrekte Anrede bemüht: „Transfrauen spricht man mit «Frau» an, Transmänner mit «Herr», Transmenschen, die sich nicht als «Frau» oder «Mann» identifizieren, sogenannte Nicht-Binäre, sagen zumeist beim Vorstellen, wie sie angesprochen werden möchten. Übliche Varianten sind «Miko Müller» statt «Frau Müller»…“, heißt es in einem Szene-Ratgeber, und das kann man sich doch wirklich leicht merken. Das in jeder Hinsicht neutrale „Hallo“ sei ansonsten in diesen Kreisen ebenso angebracht wie woanders im E-Mail-Verkehr, wo man sich das förmliche „Sehr geehrter Herr Bär“ verkneifen könne und man stattdessen mit einem frohgemuten „Hallo Herr Bär“ den Mindestanforderungen in Sachen Höflichkeit gemeinhin genüge, heißt es in einem anderen Ratgeber. Und so schreibt die „Nigeria Connection“ den heutigen Sitten entsprechend: „Hallo Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, ich bin ein Vetter des Handelsministers von Nigeria und muss dringend eine größere Geldsumme heimlich ins Ausland schaffen. Dazu brauche ich Ihr Konto, verehrte Frau Merkel. Zehn Prozent der Summe dürfen Sie als Parteispende gerne behalten, aber schicken Sie die Spendenquittung bitte nicht ans nigerianische Handelsministerium, denn mein Vetter darf davon nichts wissen. Somit verbleibe ich wie immer und in Zukunft auch, Ihr stets ergebener Lumumba Schmitz.“ Frage: Woran erkennt man, dass es sich hier um einen Internet-Betrugsversuch handelt und der Text im übrigen gar nicht von der Nigeria Connection stammt?

© Raap/Bär 2018

 

Bildstrecke bär aktuell spezial:

Hochwasser in Köln, Januar 2018, Foto: Copyright S. Kallnbach

Alle Rechte vorbehalten

 

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Blätterteigpastete „Geißbockheim“

Man vermischt französischen Chèvre-Ziegenkäse mit grünen Pfefferkörnern, Kresse, kleinen Gurkenstücken und kleinen Chicoreestücken, etwas ausgepresstem Knobloch, Dill, Schnittlauch und Petersilie, füllt damit Blätterteigpasteten, lässt diese im Backofen bei mittlerer Hitze 20 Min. aufbacken und garniert sie oben vor dem Servieren mit Forellenkaviar.

Moules „Place St. Cathérine“

Seeschnecken im Sud, Austern und Muscheln kann man ganzjährig im Stadtzentrum von Bruxelles am Imbissstand an der Place St. Cathérine genießen, nur einen Häuserblock auf der Börse entfernt. Immer wenn Herr Bär in Europas Hauptstadt weilt, lässt er sich dort von der belgischen Küche inspirieren – und voilà, hier ist ein Rezept für einen Muscheltopf: man erhitze in einem großen Topf Knoblauchbutter, dünste Zwiebeln an, gebe ein paar Möhrenstücke, Scheiben vom Stangensellerie, ein Lorbeerblatt und etwas Thymian, grüne Pfefferkörner und Fischfond hinzu, koche das Ganze kurz auf, lasse dann Seeschnecken, Clam-Muscheln und Vongole-Muscheln darin ziehen, rühre zum Schluss etwas Crème fraiche ein, schmecke das Ganze mit Salz und Pfeffer ab und streue vor dem Servieren noch etwas frische Petersilie ein.

Pesce all‘ Aqua alla Civitavecchia

Die Hafenstadt Civitavecchia ist ca. 70 km von Rom entfernt und war schon in der Antike der Vorhafen von Rom. Aus dieser Region Latium stammt das Rezept Pesce alla aqua: Seebarsch oder Brasse wird geschuppt und gesäubert, gesalzen und gepfeffert, in Olivenöl kurz angebraten und dann in einem Sud aus Olivenöl und Wasser gedünstet, dem man Pfefferkörner, Pfefferschoten, Tomaten und Knoblauch und zum Schluss frische Petersilie zufügt.

Kohl-Bohnentopf „Fürst Wesseling“ à la Karl-Josef Bär

Einen Fürst von Wesseling hat es zwar nie gegeben, aber im Zeitalter von Fake News kann man Kochrezepte auch schon mal rein fiktiven Personen widmen. Dieser Kohl-Bohnentopf passt als Beilage hervorragend zu Gänsebrust oder Entenbrust mit geschmorten Zwiebeln und Apfelstücken. Getrocknete weiße Bohnen lässt man 24 Std. lang einweichen. Man raspelt Weißkohl, salzt und pfeffert ihn, presst etwas Knoblauch aus, fügt Apfelstücke hinzu, ein paar Scheiben Möhren, ein paar Walnussstücke, gibt etwas milden Weinessig oder Apfelessig hinzu, oder stattdessen auch japanischen Reisessig, 2 Wacholderbeeren, Kümmel, getrockneten Bärlauch, getrockneten oder frischen Majoran und ein paar kleine Chilistückchen, und lässt das Ganze dann mehrere Stunden lang ziehen. In einem Topf dünstet man Zwiebeln in Gänseschmalz an. Dann kocht man in dem Zwiebelsud den Kohl zusammen mit den Bohnen in einem Aufguss mit Gemüsefond weich, ergänzt dieses Gemüse noch um frische Tomaten und frischen roten Gemüsepaprika.

Schopska-Salat

Kein Traditionsrezept der Balkan-Küche, sondern dieses Rezept wurde erst 1956 in der kommunistischen Ära von Todor Schiwkow (1911-1998) in Bulgarien von der staatlichen Organisation „Balkantourist“ kreiert. Der Schopska-Salat besteht aus Tomaten, Gurken, rohem oder gebratenem Paprika, Zwiebeln, Petersilie, Salz, Zitronensaft oder Weinessig, Olivenöl und in Salzlake eingelegtem Schafskäse (griechisch: Feta). In Griechenland bekommt man ihn – erweitert um Oliven und manchmal auch Krautsalat – als „Bauernsalat“ oder „Hirtensalat“ angeboten. Auch der bulgarische Historiker Stefan Detchev hält den Schopska-Salat für eine Erfindung der erweiterten Gegenwart: Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert habe es in Bulgarien nur Weißkohlkraut, Zwiebeln, Knoblauch und Rettiche als Gemüse gegeben. In einem bulgarischen Kochbuch aus dem Jahr 1870 taucht laut Detchev kein einziges Salat-Rezept auf, und noch um 1900 warnte Dimitar Apostolov bei der Abfassung einer Anleitung zur Hauswirtschaft vor übermäßigem Salatgenuss, da zu viel Öl und Essig der Verdauung abträglich seien. Erst in den 1930er Jahren, als man die Notwendigkeit der Vitaminaufnahme erkannte, haben Salatrezepte Eingang in die bulgarische Nationalküche gefunden, und erst nach 1930 baute man in Bulgarien auch in zunehmendem Maße Tomaten an.

Wiener Saftgulasch Beim Traditionsrezept verwendet man nur Fleisch vom Wadschinken – das ist die Wade des Rindes mit sehnigem, faserigem Muskelfleisch. Alternativ dazu kann man auch Fleisch von der Schulter nehmen. Dazu Zwiebeln, und zwar von der Menge her 20 Prozent weniger Zwiebeln als Fleisch. Beides brät man zusammen in Schweineschmalz an, gibt edelsüßes Paprikapulver, Tafelessig, Kümmel, Majoran, Knoblauch, Salz, Pfeffer hinzu und lässt das Ganze bei kleiner Flamme drei Stunden lang köcheln.

Fiakergulasch

Eine Variante des Wiener Saftgulasch, die man zusammen mit einem Würstchen, einem Spiegelei und eingelegter Essiggurke serviert.

Wiener Zigeunergulasch

Wiener Zigeunergulasch kann man auch mit gewürfeltem Schweinefleisch zubereiten, meistens nimmt man dazu aber Rindfleisch. Bei diesem Rezept fügt man zu den Zutaten wie beim Wiener Saftgulasch aber auch zusätzlich noch frische Tomaten oder solche aus der Dose und rote Paprikaschoten hinzu.

 

 

 

 

 

baer aktuell 234/235 und Bild des Monats

Dezember 2nd, 2017

Bild des Monats Dezember 2017:

Jürgen Raap, „Qui?“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2017

 

Tristesse pur: U-Bahnstation Appellhofplatz Köln

Text und Fotos: Copyright Bär/Raap 2017

Bär aktuell 234     – 22. Nov. 2017/3. Dez. 2017

Beim Jahresessen der Deutsch-Japanischen Gesellschaft im Kölner „Daitokai“ hatte Herr Bär japanische Gäste aus Düsseldorf als Tischgenossen, die den Eindruck hatten, in Köln sei das Stadtbild schmutziger als in Düsseldorf. Da Herr Bär kein Lokalpatriot ist, der einer manchmal unerträglichen Kölschbesoffenheit verfallen ist, sondern ein Verfassungspatriot im Sinne des kölschen wie des deutschen Grundgesetzes, musste er um der Wahrheit willen zugeben, dass dies tatsächlich so ist, und dass die U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz/Zeughausstraße unmittelbar vor dem „Daitokai“ so aussieht, als wollten die Kölner Verkehrsbetriebe KVB in der Tat den Eindruck erwecken, Köln sei die Dritte Welt des Rheinlands. Da hat nämlich ein Architekt in einem Anflug von minimalistischem Wahn, vielleicht auch aufgrund bornierter städtischer Sparpolitik, auf jegliche Deckenverkleidung verzichtet, so dass die Kabel unter der Decke frei herumhängen, und auch die Kachelung des Bahnsteigs ist an Tristesse kaum zu überbieten und zudem auch noch dermaßen verstaubt, so dass Herr Bär beim Warten auf die Bahn entrüstet ausrief: „He künnt och ens einer mem Lappen drüvver jon“. Dass auf jenem Bahnsteig das Hinweisschild für die nächste Bahn in orangefarbener Leuchtschrift „Kommt sofort“ anzeigt, das Eintrudeln der Bahn aber tatsächlich dann noch vier Minuten dauert, fällt dann nicht mehr weiter auf, und dies kann man den Gästen aus Düsseldorf als folkloristische Nonchalance erklären, aufgrund einer historisch bedingten Aversion gegen preußische Korrektheit nähme man es in Köln mit Zahlen- und Zeitangaben generell nicht so genau. Jedenfalls: in Bonn und in Düsseldorf haben sie die Gestaltung der U-Bahnhöfe optisch besser hingekriegt, während man beim Kölner U-Bahnhof Appellhofplatz/Zeughausstraße den Eindruck hat, der Architekt habe seinerzeit einen Baustoffhändler angerufen, der womöglich noch ein Vetter von ihm gewesen sein könnte, und diesen gefragt: „Pitter, häste noch paar ahle Kacheln übrig? Die kannste en d’r U-Bahn am Appellhofplatz an de Wand klävve“.

