bär aktuell nr. 159 – 3. Sept. 2013

September 2nd, 2013

Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Bamberg rühmt sich in seiner Tourismuswerbung, den weltweit höchste Pro-Kopf-verbrauch an Bier und die höchste Brauereidichte in Relation zur Bevölkerung von 70.000 Einwohnern zu haben. Da wirkt es ein wenig weltfremd, wenn der örtliche Bundestagskandidat der Piratenpartei ausgerechnet dort die Einrichtung eines „Hanfgartens für Erwachsene“ als einzigen Punkt im Wahlkampfprogramm des Ortsvereins seiner Partei verkündet. Die Bamberger Erwachsenen sitzen nämlich lieber im Biergarten. Und für die Alternative eines „Hanfgartens“ interessiert man sich dort in den lauschigen Biergärten nicht wirklich. Das lokale Musikgeschehen bereichert eine Band namens „Die zwangsversteigerten Doppelhaushälften“, und das „Kaufhaus Schrill“ lockt Kunden mit dem Hinweis: „Bei uns würde Helmut Schmidt auch rauchen“. Im Schaufenster sind Dirndlkleider zu sehen, wie man sie im Rheinland allenfalls als Karnevalskostüme anziehen würde, und dazwischen prangen Fotos mit der grünen Stil-Ikone Claudia Roth bei der Anprobe solch grellfarbener „Dirndlmania“-Kostüme im Kaufhaus Schrill, und Herr Bär stellte sich vor, wie sich Claudia Roth anschließend solchermaßen kostümiert in den „Hanfgarten für Erwachsene“ der Piratenpartei verirrt haben könnte.

Nie wirkte Guido Westerwelle lächerlicher als er vor die TV-Kamera trat und mit einer Stimme, die schneidig klingen sollte, in den Äther hinausposaunte, der Giftgasangriff in Syrien werde „Konsequenzen“ haben. Den schnarrenden Herrenreitertonfall von Kaiser Wilhelm II. („Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“) hat Westerwelle dabei nämlich einfach nicht richtig hingekriegt. Mutti Merkel hat ihm dann wohl den Hintern versohlt und schickte ihn zwei Tage später erneut vor die Mikrofone der Weltpresse, wo Westerwelle dann deutlich weniger um Schneidigkeit bemüht und sogar erstaunlich kleinlaut erklärte, eine „deutsche Beteiligung“ an einem möglichen Militärangriff gegen Syrien sei „nicht nachgefragt“ worden und werde „auch nicht in Erwägung“ gezogen. Da Kriegsgründe gemeinhin auf Propagandalügen beruhen und man heute zu wissen glaubt, die Nachrichtendienste hätten den damaligen US-Präsidenten George Bush belogen, als sie ihm einen höchst fadenscheinigen Kriegsgrund mit der Behauptung lieferten, Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen (die bis heute nie gefunden wurden), muss man in höchstem Maße skeptisch sein bei den Schuldzuweisungen, die nun über den Chemiewaffeneinsatz in Syrien durch die Medien geistern. Gewiss ist der Syrer Baschar al Assad ein nicht minder unappetitlicher Diktator als es Saddam Hussein im Irak und Muammar al Ghaddafi in Lybien waren, aber eines Tages wird man vielleicht erkennen, dass die eigentliche historische Leistung von Gazprom-Schröder als Bundeskanzler nicht die Verabschiedung der unsozialen „Agenda 2010“ mit ihren fatalen Hartz IV-Gesetzen war, sondern jene, sich nicht von Bush und Co. in den Irak-Krieg hineinziehen zu lassen, der dem ausgeplünderten Land auch zehn Jahre nach seinem Ende noch keinen Frieden und keine politische Stabilität beschert hat.

Bürger beobachten Peer Steinbrück Einen erneut fulminanten Fehlgriff in die Metaphern-Kiste leistete sich Pannen-Peer mit der Behauptung, wenn er Kanzler werden würde, dann ginge es in der Politik „rockiger“ zu. Peer Steinbrück als der Keith Richards der SPD? Alles andere kann man sich vorstellen. Sogar Claudia Roth in einem knallbunten Dirndlkleid aus dem Bamberger „Kaufhaus Schrill“ in einem „Hanfgarten für Erwachsene“ der Piratenpartei, aber ausgerechnet Steinbrück als Rock ’n Roller? Da versagt allerdings jegliche Phantasie.

Warum man ausgerechnet nachts joggen muss kann Herrn Bär niemand schlüssig erklären. Jedenfalls wurde ein nächtlich beleuchteter Joggingpfad rund um den Kölner Adenauer-Weiher abgelehnt mit der Begründung, dort lebe die nachtaktive Waldohreule, die durch die schnaufenden Jogger gestört werden könnte. Jetzt will die Linkspartei einen solchen Leuchtpfad für Jogger am Rheinufer anlegen lassen. Solange es dort noch keinen „Hanfgarten für Erwachsene“ gibt, deren nachaktive Gäste sich beim beschaulichen Wasserpfeifengenuss durch die hektisch vorbeistampfenden Jogger gestört fühlen könnten, dürfte das kein Problem sein. Dass sie ausgerechnet bei der Linkspartei so sportbewusst sind, wundert Herrn Bär nicht. Schließlich stammt von Walter Ulbricht der schöne Ausspruch: „Jedermann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport“. Das wird offensichtlich bei der Kölner Linkspartei heute noch beherzigt.
© Raap/Bär 2013

bär aktuell nr. 158

August 17th, 2013

Gut gegeben Sehr souverän reagierte der famose Franz Beckenbauer auf die Frage, ob er zu Hause einen W-LAN-Anschluss hätte. Antwort Beckenbauer: „Wieso W-LAN? Ich habe doch meine Frau!“
Eine Antwort, die man in dieser Form eigentlich eher von Lothar Matthäus erwartet hätte.