Bär aktuell Nr. 235  –     22. Dez. 2017

Deppen-Ranking über die größten und bizarrsten Fehlleistungen im Jahr 2017: Eigentlich gebührt Donald Trump Platz 1, aber der macht dieses Jahr nur außer Konkurrenz mit, denn sonst hätten die anderen doch überhaupt keine Chance. Sein nordkoreanischer Widersacher Kim jon-un führt stattdessen die Liste allein schon wegen seiner Scheiß-Frisur an, und dies stellvertretend für alle anderen Anhänger des modischen Undercut-Haarschnitts, die zu jung sind, als dass sie wissen könnten, dass nämlich solchermaßen ausrasierte Schläfen und Nacken typisch für den Kommisskopp der 1930er und 1940er Jahre waren, wie man auf alten Fotos sehen kann. Als überzeugter Anti-Militarist missbilligt Herr Bär solche Wehrmachtsfrisuren, und dies erst recht, wenn Raketen-Kim sie noch mit einem reichlich lächerlich wirkenden Bürzel auf dem Kopf kombiniert. – Torsten Albig, der sich selbst einmal als „arroganten Sack“ bezeichnet hat, vergeigte als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein seine Wiederwahl fulminant mit der Bemerkung, er habe sich von seiner Gattin getrennt, weil er sich mit einer Hausfrau nicht mehr „auf Augenhöhe“ unterhalten konnte. Klar, dass im hohen Norden keine Hausfrau mehr Albig wählen mochte (Platz 2). – Über die Hausfrauen-Frisur von Teresa May kann man ja nicht großartig lästern, aber dass die britische Premierministerin ohne Not Neuwahlen ausrief und diese dann krachend verlor und sich sich mithin blöd verzockte, rechtfertigt Platz 3, und Mays Flop sollte allen zu denken geben, die in der Berliner Bundespolitik derzeit mit Neuwahlen liebäugeln. Auf Platz 4 finden wir den abgesetzten katalonischen Ministerpräsidenten Carles Putschdemon, der bis heute nicht begriffen hat, dass in Kontinentaleuropa außer einer Minderheit von ein paar egoistischen Nationalisten in Katalonien, Flandern, Korsika und Norditalien niemand landauf landab separatistische Abspaltungen will, was den EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schon zu der Horrorvision umtrieb, die EU könne sonst „in einigen Jahren“ in „80“ (sic!) verschiedene kleine Regionalstaaten zerfallen und dann völlig handlungsunfähig sein, weshalb die Brüsseler EU-Politiker Putschdemon im Regen stehen ließen. Das andere politische Extrem verkörpert mit gewohnt gehöriger Realitätsferne Martin Schulz, der schon bis 2025 die Vereinigten Staaten von Europa gegründet haben will (Platz 5). Vielleicht hatte Hannelore Kraft doch nicht so unrecht, in ihrem NRW-Wahlkampf Martin Schulz lieber zu verstecken, die sich aber wegen ihrer peinlichen kommunikationstechnischen Herumeierei bezüglich der Kölner Silvesternacht 2015 redlich Platz 6 verdient hat. Reichlich durchgeknallt trat die dänische Künstlergruppe Toett – The Other Eye of The Tiger“ beim Berliner Nordwind-Festival im Kunstquartier Bethanien auf, indem sie dort ein „Museum der Märtyrer“ einrichtete und in ihrer Fotoinstallation völlig henebüchen den Bürgerrechtler Martin Luther King mit seinen Methoden des gewaltlosen Widerstands allen Ernstes als „Märtyrer“ auf dieselbe Stufe stellte wie den blindwütig-fanatischen Pariser „Bataclan“-Attentäter Ismaël Omar Mostefaï (Platz 7). Nicht minder intellektuell abgedreht gaben sich die Macher um den Konzeptkünstler Scott Holmquist mit ihrer Ausstellung in einem Berliner Bezirksmuseum, als sie dort reichlich blauäugig bekundeten, die Drogendealer im Görlitzer Park gingen „unerschrocken und tapfer“ ihrem Gewerbe nach (Platz 8). Wie man einen an sich guten Witz schlecht erzählt und dabei die Pointe gründlich versemmelt, bewies ohne jegliches Gespür für Dramaturgie ausgerechnet die Berliner Theatertruppe „Zentrum für politische Schönheit“, als sie in Bornhagen/Thüringen eine Nachbildung des Berliner Holocaust-Mahnmals auf dem Nachbargrundstück des AfD-Politikers Björn Höcke errichtete. Das hätte ja durchaus eine pfiffige Kunstaktion werden können, wenn die Aktivisten das Ganze dann nicht gründlich übertrieben und zu einer fürchterlichen Schmierenkomödie hin überzogen hätten: dass sie nämlich bei Strafandrohung flugs zurückruderten und recht kleinlaut einräumten, ihre Behauptung, Höcke seit Monaten mit nachrichtendienstlichen Methoden zu beobachten, sei nur ein Fake gewesen, ist letztlich ziemlich peinlich, und dass sie anschließend auch noch weismachen wollten, die DNA Höckes labortechnisch untersucht zu haben, ist dann einfach nur noch albern (Platz 9). Platz 10 ist für den trotzigen „Ich bin nicht pleite“-Boris Becker reserviert, der im Umgang mit Geld bei größeren Summen – vornehm ausgedrückt – leicht überfordert wirkt. Auf Platz 11 folgt der Reporter des Bildungsbürger-Blattes „Die ZEIT“, der in seinem Bericht über das Abschiedsspiel des Fußballers Lukas Podolski die Kölner Karnevals-Combo „Klüngelköpp“ versehentlich als „Pimmelköpp“ bezeichnete. Ist das ein Freudscher Versprecher oder was soll das? Platz 12 gebührt den keineswegs flaggensicheren Erdogan-Fans, die nach der Ausweisung der türkischen Familienministerin aus den Niederlanden vor lauter Wut eine Holland-Fahne verbrennen wollten, dies jedoch irrtümlich mit der ebenfalls blau-weiß-rot gestreiften Frankreich-Nationalflagge unternahmen. Man kann als Ministerpräsident heikle Passagen in einer Rede von Fachleuten oder Juristen im eigenen Haus gegenlesen lassen, ob das sachlich falsch oder rechtlich bedenklich ist, aber man fragt nicht den Fuchs, ob der Hühnerstall gut abgeschlossen ist. Dass der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sich seine Regierungserklärung vor dem Landtag vorab vom VW-Konzern weichspülen ließ, bestärkt nur die Kritiker, die Politiker immer schon für willfährige Schranzen und Büttel von Wirtschaft und Industrie hielten (Platz 13). Platz 14 nehmen kollektiv alle Wildpinkler, Frauengrabscher, Straßenschläger und Komasäufer im rheinischen Straßenkarneval ein, der leider an einigen zentralen Orten immer mehr in eine übergriffige dämliche Ballermannisierung abdriftet, die der echte Fastelovendsjeck lieber meidet. In diesem Sinne, frohe Weihnacht überall, bald ist wieder Karneval. Alles Gute für 2018.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Fruchtgrütze „Ramses“

In wenig Wasser und mit einem Klacks Butter klein geschnittene frische Feigen, Blaubeeren, Brombeeren und Johannisbeeren oder Cranberrys mit ein paar Sternanisstückchen und grünen Pfefferkörnern weich kochen, etwas frischen Ingwer hineinreiben, bei Bedarf ein paar Tropfen Rumaroma oder Likörwein hinzugeben, kalt werden lassen und mit frischer Minze garnieren.

Soleier

Sud aus Wasser, Salz (60 gr auf 1 Liter), Piment- und Pfefferkörnern, Lorbeerblatt etwas Kümmel und Zwiebelschalen aufkochen. Schale von hartgekochten Eiern etwas anschlagen und in ein großes Glas geben, heißen Sud darüber kippen, bis die Eier vollständig bedeckt sind. Abkühlen lassen und im Kühlschrank 2-3 Tage ziehen lassen. Zum Verzehr Eier pellen und halbieren, Dotter vorsichtig herauslösen. In die Mulde Öl, Essig und Pfeffer geben, Dotter wieder aufsetzen und Senf dazu geben. Wurde früher in Kneipen oft als Bierhappen angeboten.

Schweinerouladen „Székesfehérvár“

Schweinerouladen von beiden Seiten salzen und pfeffern, die Innenseiten mit ausgedrückten Knoblauchzehen, etwas Senf und Paprikamousse/Paprikapaste einreiben, Speckscheiben darauf verteilen, Gewürzgurken, Zwiebeln und Streifen von rotem undd grün-gelbem Spitzpaprika, zusammenrollen und mit Holzspickern die Rouladen zumachen. Öl und Schmalz in einer Pfanne erhitzen, die Rouladen von allen Seiten anbraten, Zwiebeln andünsten, weitere Streifen von Gemüsepaprika und klein gewürfelte frische Tomaten hinzufügen, ein Lorbeerblatt, ein Stängel Thymian, 1 Wachholderbeere, 1 Nelke, etwas Kümmel, und noch ein paar Pfefferkörner, dann mit Fleischbrühe/Fleischfond aufgießen und die Rouladen köcheln lassen, bis sie weich sind. Sauce dann mit Rosenpaprika abschmecken. Man kann die Sauce dann noch mit creme fraiche oder Frischkäse verfeinern. Dazu passt Sauerkraut auf ungarische Art, das man separat zubereitet in einem Topf mit Öl und Schmalz, in dem man Zwiebeln andünstet, gepressten Knoblauch, rote gewürfelte Paprikaschoten, Speckstückchen, Gemüsebrühe und Sauerkraut hinzugibt, sowie 1 Wacholderbeere, etwas Kümmel, Paprikapaste oder Tomatenmark, Salz und Pfeffer, das Ganze lässt man dann 40 Min. köcheln und würzt es mit Rosenpaprika.

Karpfen blau

Als Weihnachts- oder Silvesteressen sind Karpfen vor allem in Franken sehr beliebt. Für einen ganzen Karpfen benötigt man einen Topf mit ca. 2 l Wasser, in welchem man einen Schuss Apfelessig, Zwiebeln, 1 ausgepresste Knoblauchzehe, 1 klein gehackte Möhre, 2-3 Lorbeerblätter, 2-3 Wacholderbeeren, Nelken, frischen Fenchel, etwas Chili (vorsichtig dosierte klein gehackte Schoten oder Pulver), 3-4 Zitronenscheiben, frischen Koriander, ein paar kleine Stücke frischen Sellerie, Senf, Senfkörner, grüne und schwarze, Pfefferkörner, frische Petersilie, ein wenig Beifuß und Salz aufkocht. Den Karpfen dann in dem heißen Wasser 30-35 Min. ziehen lassen (nicht kochen!).