Bärs Bestatterkritik Zu den beliebtesten Bestatter-Witzen, die man sich derzeit im Kölner Totengräbergewerbe erzählt, gehört jener, man habe in der Friedhofsgastronomie das „Herren-Gedeck“ (1 Kölsch und 1 Korn) um ein „Melaten-Gedeck“ erweitert: 1 Kölsch und 1 Kuckelkorn. Pointenerklärung für Imis: Melaten ist der Zentralfriedhof in Köln. Wenn der Kölner charmant sein will, dann bezeichnet er stark ergraute Haare als „melaten-blond“. Der Bestatter Christoph Kuckelkorn ist in Personalunion auch künstlerischer Leiter des Kölner Rosenmontagszuges und damit der lebende Beweis für die These des Bonner Kunsthistorikers Prof. Heinrich Lützeler, dass man es im Rheinland verstehe, „das Erhabene ein wenig dem Erheiternden anzunähern“. Darum bemüht sich ebenfalls der Konkurrent Pütz-Roth, der in seinem Bestattungsunternehmen am 26. September 2013 eine „kölsch-bergische Revue“ mit Heinz Monheim unter dem vielversprechenden Titel „Et hätt noch immer jot jejange“ zelebriert, was in diesem Kontext gewiss tröstlich klingt, egal, welchen Jenseitsvorstellungen man individuell anhängt. Über das Bestattungshaus Ahlbach in Köln-Bickendorf weiß unterdessen ein Internet-Nutzer namens „hyperactiveman“ zu berichten, es gäbe dort im Schaufenster immer „Sarg Specials“ für „Lokalpatrioten und Designliebhaber“ zu bestaunen. Aber das alles reicht nicht an die Umtriebigkeit von Christoph Kuckelkorn heran, der es auch sonst versteht, einem gemeinhin auf Pietät und Takt basierenden Gewerbe via Boulevardpresse manchmal sogar einen Hauch Seifenoper zu verleihen.

Die Deppen der Wahlkampfgestaltung werden nicht müde, ihr Publikum zu veralbern mit gründlich geschönten Politikerporträts. Mutti Merkel haben sie auf den Plakaten jählings um 20 Jahre verjüngt, und jetzt sieht sie so aus wie früher Marika Rökk in der „Homorcenta“-Werbung. Nur Merkels Prinz Eisenherz-Frisur will dazu nicht so recht passen. Auch Guido Westerwelle wirkt auf den Plakaten so, als ob er sich weigern würde, endlich erwachsen zu werden, und beim Antlitz von Rainer Brüderle glaubt man, im Gentech-Labor sei ein Kreuzungsversuch mit einem Meerschweinchen gründlich in die Hose gegangen. Dafür haben sie den jugendlichen Gesundheitsminister Daniel Bahr so zurecht geknautscht, als ob er jahrelang Medikamentenmissbrauch betrieben hätte. Die Grünen hingegen haben im Wahlbezirk Köln-Weidenpesch als Spitzenkandidatin eine Frau namens Katharina Dröge aufgestellt, bei ihrem Porträt kosmetisch allerdings wohl nicht allzuviel verändert, mit dem Ergebnis, dass beim Anblick dieses Wahlplakats niemand die Formel „Nomen est omen“ in Abrede stellen mag.
Der Schlagersänger Costa Cordalis indes rückte nicht nur seinem Porträt computergrafisch zu Leibe, sondern auch seinem realem Gesicht, indem er sich in selbiges zwecks Auffrischung nämlich Körperzellen aus seinem Gesäß spritzen ließ. Als sich dadurch der erwünschte Verschönerungseffekt jedoch nicht einstellte, fasste die BILD-Zeitung die ganze Geschichte in dem Satz zusammen: „Costa Cordalis: erst Arsch im Gesicht, dann Gesicht im Arsch“. Das wiederum trifft auch auf die computergrafische Gestaltung mancher Porträts auf Wahlkampfplakaten zu.

Als Herr Bär jüngst sein Fahrrad reparieren ließ, belehrte dort der Mechanikermeister seinen Lehrjungen: „Wenn du nicht weißt, was du tust, dann lass es lieber bleiben“. Das sollte man auch manchen Politikern und ihren Wahlkampfgestaltern ins Stammbuch schreiben. Als die Grünen nämlich im Wahlkampf forderten, in Kantinen künftig einen vegetarischen „Gründonnerstag“ zu institutionalisieren, haben sie wohl nicht daran gedacht, dass auch der Vegetarier Adolf Hitler in den 1930er Jahren schon einmal staatlich verordnete Eintopfsonntage durchsetzte, dass aber auch völlig unabhängig davon bei manchen Zeitgenossen ein autoritär von oben verordneter „Veggie-Day“ einen äusserst faden Beigeschmack haben könnte, so wie manches andere, was mit typisch deutscher Verordnungs- und Regulierungswut durchgesetzt wird: ein Leserbriefschreiber bekundete jedenfalls im „Kölner Stadtanzeiger“ trotzig, aus Protest gegen den moralisierenden Rigorismus der Grünen habe er sich zu „Lommi“, d.h. in die Traditionsgaststätte „Lommerzheim“, begeben, um dort mit Hochgenuss ein extra dickes schön paniertes Schweinekotelett zu verzehren. Gewiss ist die Gaststätte „Lommertzheim“ ein Ort, an dem man sich vor den Zumutungen der Grünen sicher fühlen kann, denn völlig abwegig wäre die Vorstellung, ausgerechnet hier könne Katharina Dröge mit dem Gründonnerstags-Programm ein Direktmandat erringen.