Karpfen auf jüdische Art

Dieses Rezept gehört heute bzu den klassischen Standards der polnischen Küche. Die Karpfenzucht wurde von Juden in Osteuropa Ende des 16./Anfang des 17. Jh. eingeführt. Der Fisch muss gesäubert und entgrätet sein. Fischköpfe, Schwanzteile und Flossen in Wasser mit Petersilienwurzeln, Zwiebeln, Möhren- und Selleriestücken sowie Pfefferkörnern 45 Minuten lang kochen. Die zerkochten Fischteile aus dem Sud herausnehmen. Dann portionierte Karpfenstücke oder den restlichen ganzen Karpfen salzen und pfeffern und in dem Sud mit Ingwer, Essig oder Zitronensaft und Rosinen dünsten lassen, nach 15 Minuten auch geschälte Mandeln hinzugeben. Den Sud kann man als Sauce vor dem Servieren mit Eidotter abbinden.

bär aktuell 233 und Bild des Monats

November 1st, 2017

Bild des Monats November 2017:

Jürgen Raap, Rhönlandschaft, Aquarell, 2017

Bär aktuell N. 333 – 3. Nov. 2017

Bundeswahlleiter bestätigt Gründung einer Blauen Partei“ hieß es kürzlich in der bildungsbürgerlichen „ZEIT“, und als Parteigründerin wird Frauke Petry genannt, was Herrn Bär nun doch ein wenig irritierte und ihn vermuten ließ, es könnte sich dabei womöglich um eine Schnapsidee handeln, und dies auch noch passend zum Sessionsbeginn am 11.11. Eine „Blaue Partei“ gab es nämlich schon einmal, nämlich im Kölner Karneval, wo der Büttenredner Toni Geller (1924-2012) bis 1995 regelmäßig als „Führer der Blauen Partei“ auftrat und seine Vorträge immer mit dem Gag eröffnete: „Wollen Se lieber lachen oder soll ich über Politik reden? Beides zusammen geht nicht“. Dann erzählte der Parteiführer weitschweifig, wie der jüngste Parteitag seiner Blauen im Spirituosen-Mekka Steinhagen/Westfalen ablief, inklusive einer alkoholischen „Schluckimpfung“ und einem „EKG“ mit „Enzian Korn Gin“. Auf den Wahlplakaten der anderen gäbe es hingegen ja immer nur „viele Gesichter zu sehen, aber wenig Köpfe“… Nun ja, der rheinische Karnevals-Humor der 1960er und 1970er Jahre war schon reichlich bräsig gewesen, und selbst politische Büttenredner leisteten sich auf einer gutbürgerlichen Prunksitzung selten wirklich ätzende satirische Schärfe, die erst mit dem alternativen Karneval der „Stunksitzung“ aufkam. Aber dass in unseren Tagen eine alternative Karnevalssitzung mit der blauen Frauke Petry in der Bütt lustig ist, möchte Herr Bär nun doch arg bezweifeln.

Die SPD wolle „jünger und weiblicher“ werden, hatte es geheißen. Doch dann hatten wieder nur die alten Säcke im neuen Bundestag die einträglichen Funktionärsposten unter sich aufgeteilt. In Köln nennt man das „betreutes Klüngeln“. Einem Parteimitglied, dass sich ob seiner Umtriebigkeit keineswegs als „alter Sack“ fühlt, nämlich Altbundeskanzler Gerhard Schröder, verdanken wir den Hinweis, wie es bei den Merkels im Schlafzimmer aussieht: die Grünen seien „die Bettvorleger Merkels“, so Schröder, und man fragt sich erstens, woher der Schröder das weiß, und zweitens wie oft Mutti Merkel wohl mit dem Teppichklopfer ihren Bettvorlegern zu Leibe rückt, aber vielleicht hilft ja bei den Merkels auch der Herr Merkel mal im Haushalt mit (der eigentlich Prof. Joachim Sauer heißt) und geht wenigstens mit dem Staubsauger ab und zu mal über die grünen Bettvorleger.

© Raap/Bäer 2017

Bär aktuell spezial – 22. Nov. 2017
Novemberblues Was für ein grauenhafter Sonntag, diesig, grau, trüb, nasskalt, früh dunkel. Erst der alberne „Tatort“ aus Münster mit einem Drehbuch, dessen Verfasser mit seiner völlig unrealistischen und überzogen klischeehaften Darstellung von Künstlern und Ausstellungskuratoren völlig versagt hatte – der Mann war wahrscheinlich noch nie in seinem Leben in einem Künstleratelier gewesen, und so hätte er von diesem Drehbuch lieber die Finger lassen sollen. Dann – nicht minder klischeehaft und gleichermaßen albern in der Verkörperung des juvenilen Start up-Politikers –  tritt Christian Lindner blattablesend vor die Kameras und verkündet das Ende der „Jamaika“-Balgereien im Sandkasten der Bundespolitik. Lindner wirkte an diesem Abend ein wenig wie ein Beaujolais primeur, ein zu junger Wein, zu unausgegoren und daher in seiner proktologischen Wirkung so ungestüm, dass er gehörig auf die Verdauung schlägt, wenn man auch nur ein Glas zuviel davon trinkt. In der „Phoenix“-Runde thronte derweil Mutti Merkel mit einem lemurenhaftem Gesichtsausdruck und damit irgendwie entrückt und völlig unbeteiligt wirkend über dem Desaster der gescheiterten Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierungskoalition, und Herr Bär ahnte, dass die schildkrötenhafte Unbeweglichkeit von Mutti Merkel und das gleichzeitig allzu forsche „Vin primeur“-Gehabe von Christian Lindner einer der Gründe für die massiven „kulturellen Unterschiede“ zwischen den Protagonisten dieses politischen Kasperletheaters gewesen sein mögen, von denen in den Kommentaren „politischer Beobachter“ immer die Rede war, noch mehr aber die Unvereinbarkeit zwischen Macht und Moral in der Politik, auf die seinerzeit bekanntlich schon Egon Bahr hingewiesen hatte. Jene Unvereinbarkeit zwischen macchiavellistischer Machttechnik, vulgo auch „Sachzwänge“ und „Realpolitik“ genannt, und jenem Utopismus, über den schon Helmut Schmidt lästerte, wer Visionen habe, der möge zum Augenarzt gehen. Diese Unvereinbarkeit begreifen zwar einige der Grünen allmählich, nach wie vor aber nicht deren hypermoralisch-naive Parteibasis, die wahrscheinlich anschließend sowieso abgelehnt hätte, was Kathrin Göring-Eckart mit ihrer antrainierten pastoralen Sanftmut und ihre grünen Mitunterhändler „bis an die Schmerzgrenze“ beim Herumbalgen um die Förmchen im Regierungssandkasten Lindner, Seehofer und den anderen herum krähenden „Jamaika“-Blagen zugestanden hätten. Der Bundespräsident, der nun nacheinander die Parteioberen ins Gebet nimmt, vermeidet in seinen Appellen an die staatsbürgerliche Verantwortung das geflügelte Wort von den „vaterlandslosen Gesellen“, mit dem einst Kaiser Wilhelm II. die Sozialdemokraten bedachte, und das kürzlich Wolfgang Thierse wieder aufgriff als Ausdruck für diejenigen, die (z.B. als Unternehmen) nur den eigenen materiellen (hier: den politischen) Vorteil, nicht aber das Gemeinwohl im Auge haben. Ob es nun Neuwahlen gibt, oder ob man lieber davor zurück scheut, hängt nun in erster Linie vom Kalkül der Hinterbänkler-Karrieristen ab, die bei einem anderen Wahlausgang als zuletzt im September 2017 um ihre Mandate und damit um ihre Pfründe im Parlament fürchten müssen. Und es hängt auch von dem Dilemma ab, dass für eine Spitzenkandidatur weder die Union zu Mutti Merkel noch die SPD zu St. Martin Schulz derzeit sehr schnell eine personelle Alternative mit besserer Überzeugungskraft, d.h. mit dem nötigen Charisma, aus dem Hut zaubern könnten. Dass bei vorgezogenen Neuwahlen die jetzt genüsslich herum feixende nationalistische AfD aller Voraussicht nach noch stärker würde, kann sich im demokratischen Lager der „vaterlandslosen Gesellen“ freilich nun wirklich niemand ernsthaft wünschen.
© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Marinade für Hirschbraten
Marinaden machen das Fleisch gerade von älteren Tieren zarter. Man nehme 1 Zwiebel, 1-2 Knoblauchzehen, 6-8 Nelken, 4-5 Wacholderbeeren, ein paar schwarze Pfefferkörner, 1 Lorbeerblatt, 1 Möhre, ein paar getrocknete Pfifferlinge, einen Strang Rosmarin, ein kl. Strang Thymian, ein Schuss Rotwein, etwas Worcestershiresauce, ein bisschen Essig, 1/8 l Wasser und lasse das Fleisch über Nacht darin ziehen. In der Pfanne mit Speck von allen Seiten kurz anbraten und dann im Backofen in der Marinade garen, gegebenfalls mit Wasser auffüllen. Sauce zum Schluss mit Creme fraiche abbinden.

Morcheln à la Rouennaise

Eine lokale Spezialität aus der Stadt Rouen (Normandie) sind Morcheln nach diesem Rezept, ein Speisepilz der biologischen Art Schlauchpilze, die bevorzugt auf kalkhaltigen Böden wachsen. Die Fruchtungszeit dauert von April bis Juni; in der Saison werden sie frisch gehandelt, ansonsten ganzjährig getrocknet angeboten. Man schneidet den Stil ab sie in Scheiben, wäscht sie, lässt sie dann ca. 30 Min. in Essigwasser ziehen und anschließend noch eine Weile in klarem Wasser, das man immer wieder auffrischt. Dann zerteilt man sie der Länge nach, gibt sie in eine Casserole mit Salzwasser und lässt sie 3-4 Min. lang kochen. Man erhitzt Butter in einer Pfanne, dünstet die Morcheln darin fünf Minuten lang an, gibt dann Crème fraiche und etwas frische Petersilie hinzu, lässt das Ganze noch ca. 15 Min. lang ziehen und schmeckt es mit Pfeffer (sehr vorsichtig dosieren, um den Eigengeschmack nicht zu übertünchen) und mit ein paar Spritzern Zitronensaft ab.

Poulet au blanc

Aus dem Hähnchen Innereien entfernen, das Fleisch abwaschen, trocknen lassen, salzen, pfeffern und mit etwas Zitronensaft einreiben. In einer Kokotte Butter erhitzen, Zwiebeln kurz andünsten, etwas Mehl einrühren und mit Wasser oder Geflügelfond auffüllen. Das Hähnchen ganz oder zerteilt hineingeben, alle Fleischteile müssen vom Sud bedeckt sein. Weitere frische Zwiebeln, ein paar kleine Würfel Knollensellerie und Karotten hinzufügen sowie 1 Eigelb, kurz aufkochen, dann ein Bouquet garni hinzugeben (Kräutersträußchen mit Petersilie, Thymian, 1 Lorbeerblatt, etwas Majoran), 1 gepresste Knoblauchzehe, etwas geriebene Muskatnuss, ein Schuss Weißwein und dann langsam anderthalb Stunden köcheln lassen. Eine halbe Stunde vor dem Servieren noch frische Champignons in Scheiben hinzufügen.

bär aktuell 231/232 und Bild des Monats

September 30th, 2017

Bild des Monats Oktober 2017:

Jürgen Raap, „Das Alibi des Geldwechslers“, 2017

Bär aktuell Nr. 231 – 3. Okt. 2017

Die Zeitungssprache schafft es eigentlich nur höchst selten zu belletristischen Höchstleistungen, sondern sie gilt eher als eine angewandte literarische Disziplin, bei der Einfachheit, Klarheit und Verständlichkeit absoluten Vorrang haben vor der Neigung zu poetischen Manierismen. Dennoch bot der „Stern“ in seiner jüngsten Ausgabe zwei schöne Beispiele gelungener Gebrauchslyrik mit den Schlagzeilen „Lindner leuchtet“ und „Selber Schulz“. Während „Lindner leuchtet“ eine griffige Alliteration darstellt und lediglich die Frage aufwirft, wonach er denn leuchtet, nämlich nach Phosphor oder vielleicht doch nach Calciumfluorid, dachte man sich bei der Schlussredaktion des „Stern“, dass das Schulz-Wortspiel eine geistreiche, wenn auch dreiste Entlehnung aus einer „taz“-Ausgabe vom Januar ist, würde wohl keiner merken: doch, Herr Bär hat’s gemerkt.

Schamlosen Ideenklau nennt man in der bildenden Kunst „Appropriation Art“, das hört sich vornehmer an als „abkupfern“ oder „abschreiben“, meint aber dasselbe. – Während Herr Bär Jakob Augsteins Ansicht zustimmt, bei Mutti Merkel habe inzwischen ganz gehörig eine einschläfernde „Verkohlung“ eingesetzt (O-Ton Merkel nach der Bundestagswahl: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten“), ist hingegen Herr Bär selbst als bekennender Feminist reichlich irritiert, dass Merkels nunmehrige SPD-Gegenspielerin Andrea Nahles direkt bei ihrem allerersten Auftritt als neue Fraktionschefin in die Rolle einer verbalradikalen Krawallschachtel schlüpfte und mit ihrem „In die Fresse“-Straßenschläger-Jargon ihren Ruf einer Neigung zu hemmungsloser Ruppigkeit gründlich untermauerte. Von einem „Gauland-Niveau“ ist diese Nahles-Rhetorik allerdings noch weit entfernt, denn der AfD-Vize Alexander Gauland ist schon ein ganz anderes Kaliber mit seiner geschichtsrevisionistischen Einstellung, wir müssten stolzer auf die Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen sein, was im Umkehrschluss nichts anderes heißt, als stolz auf die 60 oder 80 Millionen Kriegstoten zu sein, die man je nach Lesart 1945 zählte. Da schaudert’s einen nur, doch das Schaurige und das Lächerliche liegen oft eng beieinander: bei Alexander Gauland fällt schon auf, dass er bei seinen TV-Auftritten immer dasselbe braune Jackett trägt, in welchem er wie ein verarmter ostelbischer Landjunker wirkt, und Herr Bär fragt sich: soll das Jackett etwa Ausdruck einer bestimmten Gesinnung sein, oder hat der Mann wirklich nichts anderes anzuziehen? Immerhin sahnen Frauke Petry und Alexander Gauland durch ihre Doppelmandate im Bundestag und im Sächsischen bzw. Brandenburgischen Landtag an Diäten und an steuerfreien Aufwandspauschalen kräftig ab, jeder von ihnen rund gerechnet 20.000 bis 23.000 Euro im Monat, aber der Gauland läuft trotzdem herum, als ob er letzte Nacht heimlich die Altkleidersammlung der Caritas geplündert hätte.

Nicht viel eleganter sieht übrigens Kim Jong-un in seinem altmodischen Mao-Blaumann aus. Wer so eine knubbelige Figur und dazu auf Parteitagsreden noch so eine sich überschlagende Kieks-Stimme hat wie er, und wer sich zu allem Überfluss dann noch so eine Scheiß-Frisur zulegt, an den Schläfen Undercut und oben einen schwarzen Bürzel wie ein zerrupfter Handfeger, der muss schon Atomraketen haben, um als Diktator überhaupt ernst genommen zu werden.

In Sachen Gendermainstreaming kursiert in Berlin derzeit eine Broschüre, die in zehn Punkten auflistet, was diskriminierend ist, nämlich u.a. die Darstellung von Frauen als „willensschwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv“. Ein Schelm, wer bei „naiv“ an Kathrin Göring-Eckart und bei „hysterisch“ an die krawallig-burschikose Andrea Nahles denkt und sich damit in seinem Kopf-Kino als politisch und intellektuell unkorrekt erweist. Die FDP, die früher mal den großen Frauen-Versteher Rainer Brüderle in der vordersten Front einer nächtlichen Hotelbar eine weinselige Kegelbrudergesinnung ausleben ließ, findet jedenfalls diese Berliner Gendermainstream-Broschüre insgesamt ziemlich „spießig“. Man ahnt, wie groß die kulturellen Unterschiede in einer möglichen „Jamaika“-Koalition sein mögen, mit den Grünen als eine hypermoralische sauertöpfische Verbots- und Bevormundungspartei auf der einen und den urban-genussfreudigen „Lindner leuchtet“-Liberalen auf der anderen Seite, und dazwischen die biederen krachledernen CSU-Hardliner. Welch skurille oder gar hysterische Auswüchse die reine Lehre der Politische Korrektheit-Ideologie gelegentlich auch hervorzubringen vermag, erweist sich beim Streit um ein Werbeplakat der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG, das mit dem Bildnis eines Hundes über die Möglichkeit informiert, Haustiere umsonst mitzunehmen und dies mit dem Slogan erläutert: „Du musst deine Möpse nicht verstecken“. Ein Schelm wer Böses dabei denkt? Allen Ernstes beschwerten sich einige, diese Werbung sei sexistisch, und da musste sogar die zuständige Gleichstellungsbeauftragte die Eiferer zurecht weisen: „Auf dem Plakat ist nur ein Mops zu sehen!“

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Gebratener Chicoree

Chicoree der Länge nach aufschneiden, den Strunk keilförmig herausschneiden und den Rest ca. eine halbe Stunde wässern, damit die Bitterstoffe verschwinden. Butter, Thymian und etwas Honig in einer Pfanne kurz aufschäumen, den Chicoree dazulegen und 3 Min. garen, salzen und pfeffern. Dann den Chicoree in eine Auflaufform oder Backform geben, dünne Scheiben Brie- oder Camembertkäse darauf legen und Speckscheiben, den Sud aus der Pfanne darüber verteilen, noch etwas frischen Thymian und 1 Knochlauchzehe dazugeben und bei 200 Grad im Backofen ca. 20 Min, backen, bis der Speck kross ist.

Poireau en vinaigre/Porree in Essig

Poreestücke in kochendem Salzwasser ca. 8 Min. blanchieren. Für die Marinade einen Schöpflöffel von dem Kochwasser in einen separaten Topf geben und zusammen mit Olivenöl oder Butter, etwas Weißweinessig oder hellem Balsamico, 1 kleingehackten Schalotte, 1 gepresseten Knoblauchzehe, 1-2 Lorbeerblättern, etwas Senf, Pfefferkörnern erhitzen, restliches Kochwasser abgießen, Marinade über den Poree gießen, abkühlen und ca. 2 Std. ziehen lassen.

Entenleber in Portwein und Madeira

Speckstücke in einer Pfanne auslassen, 1-2 Schalotten andünsten, Entenleberstücke anbraten, Apfelstücke hinzugeben, mit Portwein und Madeira ablöschen, salzen, pfeffern, gepressten Knoblauch hinzufügen, sowie frischen Majoran und frischen Thymian und etwas geriebene Muskatnuss. Vor dem Servieren mit frischer Kresse bestreuen. Dazu passt Kartoffelpuree.

Pasteten in der Auslage eines Traiteurs in Vernon/Normandie, Foto: S. Kallnbach

 

 