© Raap/Bär 2013

bild des monats august 2013

August 2nd, 2013

„Herr Bär, der Platz auf Ihrem Bild ist ja völlig mit Grünzeug zugewuchert!“
Bär: „Jo jo, do müsste ens einer met dä Heckenschere ran. Ävver dafür is dat Grünflächenamt zuständig. Ich han dat nur jemalt“.
„Kann man also behaupten, in diesem Bild seien Naturwahrheit und Kunstwahrheit identisch?“
Bär: „Zur Zeit noch ja. Ävver wenn dat Grünflächenamt dat Grün wat zurecht geschnitten hat, ändere ich nix mehr an däm Bild…“

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Der Wassermann“, 2013
baer/raap "der wassermann" 2013

baer aktuell nr. 157 und bild des monats juli 2013

Juli 10th, 2013

Wenn der Künstlerdarsteller Jonathan Meese auf der Performance-Bühne den Hitlergruß entbietet und zugleich verbal die „Diktatur der Kunst“ einfordert, dann fragt sich Herr Bär, ob Meese den kindsköpfischen Autisten nur mimt und sein Publikum gründlich verarscht, oder ob er bei seiner offenkundigen Koketterie mit dem Nazitum tatsächlich intellektuell überfordert ist. Dass man bei Meeses ausgestrecktem Arm und seiner albernen Vokabel von der „Diktatur der Kunst“ sofort daran denkt, dass der gescheiterte Postkartenmaler Adolf Hitler in die Politik ging und zum Diktator wurde, und dass man Meese daher durchaus eine Affirmation zu der historisch übelsten Erscheinungsform einer Diktatur unterstellen kann, scheint ihm nicht in seinen Kindskopf zu kommen. Oder es ist ihm einfach egal. Im Vergleich zu jedem Nachwuchskabarettisten, der halbwegs gekonnt Adolf Hitler parodiert, ist Meeses plapprige Rhetorik auch noch so schlecht, dass seine Performance als Ein-Mann-Reichsparteitag mit ihm als Kunst-Hitler auch formalkünstlerisch völlig in die Hose geht. So sei denn diese kleine Sottise von einem Zweizeiler gekrönt:

Wer packt gern braune Scheiße an?

Das ist der Meeses Jonathan.

 

Bürger beobachten Peer Steinbrück Nicht viel Neues glaubte Herr Bär zunächst über Pannen-Peer berichten zu können: während Angela Merkel etwas ungelenk aber dennoch medienwirksam in Gummistiefeln durchs Hochwassergebiet stapfte (was schon Gerhard Schröder seinerzeit einen Wahlsieg eintrug, wobei gleichzeitig Westerwelles „Guidomobil“ von den Medien völlig unbeachtet auf einer Landstraße im fernen Ostfriesland kläglich mit einem Batterieschaden verreckte), war Steinbrück in den Krisentagen der Flutwelle einfach abgetaucht und ließ sich auf den Deichen überhaupt nicht blicken. Chancen sollte man allerdings ergreifen und nicht verpassen, aber die Chance zu einer medienwirksam-populären Deichgrafen-Nummer haben sie in seinem PR-Team glatt verschlafen. Angesichts dieser Umstände wirkte er keineswegs metaphernsicher, als Steinbrück dann plötzlich wieder auftauchte und im Bundestag der Kanzlerin zurief: „Wenn Sie die Wüste regieren, wird der Sand knapp“. Das mag ja noch nicht einmal völlig unrichtig sein. Aber das sagte Steinbrück zu ihr immerhin an einem völlig verregneten Sommertag bei 17 Grad Celsius, als der Pegel gerade zurück ging und die Bundeswehr-Pioniere anfingen, die Sandsäcke an den Deichen wieder wegzuräumen. Aber hallo!

Ratlosigkeit herrschte beim amerikanischen Nachrichtendienst NSA: soll man Peer Steinbrück weiter ausspionieren? Lohnt sich das? Herr Bär rät: Nein, das lohnt sich nicht. Der ist harmlos. Der tut nix. Der will nur spielen. Was die US-Schnüffler allerdings stutzig macht: Steinbrück sammelt Glühbirnen und hortet sie in seinem Keller. Im Keller!!! Hat der Mann was zu verbergen? Nein, hat er nicht. Peer Steinbrück hat sich nur rechtzeitig mit einem Vorrat alter Glühbirnen eingedeckt, bevor sie von der EU-Kommission verboten wurden. Aus dem gleichen Grund hat sich Altkanzler Helmut Schmidt 200 Stangen mit Mentholzigaretten zugelegt, bevor auch die verboten werden. Jetzt schließen sie bei der NSA mit ihrer verqueren Logik messerscharf: alle potenziellen Bombenleger haben sich wahrscheinlich noch rechtzeitig einen Vorrat an Sprengstoff zugelegt, bevor auch der von der EU-Kommission verboten wird. Könnte man denn mit Glühbirnen eine Bombe bauen? Oder mit 200 Stangen Mentholzigaretten ein Haus anzünden? Um das herauszufinden, muss man gewiss nicht die e-mails braver Bürger überwachen, sondern es reicht das Nachschlagen in einem Lehrbuch für praktische Physik. Und im Unterschied zu den USA mit ihren fahrlässig laschen Waffengesetzen ist bei uns der Besitz von Sprengstoff und Schusswaffen für Privatpersonen sowieso strengstens verboten, so dass man sich bei der NSA in 99 Prozent aller Fälle die Kosten für die e-mail-Überwachung von EU-Bürgern sparen könnte.

© Raap/Bär 2013

 

Bild des Monats Juli 2013:

Herr Bär, Sie haben ein Bild des flüchtigen Ex-Agenten Edward Snowden gemalt? Aber der ist ja auf dem Bild gar nicht zu sehen!“

 

Bär: „Dä hätt sich jo hinger denne Bananenstauden versteckt. Ich han jrad em Kölner Rheinpark vor Ort en Studie met Bananenstauden anjefangen, do kom dä Edward Snowden vorbei un säht, dä CIA wör hinger ihm her. Un hä däht sich jetz hinger denne Bananenstauden verstecken. Da han ich dat janze Jestrüpp wat dichter jemalt, so wie ne Dschungel, domet mer dä Edward Snowden nit direck süht“.

 

Und wie geht die Geschichte weiter?“

 

Bär: „Fünf Minuten später kom su ne CIA-Agent anjerannt, met en decke Sonnebrill op de Nas, un ich sage zo däm, wenn de jetz he beim Verstecken metspille wills, musste dir de Augen zohalten un bis zehn zälle. Dann kannste anfange ze söke. Dat hätt dä Jeck och jemaht. Dä Snowden hinter däm Bannenstrauch un ich han uns för Laache bald en de Botz jedrisse…“

 

 

 

Karl-Josef Bär/Jürgen Raap, „Die Spießer in er Rue de Montogueil“, 2013

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bär aktuell nr. 156 – 22. Juni 2013

Juni 12th, 2013

Bär polyglott – Unterwegs mit Herrn Bär Mit typisch österreichischem Charme warb man unlängst in der Wiener U-Bahn für den Weltnichtrauchertag: „Rauchen könnte Ihr Geldbörserl schädigen“. Wer wollte das jemals bezweifeln?
Mit Sicherheit ist Uli Hoeneß in der langen Geschichte der deutschen Steuerhinterzieher der erste, der sich rühmen darf, dass ihm sowohl der Bundespräsident als auch die Bundeskanzlerin die Hand gedrückt haben, und dies zu einem Zeitpunkt, da seine unrechtmäßige Steuervermeidung medial schon längst keine „mutmaßliche“ mehr war, da Hoeneß nämlich geständig war und via Boulevardpresse um Vergebung bat mit der etwas fatal wirkenden Selbsteinschätzung, er hielte sich nicht für einen „schlechten Menschen“. Der präsidiale Händedruck und ebenso jener der Kanzlerin galt aber nicht als Gratulation heimlichen Transfer von Millionen Euro in die Schweiz durch den vermeintlichen Gutmenschen Hoeneß, sondern vielmehr und ausschließlich ihm in seiner Eigenschaft als Präsidenten des Fußballvereins FC Bayern München und dessen diesjährigen Meisterschafts- und Pokalgewinnen. Wenn diese Händedruck-Fotos nun fortan ohne jegliche Bildunterschrift durchs Internet kursieren und dann eines fernen Tages von einer ahnungslosen „User“-Generation angeschaut werden, die nichts mehr über die durchaus auch vorhandenen dunklen Seiten des Uli Hoeneß weiß, dann muss wieder einmal der wackere Guido Knopp in „ZDF-History“ die Geschichte erzählen, die hinter solchen Bildern steckt. In der „ZDF-History“-Sendung zum Stichwort „Gefallene Engel“ tauchten z.B. neben dem Dopingsünder Lance Armstrong, dem Doktorandendarsteller Karl-Theodor zu Guttenberg und den Wulffs auch der Erotomane Dominique Strauss-Kahn auf. Zu Wort kam zwischendurch ein „Eliteforscher“, der dem Publikum erklärte, wieso wir gerade immer dann eine diebische Schadenfreude empfinden, wenn echte und triviale Helden sich selbst demontieren und ganz tief ins gesellschaftliche Abseits hinab stürzen. Mit Uli Hoeneß ließe sich diese „Gefallene Engel“-Sendung also trefflich fortsetzen, und vielleicht kommt dann in dieser Sendung auch noch die Düsseldorfer Punk-Combo „Die toten Hosen“ zu Wort, die derzeit bei ihren Bühnenauftritten Lacher einheimst mit der Pointe, der FC Bayern habe Uli Hoein die JVA München transferiert.
Der Scheich ist reich Während es in Deutschland verpönt ist, über seine Einkünfte zu reden, beschwerte sich hingegen ein saudischer Scheich, es sei eine Unverschämtheit, ihn auf der „Forbes“-Liste der reichsten Männer der Welt nur auf Platz 26 zu notieren, denn er habe in Wirklichkeit noch 20 Millionen mehr auf dem Konto und verdiene daher eine höhere Platzierung. Eine völlig andere Form von Vermögens-Outing bezeichnet man derweil in den deutschen Finanzämtern als „Hoeneß-Effekt“, denn allein in NRW hätten nach dem öffentlichen Hoeneß-Geständnis weitere 8.000 Steuersünder Selbstanzeige erstattet. Vielleicht werden sie dann von den Steuermehreinnahmen mehr Computer für die Verfassungsschützer anschaffen: denn während die CIA durch die Enthüllungen ihres EX-Agenten Edward Snowdon Schlagzeilen machte, ihre Auslandsabteilung NSA schöpfe mittels Internetspionage munter die Surfgewohnheiten der Nutzer von Google, Facebook etc. ab, gebärdet sich in Deutschland der Überwachungsstaat bislang noch reichlich dilettantisch, da nämlich jeder dritte Verfassungsschutzbeamte offline ist, weil es ihnen ganz einfach an Dienst-PCs mangelt. Wahrscheinlich fehlt den Schlapphüten das Geld für eine vernünftige PC-Ausrüstung, weil sie selbiges schon längst zur Finanzierung von dubiosen V-Leuten im rechtsextremen Milieu verbraten haben. Herr Bär graust sich allerdings vor der Vorstellung, die US-Methoden der Internetspionage könnten in Zukunft auch bei deutschen Verfassungsschutzämtern Einzug halten, weil diese sich dann womöglich kaum darauf beschränken dürften, nur solche Nutzer auszuspionieren, die sich bei ebay einen Chemiebaukasten ersteigern und mit Vornamen „Ali“ heißen. Mit dem Argument der Terrorismusabwehr hat man bislang noch jeden Unsinn an polizeilichem und nachrichtendienstlichem Übereifer zu rechtfertigen versucht, das war in der Zeit der RAF-Hysterie in den 1970er Jahren nicht anders als heute. Wie man in den Medien solch eine Hysterie manipulierend schüren kann, bewies in völliger Verkennung der Brisanz in Sachen bürgerlicher Grundrechte wieder einmal der BILD-Kolumnist Franz-Josef Wagner mit seiner hanebüchenen Feststellung, er wäre lieber überwacht als tot.
Bürger beobachten Peer Steinbrück Der BILD-Zeitung verdanken wir ansonsten so schöne Schlagzeilen wie „Hat Genscher neue Ohren?“, „Thomas Gottschalk beleidigt den deutschen Schäferhund“ und „Die Honecker-Bande handelte mit Kokain“ (1989), oder auch mit nationalistischem Unterton die reichlich alberne Headline „Wir sind Papst“ (2005). Jetzt kann man frohlocken, dass auch der Bundestagswahlkampf so richtig ins Boulevardesk-Seichte abgleitet, da nämlich Peer Steinbrück sich ausgerechnet den ehemaligen BILD-Redakteur Rolf Kleine als neuen Sprecher zugelegt hat. Vielleicht recycelt der dann die alten „BILD“-Stilblüten zu „Hat Steinbrück neue Ohren?“ oder „Wir sind Steinbrück“, und auf den legendären deutschen Sozialhilfeempfänger in Miami Beach, der von der BILD-Zeitung als „Florida-Rolf“ tituliert wurde, folgt nun eine Wahlkampfzeitung mit einer Homestory über „Pannen-Peer“. Eine erneute und mittlerweile schon klassische Peer-Panne ist Rolf Kleines Berufung sicherlich, wirkte dieser doch zuletzt als Lobbyist für einen als heuschreckenhaft verrufenen Wohnungskonzern und als missratener Witzbold, der sich auf seinem Facebook-Profil eine „alltagsrassistisch“-geschmacklose Anspielung auf Philipp Röslers vietnamesische Wurzeln leistete.