Anti Wildpinkler-Plakat in Vernon/Normandie, Foto: Raap/Bär

Maison du Coucou (Kuckucksuhrenladen), Rouen, Foto: Raap/Bär

Bär aktuell Nr. 232 – 22. Okt. 2017

Bär polyglott-unterwegs mit Herrn Bär Was gibt es Neues aus Frankreich zu berichten? Nun ja, Schwarzwälder Kuckucksuhren kann man dort jetzt auch kaufen, und zwar im „Maison du Coucou“ in Rouen (Normandie), was die Einschätzung von Herrn Bär bestätigt: der Freihandel innerhalb der EU funktioniert tadellos. Aber warum soll jetzt man noch als Einwohner von Rouen in den Schwarzwald reisen, um sich dort eine Kuckucksuhr zu kaufen? Geht diese Freihandels-Entwicklung nicht zu Lasten der Bettenauslastung in der schwarzwäldischen Tourismusindustrie, weil die französischen Urlauber jetzt nämlich lieber zu Hause bleiben, da sie ja auch dort bequem an Kuckucksuhren kommen? Was sagt das Verkehrsamt von Baiersbronn (Schwarzwald) dazu? Und vor allem die FDP, die sich ja schon vor Jahren in Sachen Mövenpick-Hotellerie steuerpolitisch sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat? Egal – die französische Küche wurde 2010 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt, und das gilt zu Recht sogar für die einfache Hausfrauenküche oder Landküche – man kriegt in der Normandie in einer Kleinstadt wie Les Andelys oder Caudebeq schon ein anständiges Drei-Gänge-Menü für 18 bis 25 Euro -im Vergleich dazu ist der Touristenfraß in der Kölner Altstadt einfach fürchterlich überteuert, und das heißt: am besten speist man europaweit immer noch in Frankreich. Dort findet man auch heute noch überall handwerkliche Metzgereien mit regionalen Produkten, die in den einzelnen Landstrichen für alle Bevölkerungsschichten mit ihrem tradierten Qualitätsbewusstsein für gutes Essen selbstverständlich sind, und nicht bloß modisches Hipster-Food für die dekadente Öko-Schickeria wie bei uns. Im Pariser Restaurant „Chartier“, einer ehemaligen Beamtenkantine mit Jugendstildekor, wo die Kellner bisweilen allerdings so rüde auftreten wie kölsche Brauhaus-Köbesse, aber ein Herz und eine Seele sind, wenn man mit ihnen auf französisch parliert und nicht auf englisch, und sich dann auch bereitwillig an Siglinde Kallnbachs Kunstprojekt “ a performancelife“ mit einer Unterschriftenaktion gegen den internationalen Terrorismus beteiligten, kostet die  Gemüse-Tagessuppe als Vorspeise nur sagenhaften 1 Euro.  Hier gönnte sich Herr Bär eine vorzügliche Andouilette, eine Kuttelwurst in Senfsauce, und erklärte einer chinesischen Touristin, wie man in Europa Weinbergschnecken isst (s. Foto). Zur französischen Folklore gehören neuerdings auch allwöchentliche Anti-Macron-Demos – zufällig war Herr Bär in Rouen Zeuge eines solchen Protestzuges mit beeindruckenden 8.000 Teilnehmern. Am Rande der Demo kam Herr Bär in einem Bistro mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der bekannte, er habe Emmanuel Macron zum Präsidenten nur deshalb gewählt, um nicht Marine Le Pen vom rechten Front National wählen zu müssen, aber das werde ihm und seiner Familie jetzt nicht gedankt, denn sein Sohn, der Krankenpfleger wäre, müsse sich nun auf gewaltige Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst einstellen. Unter den Demonstranten war auch ein ausgewanderter Deutscher, der seit vielen Jahren an einem Gymnasium in Rouen Deutsch unterrichtet und sich bislang darauf verlassen konnte, dass Lehrer in Frankreich mit 52 Jahren in Pension gehen konnten. Jetzt verlangt Macron freilich von ihm, dass er künftig genauso so lange arbeiten soll wie die Lehrer in Deutschland, und da hätte er ja eigentlich gleich in Deutschland bleiben können. Herrn Bär fiel dazu ein, dass Gerhard Schröder als Bundeskanzler einst die Lehrer als „faule Säcke“ beschimpft hatte, und Emmanuel Macron macht jetzt in Frankreich eine ähnliche Politik wie Schröder damals mit seiner Agenda 2010. In Frankreich verblasst der Macron-Hype der vergangenen Monate daher anscheinend derzeit so rasch wie der Schulz-Hype bei uns, nur mit dem Unterschied, dass Emmanuel Macron clever genug ist, sich nicht einem „Spiegel“-Reporter gegenüber als Jammerlappen zu offenbaren wie Martin Schulz und sich damit aller künftigen Karrierechancen zu berauben, denn in der Politik und auch sonst zählen in einer leistungsorientierten Gesellschaft zynischerweise bekanntlich nur die Siegertypen.

Herr Bär kannte mal einen geheimnisvollen Chemiker aus dem Ruhrgebiet, von dem die einen behaupteten, er sei ein alter Anarchist, die anderen hingegen, er sei ein Lügenbold, Aufschneider und Hochstapler. Wahrscheinlich war er das alles auf einmal. Jedenfalls hatte er eine Theorie über die chemischen Umwandlungen im Verdauungsprozess entwickelt und vertrat die These, der revolutionäre Elan der Franzosen hänge mit der Ernährung zusammen – die schwere deutsche Dampfküche hingegen mache einen eher träge. Dazu muss man allerdings wissen, dass sich die „Cuisine au beurre“ auf Butter-Basis in der Normandie erheblich von der „Cuisine à l’huile“ in der Provence unterscheidet, doch was soll’s. In der jüngsten Ausgabe des Satireblattes „Charlie hebdo“ kriegen sie alle wieder ihr Fett weg, die Papisten, die Salafisten, die katalanischen Nationalisten und die Rechtspopulisten überall in Europa. In Frankreich regt sich auch nicht irgendeine grüne Trulla darüber auf, in „Charlie hebdo“ würde aber die Minderheit der Sprengstoffgürtelträger stigmatisiert. Satire lebt nun mal vom Tabubruch.

Copyright: Bär/Raap 2017

Essen und Trinken mit Herrn Bär

Französischer Selleriesalat Knollensellerie in klein raspeln, salzen, pfeffern. Wenn man will, kann man auch ein paar Apfelstreifen hinzugeben. Man fügt ein paar Spritzer Zitronensaft hinzu, vermengt den Sellerie mit Petersilie und rundet den Salat mit einer Sauce aus einem Joghurt-Remouladengemisch ab.

Poulet à la Normandie Die gesalzenen und gepfefferten Hühnerstücke brät man mit Zwiebeln oder Schalotten in einer Sauteuse in Butter und Öl an, gibt Apfelscheiben und Champignons hinzu und nach etwas 1 Min. etwas Calvados, mit dem man das Ganze flambiert. Dann gibt man 1 Knoblauchzehe, Thymian und ein Lorbeerblatt hinzu, füllt man die Sauteuse mit Wasser auf und lässt es 45 Min. köcheln. Dann nimmt man das Fleisch heraus, stellt es warm, kocht den Sud auf, um die Flüssigkeit zu verringern und bindet die Sauce mit Creme fraiche ab.

Roti de veau à la Normandie In einer gusseisernen Pfanne brät man ein Stück Kalbsbraten von allen Seiten zusammen mit Zwiebeln an, dann salzt und pfeffert man das Fleisch, flambiert es mit Calvados, gibt einen Strang Thymian, 5 Salbeiblätter, noch ein paar Pfefferkörner und Apfelstücke hinzu und übergießt das Ganze mit Cidre und lässt es dann 45 Min. bei kleiner Flamme garen.

Bär aktuell 230

September 19th, 2017

Bildlegenden: „Bär polyglott“, alle Fotos: Copyright Raap/Bär 2017 – alle Rechte vorbehalten

Siglinde Kallnbach „a performancelife für London“, Unterschriftensammlung zur Solidarität mit den Opfern nach dem Terroranschlag in London Sept. 2017, in einem Pub in Southhampton, Foto: Copyright S. Kallnbach

Bär polyglott- Unterwegs mit Herrn Bär Als Herr Bär jüngst auf einem Kreuzfahrtschiff weilte, informierte ein Aushang am Schwarzen Brett, dass wegen eines Generalstreiks in Frankreich Le Havre nicht angesteuert werden könnte und die Fahrt deshalb ohne Umschweife ins belgische Zeebrügge weitergehen sollte. Daneben hing der Streikaufruf der französischen Gewerkschaft CGT: „Kameraden! Genossen! Kommt alle zur Zitadelle! Stürzen wir den selbsternannten König Macron und seine Lakaien des Kapitals!“ Martin Schulz, aufgemerkt! Dieses klassenkämpferische Pathos hört sich zwar schrecklich altmodisch an, aber sagen Sie selbst, Schulz, kann man mit solch einer „Sturm auf die Bastille“-Rhetorik nicht doch eher einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken und die Massen mobilisieren als mit der müden St. Martins-Nummer, die Sie da in Ihren Wahlwerbespots abziehen? Da laufen Sie neben einem Haufen spielender Kinder her und behaupten allen Ernstes: „Schon kleine Kinder lernen das Teilen.“ Schulz! Wie weltfremd ist das denn? Wer hat sich diesen Blödsinn denn ausgedacht? Etwa Ihr Wahlkampfmanager Hubertus Heil, den sie in Ihrem SPD-Ortsverein Würselen „dä Hubäät“ nennen, und die Damen im Ortsverein gar „Dä schöne Hubäät“? Wo hat Hubertus Heil, vulgo: „dä Hubäät“, bloß seine Kindheit verbracht? Etwa in einem Waldorf-Kindergarten für den Nachwuchs der besserverdienenden linksalternativen Schickeria? Herr Bär jedenfalls ist in einem Viertel aufgewachsen, wo man sich im Sandkasten mit den anderen Kindern ständig um die Förmchen zankte, und wer es schaffte, seine Förmchen und sein Schäufelchen gegen die anderen Rabauken im Sandkasten standhaft zu verteidigen, der erwies sich in späteren Jahren auch sonst als lebenstüchtig. Wenn Sie irgendwann noch mal bei einer Wahl antreten, gestaltet Herr Bär Ihnen gerne eine realistischere Werbekampagne, und dies – halten Sie sich fest, Schulz – für dasselbe Honorar, dass Sie „däm Hubäät“ für einen völlig vergeigten lebensfremden Wahlkampf in den Rachen werfen.

Als Herr Bär auf jener Kreuzfahrt in Southhampton an Land ging, dachte er sich, wenn man schon mal in England ist, dann sollte man dort unbedingt ein typisches Pub aufsuchen. Aus den „Inspektor Barnaby“-Krimis weiß man, dass man sich in einem britischen Pub sein Bier selbst an der Theke abholen muss. Herr Bär setzte also angesichts der vierzehn Zapfzähne mit vierzehn verschiedenen Biersorten einen weltmännischen Kennerblick auf, kratzte seine Englischkenntnisse zusammen und fragte den Barkeeper: „Do you have Red Ale?“ Der Barkeeper deutete auf die kleinen Schnapsgläschen mit goldgelber Flüssigkeit vor den Zapfhähnen und sagte: „Please, Sir, choose the colour of the Beer you want to drink!“ Dass man sein Bier nach der Farbe bestellt und nicht nach der Geschmacksrichtung, ist ein Beleg für die Vorliebe der Engländer fürs Skurille. Ein Pint Bier kostet drei Pfund, etwa drei Euro, und der Barkeeper meinte, es gäbe auch eine Flatrate mit drei Glas Bier für fünf Pfund, aber nur mit zwei mexikanischen Bieren und deutschem Beck’s Bier. Herr Bär wehrte entsetzt ab: er reise doch nicht nach England, um dort deutsches Industriebier aus Bremen zu trinken und entschied sich stattdessen für ein goldbraunes Abbott Ale, was der Barkeeper mit einem wohlwollenden Nicken quittierte. Abbott Ale sieht ein wenig wie Düsseldorfer Altbier aus, schmeckt aber nicht ganz so hopfig-herb. Ansonsten versicherte ihm jeder Engländer, mit dem Herr Bär ins Gespräch kam, er selber hätte ja gar nicht für den Brexit gestimmt und es sei ihm fürchterlich peinlich, dass seine anderen Landleute aus der EU raus wollten.