© Raap/Bär 2013

bär aktuell nr. 155 und bild des monats juni 2013

Juni 3rd, 2013

Ein rabiater Fahrschüler war schon zweimal durch die Prüfung gefallen. Laut Boulevardpresse rammte er bei der dritten Fahrschulprüfung ein Taxi, bedrohte anschließend den Taxifahrer und verprügelte auch noch seinen Fahrlehrer. Bevor er zum vierten Mal zur Fahrprüfung antreten darf, muss er erst einmal einen medizinisch-psychologischen Eignungstest machen, ob er „charakterlich“ überhaupt zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist. In diesem Zusammenhang sei ein Zitat des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) erwähnt, der einmal von sich behauptete: „Früher war ich eher ein Wilder, heute fahre ich risikobewusster“. Nachdem man sich diese Pointe ein paar Augenblicke lang auf der Zunge zergehen ließ, folgt nun korrekterweise die Auflösung, Ramsauer hätte damit keineswegs seinen Fahrstil als Autofahrer gemeint, sondern seine Abfahrtsläufe auf der Skipiste.

Bürger beobachten Peer Steinbrück und Der Vetter aus Dingsda Während die Liberalen für die Schlagzeile sorgten, der Vetter von Dirk Niebel sei von der FDP zur Anti-Euro-Partei übergelaufen, war dem Leserbrief eines gewissen Leo Unger an focusonline zu entnehmen, er hielte Peer Steinbrück für einen „Wendehals par excellence“, weil dieser nach einem möglichen Wahlsieg das Betreuungsgeld wieder abschaffen will, dessen Einführung er einst als Minister der Großen Koalition selbst mit beschlossen hatte. Bei den unbeholfenen Versuchen, ausgerechnet Peer Steinbrück nunmehr als links gewendeten Politiker zu verkaufen, kann man sich allerdings tatsächlich genauso verarscht vorkommen wie bei der Lektüre der Renditeprognosen in Prospekten für geschlossene Immobilienfonds. Mit einer gewissen Wachheit postete daher der Leser „Wandtbewohner“ an die Online-Redaktion des „Spiegel“, Steinbrück sei in Wirklichkeit „eine Marionette der Finanzwirtschaft“, was auch Herr Bär für nicht ganz falsch hält. Dem Kölner Boulevardblatt „Express“ war übrigens neulich zu entnehmen, dass ein Star-Büttenredner im Kölner Karneval für einen 20minütigen Auftritt eine Gage von 1.500 Euro verlangen kann. Hm, hm, wer will sich dann noch für ein Honorar von 15.000 Euro eine Rede von Peer Steinbrück anhören mit ein paar langweiligen selbstironischen Gags, die ihm sein Redenschreiber ins Manuskript diktiert hat? Der Preis für eine Flasche Wein auf einer Karnevalssitzung hat allerdings durchaus Steinbrück-Niveau, aber sehr viel billiger ist wahrscheinlich auch nicht ein unterhaltsamer Abend mit dem abtrünnigen Vetter von Dirk Niebel, wird doch die Anti-Euro-Partei im „Spiegel“ als „obskure Akademiker- und Millionärepartei“ apostrophiert. Das ist die FDP eigentlich auch, weshalb sich Herr Bär nun fragt, warum Niebels Vetter von dort stiften gegangen ist, desgleichen fragt sich das Dirk Niebel, der sich jetzt wahrscheinlich über seine puckelige Verwandtschaft grämt. In diesem Zusammenhang sei Eduard Prinz von Anhalt zitiert, der einst via Zeitungsinterview die Warnung kundtat, „wer immer sich in Zukunft den Titel eines von Anhalt durch Adoption erkauft oder ergaunert, wird damit weder etwas erben noch werde ich seine Rechnungen bezahlen“. Nun hat Dirk Niebel immerhin 30 Cousins in seiner Verwandtschaft, und obwohl das wahrscheinlich alles echte Niebels von Geburt und Geblüt an und keineswegs schnöde Adoptivlinge sind, müssen auch sie sicherlich alle ihre Rechnungen selber bezahlen, was ihnen gewiss nicht schwerfällt, sofern sie einer „obskuren Millionärepartei“ (vulgo: FDP) angehören.

Auffällig war übrigens bei den Fernsehberichten zum 150jährigen Jubiläum der SPD, dass man bei diesem Anlass Peer Steinbrück vor den Kameras versteckte, wohl wissend, dass er kaum mit solch charismatischen Persönlichkeiten wie August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels, Kurt Schumacher und Willy Brandt mithalten kann, und so blieb es dem Festredner Sigmar Gabriel vorbehalten, den Jubiläumsgast Angela Merkel fälschlich mit dem Titel „Frau Bundespräsident“ zu begrüßen, und Herr Bär ahnte in diesem Momnent, weshalb der gut genährte Bonvivant aus dem Harz als möglicher Kanzlerkandidat der SPD schon sehr früh aus dem Rennen war und – da Frank-Walter Steinmeier verzichtete – Peer Steinbrück dann selbiges machte.

© Raap/Bär 2013

Bitte beachten Sie folgende Veranstaltungshinweise:

Montag, 17. Juni 2013, 19.30 Uhr:

Vernissage zur Ausstellung „Blaue Blume & Blue Ray“ im Technologiepark Bergisch Gladbach, Friedrich-Ebert-Str. (A4 Richtung Olpe, Abfahrt 20 „Kürten-Herkenrath-Moitzfeld“)

Gruppenausstellung, u.a. mit Bildern von Jürgen Raap/Herrn Bär

 

Bild des Monats Juni 2013:

„Herr Bär, ist das da auf der Kirmes-Geisterbahn nicht der zechende Maler Rembrandt?“

Bär: „Enä. Dat is dä malende Zecher Rambrandt. Dat sieht man doch“.

„Und was malt der so?“

Bär: „Im Moment nix. Dä is ja jrad op dä Jeisterbahn am Zechen. Dä Rembrandt is nit so ne Multi-Tasking-Typ, dä mäht nie zwei Sachen gleichzeitig!“

 Karl-Josef Bär / Jürgen Raap „Johnnys Night Club“, 2013OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Bild des Monats Mai 2013

Mai 6th, 2013

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„Herr Bär, Sie wollen dieses Bild während einer Performance der Gruppe „Fehltwas?“ zu Ende malen?

Bär: „Jojo, mer treten do zum Europafest in Würzburg an der Mosel op.“

„Aber Herr Bär, Würzburg liegt doch nicht an der Mosel, sondern am Main!“

Bär: „Jo? Ehrlich?… Na ja, so groß is dä Unterschied ja nit. Et fängt ja beides mit „M“ an. Da kann man schon mal die Mosel met däm Main verwechseln“.

„Wann und wo ist denn der Auftritt?“

Bär: „Im Plastischen Theater Hobbit en dä Münzstraße. Am Donnerstag, 9. Mai um 20 Uhr“.

Copyright: Karl-Josef Bär / Jürgen Raap „Würzburger Polka“, noch unvollendet, 2013

 