Als das Kreuzfahrtschiff Amsterdam verließ, zelebrierten sie auf dem Sonnendeck ein bayerisches Oktoberfest mit einer Zweimann-Combo, darunter ein afrikanischer Musiker, den sie in eine Lederhose gesteckt und mit einem Seppel-Hütchen kostümiert hatten, was schon einigermaßen bizarr aussah. Den „Anton aus Tirol“ bekamen sie musikalisch noch einigermaßen hin, aber als sie sich dann an kölschem Liedgut vergriffen und „Kölsche Junge bütze jot, wie die Stars in Hollywood“ anstimmten und man ihnen anmerkte, dass sie überhaupt nicht verstanden, was sie da sangen, ergriff Herr Bär die Flucht und zog sich zu einem Nickerchen in seine Kajüte zurück.

Auf solch einem Kreuzfahrtschiff herrscht eine aufgeschlossene internationale Atmosphäre; nur die neureichen Russen fallen mit ihren ungehobelten Tischmanieren unangenehm auf und rangeln sich mit den anderen Passagieren am Büffet herum wie Kinder, die sich im Sandkasten um die Förmchen zanken, und man ahnt, dass Schulzens Parteigenosse Rosneft-Schröder als Missionar des guten Benehmens in den unermesslichen Weiten der sibirischen Taiga und der Tundra keine leichte Aufgabe hat und der Aufsichtsratsposten, den er dort wahrnimmt, vielleicht doch eher einer Verbannung gleicht.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Sauce gribiche ist eine kalte Sauce der traditionellen französischen Küche mit hartgekochtem Ei, Kapern, Gewürzgurken, Senf, Essig, Öl sowie Kräuter wie Estragon oder Kerbel. Die Eigelbe werden sehr fein gehackt, mit Senf und Essig verrührt und dann mit Öl zu einer Emulsion aufgeschlagen. Die fein gehackten Gurken, Kapern und Kräuter sowie das gehackte oder in Streifen geschnittene Eiweiß werden am Ende untergehoben. Die Sauce reicht man zu Kalbskopf , Presskopf /Tete pressé oder Sülzen, auch zu warmem oder kaltem Fisch, Krebsen oder anderen Schalentieren.

Thunfischsteak „Lülsdorf“

Thunfischsteaks 1-2 Std. auf beiden Seiten mit etwas Worchestershiresauce einreiben, in Olivenöl mit Knoblauch, 1 zerdrückte Knoblauchzehe, grünen und weißen Pfefferkörnern, Pimentkörnern, Ingwerscheiben, Limettenblättern Zitronensaft, 1 gesalzener Sardelle (Anchovis) und etwas Senf marinieren. In der Pfanne mit Zwiebeln und grünen Gemüsepaprikastreifen und ein paar Pfifferlingen braten, mit Salz abschmecken, zum Schluss für die Sauce klein gehackte Tomatenstücke und pürierten roten Gemüsepaprika mit etwas Petrellakäse verrühren und in der Pfanne kurz mit erwärmen.

Marillen-Potpourri à la Karl-Josef Bär

Man vermenge kleine Stücke von frischen Aprikosen, Himbeeren und Granatapfelkerne miteinander und übergieße sie mit einer heißen Fruchtsauce aus Himbeeren, Granantapfelkernen, 2 frischen Feigen, Sesamkörnern, Kokosflocken und grünem Pfeffer, die man mit ein wenig Wasser und Honig in einem Topf kurz aufkochen lässt und zum Servieren mit frischen Minzeblättern bestreut.

Bär aktuell 229 und Bild des Monats

September 1st, 2017

Bild des Monats:

Jürgen Raap, Das Zeitalter der Nachahmungen, Öl/Acryl auf Leinwand, 2017

Gesehen auf einem Kölner Flohmarkt, Foto: Copyright J. Raap

Kölner Weinwoche, Foto:  Copyright Raap

Bär aktuell Nr. 227   – 3. Sept.2017

Beim Gerling es de Klingel kapott“. Zu Lebzeiten des Versicherungsmagnaten Dr. Hans Gerling wäre solch eine Behauptung in Köln ein Sakrileg gewesen, galt doch der Chef des Gerling-Konzerns als äusserst penibel, ja, geradezu als extrem pedantisch, und dass an der Pforte seiner Villa in Köln-Marienburg nunmehr ein Zettel klebt „Klingel defekt. Besucher in dringenden Fällen bitte Tel….. anrufen“, wäre mithin seinerzeit undenkbar gewesen. Gerling starb 1991 und erlebte nicht mehr, dass sein Konzern 2006 von der Talanx-Versicherungsgruppe übernommen wurde, die mit dem Namensschild „Talanx“ neben dem Zettel mit dem Hinweis auf die defekte Klingel als jetziger Hausherr der Villa ausgewiesen ist. Dass man sich im vornehmen Köln-Marienburg möglicherweise keinen Elektriker mehr leisten kann, der die defekte Klingel repariert, erschüttert Herrn Bärs Vertrauen in die Hochfinanz zutiefst. Vielleicht haben sie aber doch längst einen Elektriker beauftragt, der allerdings mit dem weit verbreiteten Berufsethos der kölschen Handwerker „Küss de hück nit, küsste morjen“ (Kommst du heute nicht, kommst du morgen) sein Erscheinen branchenüblich hinauszögert. Wenn er dann vier Tage später doch noch kommt, wirft er einen kurzen fachmännischen Blick auf die Schelle und sagt „Ich muss mal kurz zum Baumarkt wat Klingeldraht besorgen“ und ward nie wieder gesehen. Dass so etwas auch in Köln-Marienburg vorkommt, ist für die Bewohner der weniger vornehmen Stadtviertel doch irgendwie beruhigend.

Signierstunde in der Buchhandlung. Wenn ein Autor gebeten wird, eine Widmung in das soeben gekaufte Buch zu schreiben, empfiehlt der Kunstheoretiker S.D. Sauerbier den Text: „13,90 Euro dankend erhalten“.

Gedichte, die die Welt nicht braucht. Der dennoch gelungene Einzeiler mit einer schönen Alliteration: „Bekleckert in Bleckede.“

Erlebniswelt REWE-Supermarkt In einem ihrer Lieder reimen zwei kölsche Krätzchensänger: „Mit uns’rem Dackel Waldi do jon mer jän nom Aldi, un wolle met erläwwe, dann jon mer och zum REWE…“ Erleben kann man im REWE-Supermarkt in der Tat so einiges, und zwar schnödesten Neoliberalismus, seit sie angefangen haben, in der einen oder anderen Filiale Kassiererinnen durch elektronische Kassen zu ersetzen, an denen man seine Einkäufe selber einscannen muss. Man übernimmt also als Kunde die Arbeit des Kassenpersonals, ohne jedoch auch den Lohn dafür zu bekommen, und das findet Herr Bär reichlich abartig.

Höhepunkt der Kölner Weinwoche war diesmal der Auftritt des „Weingut Bär“ aus Ober-Olm mit einem sagenhaften Acolon-Spätlese: ein kräftiger und zugleich erstaunlich samtig die Zunge umschmeichelnder Rotwein.

Als Überleitung zur Rubrik „Essen und Trinken“ sei an dieser Stelle auf den Kabarettisten Thorsten Schlösser verwiesen, der sich ernsthaft Gedanken darüber macht, ob Muttermilch und eine vergane Ernährung von Babys sich gegenseitig ausschließen. „Nein“, findet das Internetportal „www.vegpool.de“, und zum Thema „Ist Muttermilch unvergan?“ gibt ebenfalls „www.petazwei“ lediglich zu bedenken: es wäre nur falsch, „nach der Geburt Mütter und Kinder getrennt voneinander einzusperren und die abgezapfte Milch dann an eine andere Spezies zu verkaufen.“ Auf diese Entdeckung einer Marktlücke ist bisher allerdings noch keiner gekommen.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Französischer Selleriesalat mit Wachteleiern

Wachteleier hart hochen und kalt werden lassen. Stangensellerie in dünne Scheiben schneiden und dann zusammen mit den Wachteleiern mit einem Dressing aus Olivenöl, Salz, Pfeffer mildem Essig oder Zitrone, Senf, etwas ausgepresstem Knoblauch, Petersilie und Schnittlauch vermengen. Man kann je nach Geschmack auch etwas frische Basilikumblätter beifügen und den Salat dann zusammen mit Brot-Croutons servieren. Herr Bär ergänzt die Zutaten auch gerne mit Gurken, Apfelstücken, Kresse und grünem Gemüsepaprika.

Gefüllte Blätterteigpasteten à la Karl-Josef Bär

Blätterteigpasteten gibt es fertig im Supermarkt und man muss sie dann nur noch selber füllen. Als Klassiker kennt man Füllungen mit Ragout fin: dazu läßt man Kalbfleischstücke (aus der Schulter) mit Zwiebeln, 1 Lorbeerblatt, Nelken, Pfefferkörnern mit Salz in Wasser mindestens 1 Std. bei schwacher Hitze köcheln. Dann erhitzt man Butter in einer Pfanne, schwitzt Mehl darin an, rührt Fleischbrühe hinein, lässt das Ganze aufkochen und schmeckt es mit etwas Weißwein, Zitronensaft, Worchestershiresauce ab, evtl. nachsalzen und nachpfeffern. Im dritten Arbeitsgang brät man Zwiebeln und Champignons in Butter an, gibt das inzwischen abgekühlte gewürfelte Kalbfleisch hinzu, erhitzt es kurz, gibt Sahne hinzu und füllt die Masse dann in die Blätterteigpasteten. Stattdessen kann man auch Hühnerfricassee nehmen, indem man Hühnerfleisch mit Suppengrün in gesalzenem Wasser aufkocht. Die weiteren Arbeitsschritte sind dann wie beim Ragout fin, wie man in die Sauce aber auch Erbsen, kleine Möhren- und kleine Spargelstücke einrühren kann, bevor man die Pastetchen füllt. Herr Bär brät Schweine-/Kalbmett mit Zwiebeln, braunen Champignons, 2 Knoblauchzehen in Butter an, mischt etwas Fetakäse unter, gibt geriebenen Sellerie, Erbsen und kleine grüne Paprikastückchen hinzu, je nach Saisonverfügbarkeit auch kleine Spargelstückchen, lässt das Ganze in Fleischbrühe kurz aufkochen und rundet es mit Sahne und frischem Thymian ab, bevor man es in die Pastetchen füllt.

Dorade oder Seebarsch mit Sauce vierge

Dorade oder Barsch salzen, pfeffern und mit Zitronensaft beträufeln. Mit Zwiebeln und reichlich Knoblauch in Butter braten oder im Backofen in eingefetteter Auflaufform garen. Die Sauce Vierge (übersetzt: die reine Soße oder jungfräuliche Sauce) ist ein Bestandteil der französischen Nouvelle Cuisine der 1980er Jahre; als ihr Erfinder gilt Michel Guérard. Man kann die Zutaten ausschließlich roh verarbeiten und die Sauce dann kalt servieren, oder auch erwärmen. Porreestücke und Stangensellerie brät man kurz an und gibt sie zu dem Fisch. Für die Sauce vierge vermengt man frische Tomatenwürfel, kleingehackte Schalotten oder Zwiebeln, dünne Stangenselleriestücke, Gurkenstreifen, Zucchinistreifen, Pinienkerne, klein gehackte Oliven, etwas frischen Ingwer, sowie frischen Thymian, frischen Rosmarin, frische Basilikumblätter miteinander in reichlich Olivenöl. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.

 

 

Bär aktuell 226/227/228 und Bild des Monats

August 1st, 2017

Bild des Monats August 2017:

Jürgen Raap, „Schankbetrüger im lateinischen Viertel“, Acryl/Öl auf Leinwand, 2017

Bär aktuell Nr. 226/227/228 – 3. August 2017/22. August 2017

Was haben Lukas Podolski und Martin Schulz gemeinsam? Beide sind recht sympathische Menschen, doch während der Fußballer Lukas Podolski an seiner neuen Wirkungsstätte in der japanischen Stadt Kobe wie ein Heilsbringer verehrt wird und man ihm beim Training sogar Babys entgegen hält, als ob sich im Zeitalter der Selfie-Manie Podolskis Wunderkräfte medial, d.h. per Handy-Foto auf das Kleinkind übertragen wie früher nur bei einer Berührungsreliquie in der katholischen Kirche, hämt die Presse, Schulzens Kanzlerkandidatur sei „verunglückt“. Hält man Martin Schulz bei Wahlkampfveranstaltungen zwecks Wunderheilung Babys entgegen? Nein, mitnichten. Na also. Was machen sie also nun in Schulzens Heimatort Würselen, damit ihr Kandidat genauso weltläufig wirkt wie Lukas Podolski in Japan? Sie lernen hochdeutsch, d.h. sie versuchen sich den phonetischen Gleichklang von „ch“ und „sch“ im Rheinischen abzugewöhnen. Wenn die Würselener also jetzt hochdeutsch sprechen, hört sich der Name „Schulz“ wie „Chulz“ an. Ob das dem „Chulz“ mehr Wählerstimmen einbringt, muss man abwarten. Denn Hand auf’s Herz, Freunde: Lukas Podolski-T-Shirts für 90 Euro das Stück sind in Japan längst ausverkauft. Wer aber würde bei uns 90 Euro für ein T-Shirt ausgeben, auf das „Isch wähl dä Chulz“ aufgedruckt ist?

Dass ein Londoner Gericht Boris Becker unlängst für bankrott erklärte, bedeute nicht, dass er pleite sei, behauptete allen Ernstes sein Anwalt. „Bobele“ sei lediglich „seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen“. So kann man es auch formulieren. Boris Becker selbst bekundete dazu, diesem Gerichtsurteil zum Trotz würden seine Vermögensverhältnisse es durchaus immer noch erlauben; „den halben Tag auf dem Golfplatz zu verbringen“. Eine Umschuldung oder ein Verkauf seines Anwesens auf Mallorca sollte zum großen finanziellen Befreiungsschlag führen, und die Suchmaschine Google hat den Treffer zu dieser Meldung algorhythmussicher mit der Anzeige „Luxusimmobilien auf Mallorca – jetzt unverbindlich anfragen“ garniert, wiewohl Boulevard-Reporter herausgefunden haben wollen, die Becker-Bude auf Mallorca sei ziemlich „versifft“ und daher eigentlich schwer verkäuflich. Ein anderer Becker-Gläubiger, der ein Darlehen von 41 Millionen Schweizer Franken zurück haben will und deswegen auch klagte, musste sich hingegen in der Schweiz von einem Richter belehren lassen, die Forderung an sich sei unstrittig, er habe es jedoch versäumt, mit „Bobele“ zu vereinbaren, wann dieser denn das Darlehen eigentlich zurück gezahlt haben sollte. Somit bestätigte das Gericht indirekt Boris Beckers Auffassung in Sachen Zahlungsmoral. Der einstige Tennisstar, dessen Biografie der „Stern“ schon 2003 in der Schlagzeile „Pleiten und Pokale“ zusammenfasste und der „Focus“ mit der Zwischenüberschrift „Vom stotternden Rotschopf zum Superstar“, gibt nunmehr Anlass, über den feinsinnigen semantischen Unterschied zwischen Bankrott, Konkurs und Insolvenz nachzudenken. Das Wort „Bankrott“ kommt aus dem Italienischen und bedeutet „zerbrochener Tisch“. Mit einem Kaufmann, dem man wegen säumiger Zahlungen oder gar wegen schlechter Zahlungsmoral früher zur Strafe den Tisch zerbrochen hatte, mochte keiner mehr Geschäfte machen wollen. Was können wir daraus lernen? Das „manager magazin“ gibt uns jedenfalls den Rat, „Vermögensrisiken“ rechtzeitig zu „erkennen“, um „die Gefahr, irgendwann ‚prominent, aber pleite‘ zu sein, weitgehend ausschließen.“ Man kann aber auch von den Medien zum Pleitier stilisiert werden und trotzdem prominent bleiben. Der „Spiegel“ bescheinigt Becker immerhin, er sei immer noch „eine Bereicherung für jeden Sektempfang“.

Zeitungskasten mit „BILD“-Titelseite, August 2017, Foto: Raap/Bär

Die Frage von „Bild.de“ („Boris Becker – wo ist sein ganzes Geld?“) glaubt in einem Kommentar zu einem Youtube-Beitrag ein gewisser „Manne Gurando“ – mit allerdings grammatikalisch falschem Komparativ – beantworten zu können: „Das meiste Geld verbrauchte er für seine Vögelei und anschließend für die Frauen, die schlauer sind wie er…“ Eine Lebenserfahrung, die in einem weiteren Kommentar „HesseJames“ bestätigt: „Die Weiber kosten halt, und ab und zu meldet sich dann auch nochmal das Finanzamt“, während hingegen „Gisela Stapf“ zu wissen glaubt: „Das Geld ist bei den Illuminaten. Die Illuminaten kontrollieren die Welt und natürlich auch die Sportwelt.“

Die „BILD“-Schlagzeile, Boris Becker säße „pleite am Pokertisch“ im Casino von Rozvadov (Tschechien), wussten „Focus“ und andere Blätter zu relativieren: Becker habe mit dem Veranstalter „Party Poker“ einen Vertrag als „Markenbotschafter“ geschlossen, wurde nach Rozdadov mit dem Hubschrauber eingeflogen und bekam das Startgeld gestellt. Bobele verließ laut „Sport1“ das Casino spätabends mit einem Gewinn von 2.798 Euro. Immerhin.

Einem intellektuell wachen Leserbriefschreiber aus Chemnitz verdanken wir in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) den Hinweis, es gäbe keinen feministischen Plural für „Blödmänner“, und bislang habe sich noch keine Frau darüber beschwert. Wie würde es also politisch korrekt heißen? „BlödmännInnen“ oder „Blödmänn*innen“, oder schlicht und einfach nur „Blödfrauen“?