bär aktuell nr. 154 – 3. Mai 2013

Mai 1st, 2013

Als der Komiker Oliver Pocher sich von Gattin Allessandra trennte, besann sich Boris Becker darauf, dass Schwaadlappigkeit wohl eher eine Untugend ist und twitterte in den Orkus: „Ich habe von der Pochertrennung schon vor einiger Zeit erfahren und halte einfach meine Klappe dazu“. Herr Bär zollte Boris Becker daraufhin Respekt.
Die Nigeria-Connection nahm sich Herrn Bärs Sprachkritik zu Herzen, denn der nächste Versuch, per e-mail Herrn Bär in einen Internetbetrug zu verwickeln, wurde in mittlerweile fehlerfreiem Deutsch unternommen. In der e-mail hieß es, ein Minister aus Südafrika wolle 1,8 Mill. Euro außer Landes schaffen und benötige dazu Herrn Bär Konto. Äusserste Diskretion sei geboten, denn es würde einen Riesen-Skandal geben, wenn das heraus käme, und der Minister würde Herrn Bär für seine Diskretion fürstlich belohnen. Hm, hm, da ist die Nigeria-Connection wohl nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Glaubhafter hätte nämlich die Schilderung geklungen, ein bayerischer Wurstfabrikant und Fußballpräsident wolle 20 Mill. Euro in die Schweiz schaffen, und wenn das heraus käme, gäbe es einen Riesen-Skandal. Wobei die Boulevardpresse mit ihrer heuchlerischen Schlagzeile „Auch du, Uli?“ so tat, als ob Uli Hoeneß jemals eine moralische Instanz in diesem Lande gewesen wäre. Aber außerhalb der Welt des FC Bayern München hat man Hoeneß nie für eine solche gehalten, und der Trainer Christoph Daum, der wegen seines Kokain-Konsums seinerzeit von Hoeneß verpetzt wurde, erklärte , er empfände keine Genugtuung, dass Hoeneß nun „durch die Hölle“ ginge.  Als Meister der unpassenden Bemerkungen erwies sich wieder mal Rainer Brüderle, der in zeitlichem Zusammenhang mit dem Hoeneß-Skandal den Ankauf von Steuer-CDs als „Daten-Hehlerei“ geißelte und damit die FDP in den Verdacht geraten ließ, sie sei eine Lobbypartei der Steuerhinterzieher.
Bürger beobachten Peer Steinbrück Pannen-Peer glaubte schon, mit seinem markigen Ausspruch „Mehr wir, weniger ich“ endlich zum „Steinbrück der Herzen“ mutiert zu sein. Doch dann vermasselten sie in seinem Wahlkampfteam wieder alles. Da nämlich die SMS-Generation zum Abfassen längerer Texte zu unfähig ist, verkürzte irgendein voreiliger irrer Geselle den Spruch flugs zu „Das Wir entscheidet“: immerhin ein Wort weniger.
Jener Slogan wiederum erwies sich aber ausgerechnet als von einer Leiharbeiterfirma schamlos abgekupfert, und da der Ruf dieser Sklavenhändler-Branche bekanntlich nicht der beste ist, wandelten Satiriker das Motto bereits zu „Die Gier entscheidet“ ab oder schlugen als Alternative vor: „SPD – nichts ist unmöglich“. Der Linken-Chef Bernd Riexinger kommentierte süffisant: „Ehe Steinbrück Kanzler wird, fällt der Mond auf die Erde“. Auch der Göttinger Politologe Franz Walter sieht jenen Politiker-Typus, den Steinbrück „mit großen Sprüchen und kantigem Kinn“ verkörpert, als Auslaufmodell: derlei Alphatier-Allüren hätten in den vergangenen Jahren „kulturell erheblich verloren“. Besonders gut belegen lässt sich das an Hartmut Mehdorn, der abgesehen von seinen Alphatier-Allüren als so eine Art Lothar Matthäus unter den Managern gilt – man ruft ihn immer dann, wenn man keinen besseren findet. Eher fällt der Mond wohl auch auf die Erde, als dass der Flughafen Berlin-Brandenburg unter Mehdorns Regie zügig fertig wird.
Bevor nun die Union auf die Idee kommt, mit dem ebenfalls geklauten Slogan „Alles Merkel oder was“ zu kontern, gab der Malerfürst Markus Lüpertz zu bedenken, Frau Merkel habe einen schlechten Schneider. Das mag wohl sein, aber ob Angela Merkel eine bessere Politik machen würde, wenn sie so modisch extravagant wie Cindy aus Marzahn gewandet wäre, mag dahin gestellt sein.
© Raap/Bär 2013

Bitte beachten Sie folgende Veranstaltungshinweise:

Performance FehltWas?“
im Rahmen des Festivalprogramms „40 Jahre Europastadt Würzburg“
Donnerstag, 9. Mai 2013, 20 Uhr
Plastisches Theater Hobbit, Würzburg,Münzstr. 1,
Mitwirkende: Performance-Gruppe „FehltWas?“, Köln:
Sigrid Balk, Siglinde Kallnbach, Jürgen Raap, Heidi Reichert
40 Jahre/4 Sequenzen: Eine performative Zeitreise durch die Geschichte Europas.

art container 1 – im Art Club Köln, Melchior Str. 13
Freitag 31. Mai 2013 – Samstag 1. Juni 2013 – Sonntag 2. Juni 2013 jeweils ab 17 Uhr
Performance – Lesung- Kabarett
am Sonntag 2. Juni 2013 mit einem Auftritt von Karl-Josef Bär!