Hängt das religiöse Empfinden vom Toilettengang ab? Für Konrad Müller, Vorstandsvorsitzender des Kölner Bürgerzentrums Alte Feuerwache, offensichtlich schon, denn er setzte mit seinen Vorstandskollegen hirnrissigerweise den Einbau einer „kultursensiblen“ Toilette für Muslime durch – ein Stehklo, wie man es früher aus Frankreich kannte. In Frankreich sind diese Stehklos mittlerweile überall verschwunden, und dies aus gutem Grund, weil sie nämlich viel zu unbequem sind. Seit Herr Bär in den 1970er Jahren Frankreich und andere südliche Länder zu reisen begann, hat er diese Stehklos als zumeist verdreckt und überschwemmt in Erinnerung: das bräunliche Wasser stand in der flachen Schüssel meistens 1-2 cm hoch auf dem Boden, man konnte mithin dieses Klo nur mit festem Schuhwerk betreten. Seine Notdurft in der Hocke zu verrichten, und dabei die heruntergelassene Kleidung nicht zu beschmutzen oder in dem nassen Toilettenboden durchzufeuchten, erforderte schon einiges an akrobatischem Geschick. Als Herr Bär vor ein paar Jahren in Tunesien weilte, standen dort solche Klos überall noch weitaus mehr unter Wasser, als er dies von früher aus Frankreich kannte, weil man in Tunesien nämlich anstelle von Toilettenpapier nur einen Wasserschlauch zum Abspritzen verwendet – für Konrad Müller  ist dies jedoch der Inbegriff hygienischen Wohlgefühls in der muslimischen Welt, was sogar seitens einer grünen Lokalpolitikerin zu Recht als „anmaßend“ kritisiert wird. Alles in allem ist letztlich die europäische Kloschüssel als zivilisatorischer Fortschritt zu bejubeln, und der mitteleuropäische Sitzpinkler gilt mittlerweile ja auch in den Kreisen von Hardcore-Feministinnen als vorzeigbar in Sachen hygienefördernder Emanzipation und anti-patriarchalischer Domestizierung – allein dieser wunderliche Konrad Müller und seine ebenso schrulligen Vorstandskollegen wollen aus ihrem Bürgerzentrum wieder ein Eldorado für breitbeinig-archaische Stehpinkler machen, und wer dort in der Plumpsklo-Kabine dann auch noch das große Geschäft verrichten will, der kann sich sicher sein, dass dieses „kultursensible“ Sanitär-Etablissement nicht in Ost-West-Richtung, sondern Nord-Süd-Richtung justiert ist, denn, – so lässt sich Konrad Müller allen Ernstes vom Boulevardblatt „Express“ zitieren: „Nach Mekka kacken geht gar nicht“. Er muss es ja wissen als Experte für sakrales Sanitärwesen. Eigentlich wäre die Kölner Klo-Posse ein geeigneter Schwank für die stets pfiffigen Stockpuppen im Hänneschen-Theater, wo Konrad Müller allerdings nur die Rolle des Tünnes vorbehalten bliebe, oder besser noch für die kölschen Volksstücke im „Scala-Theater“, wo es gemeinhin immer recht derb und vulgär zugeht und an fäkalistischen und sexuellen Anspielungen nicht gespart wird: „Nach Mekka kacken geht gar nicht“ könnte dort auch der selige Wally Bockmayer in einen Rollentext seiner Komödien hineingeschrieben haben. Doch die törichte Frage, ob man Muslimen in der Fremde durch unbequemere Toiletten, mithin durch kulturellen Rückschritt, ein besseres Lebensgefühl verschaffen kann, schaukelt sich zu einer Grundsatzdebatte doch, wie viel an kultureller Bringschuld die Einheimischen gegenüber den Zugezogenen eigentlich abzuliefern haben, und man ahnt: ein Großteil der kulturellen Konflikte, die wir derzeit bisweilen in unserer Gesellschaft auszutragen haben, resultieren gar nicht aus einem mangelnden Anpassungswillen der Zugereisten, sondern viel eher aus der Naivität und der ideologischen Verblendung, im Falle Konrad Müllers auch aus kultureller Überheblichkeit, als ob die Muslime keine besseren Klos verdient hätten, was Müller sich anmaßt zu entscheiden, und in anderen Fällen aus der von historischer Schuld beladenen Ängstlichkeit mancher Alteingesessener. So ist denn die „kultursensible Toilette“ für Leute wie Konrad Müller ein Purgatorium: Es drängt sich die Assoziation zu einer Reinigungsmetapher auf. Man reinigt sich symbolisch-rituell durch vermeintliche politische Korrektheit und Zugeständnisse an eine falsch verstandene Multikulturalität von eben jener historischen Schuld der Altvorderen, die in Teilen des kollektiven Gedächtnisses als eine Art Erbsünde nachwirkt, und dann kann man sich zumindest in jenem Bürgerzentrum als rechtschaffener Toilettenmann moralisch überlegen fühlen gegenüber jenen Altvorderen und gegenüber all den Trumps, Le Pens, Gaulands, Petrys und Orbans dieser Welt: wir sind aufgrund unserer humanen Gesten und unserer Weltoffenheit selbst bei der Darmentleerung nicht (mehr) so wie unsere Väter und Großväter. Allerdings hat der Soziologe und Publizist Dolf Sternberger schon in den 1950er Jahren in seiner Abhandlung „ Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ verdeutlicht, dass ein ursprünglich neutrales Wort unter gewissen Zeitumständen – wie bei den Nazis – eine zynische ideologische Aufladung erfahren könne: als Beispiel nennt er das Wort „Betreuung“ als „diejenige Art von Terror, für die der Jemand – der Betreute – (auch noch) Dank schuldet“. Und das Wort „kultursensibel“, wie Konrad Müller und Konsorten es mit einer gewissen Arroganz und Dank einforderndem Unterton verwenden, wäre nachträglich in dieses Wörterbuch aufzunehmen. Das Purgatorium ist ein Fegefeuer, in welchem die Idee der Säuberung durch den fegenden Besen steckt, im übertragenen Sinne meint dies eine Reinigung auch als eine seelische und geistige Läuterung, und wenn man sich dem höchst seltsamen sanitären Treiben im Kölner Bürgerzentrum Alte Feuerwache einmal vulgärpsychologisch annähern wollte, dann würde Herr Bär diesem Konrad Müller und seinen Konsorten unterstellen, ihr Wunsch nach Reinlichkeit der Seele im Sinne von Wiedererlangung der Unschuld ließe sich vor allem mittels einer durch ideologische Verstiegenheit verbogenen Willkommenskultur erzielen, die quasi als eine Art kultureller Buße dann aber in höchstem Maße paradoxerweise die Abkehr von der Sekundärtugend des typisch deutschen Hangs zur Sauberkeit betreibt, wie sie im Schwabenland in der traditionellen „Kehrwoche“ (fegen! Besen! sic!) immer noch einen alltagssoziologischen Höhepunkt erlebt, im stets zugemüllten Köln allerdings seit alters her weniger, weshalb hier im 18. Jahrhundert das Eau de Cologne erfunden wurde, um den Gestank in den Gassen und Gossen besser ertragen zu können. Demnächst ist wieder Tag der Offenen Tür in der neuen Moschee von Köln-Ehrenfeld. Herr Bär hat sich vorgenommen, aus diesem Anlass dort einmal die Toiletten zu inspizieren. Die „Frankfurter Allgemeine“ zitierte jedenfalls schon 2014 den Architekten Paul Böhm, dieser habe sich gewundert, dass in dieser Moschee „vor den Toiletten billige Resopalwände eingezogen werden“. Das sollte Konrad Müller zu denken geben.

Bundestagswahlkampf mit Martin Schulz und Che Guevara, 2017, Foto: Copyright Raap

Was für ein langweiliger Bundestagswahlkampf. Mutti Merkel lullt uns alle ein, wiewohl sie im „Phoenix“-Interview versprach: „Ich gebe alles!“ Der Herausforderer Martin Schulz entpuppt sich mittlerweile auch als alter Langweiler, der es allen recht machen will und sich dabei nur als ein Routinier der Unverbindlichkeit entpuppt, dann auch noch von Gerhard Schröder eins übergebraten bekommt, der unbedingt jetzt in der heißen Phase des Wahlkampfs den Eindruck erwecken will, er käme mit seiner Pension als Altbundeskanzler nicht aus, weswegen er sich im Aufsichtsrat des Putin-nahen „Rosneft“-Konzerns etwas hinzuverdienen muss, was auf ein grundsätzliches Scheitern der deutschen Rentenpolitik hindeutet: wenn schon der Schröder von der Altersarmut bedroht ist und mit 73 Jahren noch in Russland arbeiten muss, und auch der Ehrensold für Altbundespräsidenten von 236.000 Euro pro Jahr bei Christian Wulff nicht auszureichen scheint, was wird dann erst aus dem Kleinrentner mit 800 Euro im Monat? Hier hätte Herr Bär mal ein markiges Wort von Martin Schulz erwartet, z.B. „Die Renten sind sicher, auch die von Gerhard Schröder“, aber stattdessen bringt einzig und allein Recep Erdogan etwas Stimmung in die Bude mit seiner Wahlempfehlung, das Kreuzchen keineswegs bei CDU, SPD oder Grünen zu machen. Die inhaltliche Bildaussage auf dem Foto „Erststimme Schulz, Zweistimme Che Guevara oder gerne auch umgekehrt“ hinterlässt nach Erdogans Suada mithin eher Ratlosigkeit, weil die MLPD nämlich mit Spitzenkandidaten wie Che Guevra und Lenin antritt, die schon lange tot sind. Will man wirklich Leichen auf den Hinterbänken des Bundestages sitzen haben? Lieber nicht. Die „Partei bibeltreuer Christen“ empfiehlt sich für muselmanische Wahlberechtigte in Erdogans Augen wahrscheinlich ebenso wenig als Alternative zu CDU, SPD und Grünen wie „Die Urbane“, die als eine eher firlefanzorientierte „Hiphop Partei“ antritt. Sollte man stattdessen vielleicht die Kandidatur der „Magdeburger Gartenpartei“ mit Wohlwollen begleiten? Hm, hm, gilt Magdeburg nicht als das Bielefeld des Ostens? Also auch lieber nicht. Oder die „bergpartei“, die als „realdadaistisches Sammelbecken“ antritt? Sind diese Kleinstparteien wirklich so viel anders als CDU, SPD und Grüne? Hier wäre vielleicht auch eine Wahlempfehlung von Wladimir Putin mal eine nützliche Entscheidungshilfe, doch im Unterschied zu Erdogan zieht es Putin vor, zu den Kandidaturen im deutschen Wahlkampf schweigen. Wenn man die „Transhumane Partei“ mit ihrem Sologan „Für das Wohl und Glücklich-Sein aller“ wählt, kann man wahrscheinlich nicht viel falsch falsch machen, außer seine Stimme sinnloserweise zu verschenken, denn im Unterschied zur amerikanischen Verfassung, in die Thomas Jefferson schon 1776 seine „Pursuit of happiness“-Formel hineinschrieb, ist ein „Recht auf Glück“ im deutschen Grundgesetz nicht vorgesehen, und ob ausgerechnet die „Transhumane Partei“ die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung zusammen bekommt, muss bezweifelt werden. Den amerikanischen Verfassungsgrundsatz des Rechts auf Glück erläutert der Jurist Andreas Fischer im Internet als eine den Amerikanern „gewährleistete Freiheit von unvernünftigen Regierungsmaßnahmen, das Recht, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten“, und wenn hier von unvernünftigen Regierungsmaßnahmen die Rede ist, denkt man natürlich sofort an Donald Trump und seine Amtsführung in Form einer bizarren Mischung aus Hanswurstiade und Bösartigkeit.

© Raap/Bär 2017

Essen und Trinken mit Karl-Josef Bär

Belegte Brote

Lord Sandwich war ein leidenschaftlicher Kartenspieler und hasste es, in seinem Club die Partie zum Essen unterbrechen zu müssen. Deshalb orderte er 1762 beim Club-Personal belegte Brote, die er mit einer Hand halten und während des Spiels verzehren konnte, und die später nach ihm „Sandwich“ benannt wurden. Sie werden mit Toastbrot angerichtet und diagonal als Dreieck geschnitten. Das deutsche Butterbrot wird von Johann Wolfgang von Goethe in „Die Leiden des jungen Werther“ erstmals literarisch erwähnt, allerdings empfahl schon Martin Luther als nahrhafte Kindernahrung die „Butterbemme“. In Hamburg ist ein Butterbrot ein Schwarzbrot mit einem halben Brötchen. Das niederländische Boterham (kölsch: „Botteram“) meint eine Brotscheibe belegt mit Aufschnitt. Das dänische Smørrebrød hat Schwarzbrot als Grundlage und ist recht üppig belegt mit Wurst, Tatar, Zwiebeln, oder auch Fisch, Ei, Rote Beete und Kaviar. Die italienische Bruschetta wird als Vorspeise gereicht – ein noch warmes geröstetes Brot wird mit Knoblauch und Olivenöl eingerieben, oft auch mit gehackten Tomaten und Basilikum, in den Abruzzen auch mit Schinken.

Hähnchen Moambe

Dieses Gericht stammt aus dem Kongo und basiert auf dem rötlichen gehärteten Palmenöl Moambe, das man bei uns in afrikanischen Läden bekommt. Eigentlich gehören dazu auch frische Palmnüsse, aber die sind in Deutschland selten erhältlich, aber man kann sich auch mit Moambe begnügen: Man zerteilt ein Hähnchen in kleinere Stücke mit Knochen und brät es zusammen mit 2 Zwiebeln und 2-3 Schalotten in Olivenöl in der Pfanne an, gibt dann 1 geschnittene Poreestange, 1 Lorbeerblatt, 4 gewürfelte Tomaten, 1 milde rote Paprikaschote (Spitzpaprika), etwas Erdnusssauce, und 3-4 Esslöffel Momabe hinzu, verrührt alles und lässt es 45 Min. bei leichter Hitze schmoren. Würzen mit Salz, Pfeffer, Piri-Piri (Chilisauce), 4 Knoblochzehen, frisch geriebener Muskatnuss. Dazu reicht man Reis und separat zubereitete Kochbananen.