bär aktuell nr. 153 – 22. Apr. 2013

April 12th, 2013

Oh, du lieber Augustin, alles ist hin Christian Wulff mag sich in diesen Tagen fühlen wie der Wiener Bänkelsänger Markus Augustin in Dietzenschmids Volkskomödie. „Spiegelonline“ warnt angesichts eines möglicherweise anstehenden Korruptionsprozesses gegen den Ex-Bundespräsidenten vor einer „Show Justiz“ – die mediale Hinrichtung Wullfs ist allerdings schon früher längst erfolgt, nicht zuletzt wegen Wulffs eigener Ungeschicklichkeit mit Drohanruf bei der BILD-Zeitung etc., und nicht zuletzt auch unter der späteren publizistischen Mitwirkung von Noch-Gattin Bettina. Noch muss das Landgericht Hannover entscheiden, ob es die Anklage wegen Bestechlichkeit überhaupt zulässt, weil die Wulffs beim Besuch des Münchener Oktoberfestes sich vom Filmproduzenten Groenewold teilweise aushalten gelassen haben sollen. Nun darf z.B. in Köln ein städtischer Museumsführer keinerlei Trinkgeld annehmen, und wo einst die Müllmänner ein „Neujährchen“ erheischten (d.h. eine kleine Zuwendung zur Entbietung des Neujahrsgrußes an der Haustür), ist auch diese Sitte per Dienstanweisung längst abgeschafft worden. Wenn also der demokratische Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz weiterhin eine Säule unserer Rechtskultur sein soll, kann man nun mal einem Ministerpräsidenten nicht durchgehen lassen, was schon mit weitaus geringeren Summen an Zuwendung oder Vergünstigung den Müllmann um seinen Job bringen würde. Die Mitleids-Heuchelei, die sich medial jetzt genauso über Christian Wulff ergießt wie vor einem Jahr der Shitstorm der Entrüstung von Journalisten und Internet-Bloggern, wirkt in höchstem Maße bigott – sie ist die Kehrseite jener typisch deutschen Rigorosität, mit der man in anderen Fällen auch Leute anprangert, die ihren Müll nicht richtig trennen.
Vom Billigwein zum Eierlikör Großes Gefeixe bei der Initiative Bürger beobachten Peer Steinbrück. Er mutiert nämlich immer mehr zum Verlegenheitskandidaten der SPD, denn der Problem-Peer vergeigt immer noch so ziemlich alles, was man als Spitzenkandidat einer Bundestagswahl eigentlich nur falsch machen kann. Unvergessen ist sein eher läppscher Versuch, durch die deutschen Wohnzimmer zu tingeln und dort das Gespräch mit den Bürgern zu suchen: „Wenn mir Eierlikör angeboten wird, trinke ich einen mit“, hatte Steinbrück vollmundig versprochen. Doch das erste dieser Gespräche fand dann ausgerechnet bei den Eltern einer niedersächsischen SPD-Genossin statt, mithin als „Heimspiel“, und als die Gastgeber auch noch bekundeten „Wir haben extra Eierlikör für Peer Steinbrück gekauft“, kam der Verdacht einer bloß eigens für die Medien inszenierten Veranstaltung auf, die seitdem als „Eierlikörgate“ durch die Gazetten geistert. Dieselbe Familie war nämlich bereits 2009 vom SPD-Funktionär Hubertus Heil für eine ähnliche Aktion besucht worden. Und obwohl die Schulpolitik und mithin ebenso der Schulsport eigentlich Ländersache sind und nicht zur Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gehören, schwadronierte Steinbrück drauflos, man möge den Turnunterricht an Schulen für Jungen und Mädchen künftig getrennt abhalten: mit dem Eindruck, er knicke vor den prüden Ansichten islamistischer Hardliner ein, gewinnt Steinbrück gewiss keine Wählerstimmen. Selbst Steinbrücks SPD-Parteifreund Heinz Buschkowsky, sonst ebenfalls ein Freund von Worten im Klartext, hält dies für „eine sehr unglückliche Äusserung“ und mahnte stattdessen: „Junge Leute brauchen gesellschaftliche Orientierung“. Ein Schuss in den Ofen war Steinbrücks Vorschlag insofern, weil die Kultusministerkonferenz der Länder schon 1985 beschlossen hat, ab Klasse 5 den Sportunterricht „für Jungen und Mädchen getrennt zu erteilen“ – aus pädagogischer Berücksichtigung der Pubertätsprobleme. Nach all den PR-Desastern funktionierte schließlich auch der alte Trick der Polit-Profis, von Schwierigkeiten im Inneren mit glanzvollen Auslandsbesuchen abzulenken, nicht mehr: als Peer Steinbrück in Paris dem französischen Präsidenten François Hollande seine Aufwartung machte, titelte das Polit-Magazin „Cicero“: „Fettnapf-Kandidat trifft Affären-Präsident“. Kommunikationsforscher sind sich einig: bis zur Bundestagswahl im September 2013 könne keine noch so ausgeklügelte PR-Strategie das Negativ-Image des Spitzenkandidaten korrigieren. Jetzt helfe nur noch das Prinzip „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“. Im SPD-Wahlkampfteam möge man daher darauf vertrauen, dass das Publikum der dauernden Fehltritte von Pannen-Peer allmählich überdrüssig sei und nicht mehr großartig auf weitere Flops achte. Nur die Initiative Bürger beobachten Peer Steinbrück wartet auf die nächste Gelegenheit, sich erneut über den Kandidaten zu beömmeln.
P.S. Das Kultgetränk der 1950er Jahre war ein Cocktail namens „Blonder Engel“. Er bestand zu gleichen Teilen aus Eierlikör und Limonade und wurde später gerne auf FDP-Parteitagen konsumiert, wenn der Champagner ausgegangen war. © Raap/Bär 2013

 

Bitte beachten Sie folgenden Veranstaltungshinweis:
Performance FehltWas?“

im Rahmen des Festivalprogramms „40 Jahre Europastadt Würzburg

Donnerstag, 19. Mai 2013, 20 Uhr, Plastisches Theater Hobbit, Münzstr. 1, Würzburg

Mitwirkende: Performance-Gruppe „FehltWas?“, Köln:

Sigrid Balk, Siglinde Kallnbach, Jürgen Raap, Heidi Reichert

– 40 Jahre/4 Sequenzen: Eine performative Zeitreise durch die Geschichte Europas.

bär aktuell nr. 152 – 1. April 2013 – Bild des Monats

April 1st, 2013

memling

 

BILD DES MONATS

„Herr Bär, Sie haben ein Bühnenbild für eine Operette entworfen?“
Bär: „Jojo, ävver eijentlich is dat eher eine Schmonzette. Die hatte dä Komponist Rainer Brüderle damals unter dem Titel ‚Wein, Weib un Jesang‘ erausjebracht un dann war dat Stück jahrzehntelang verschollen. Keiner wollte dat mehr hören. Dat wär alles zu altbacken, zu bräsig, zu sehr auf Altherrenwitzniveau, han se jesaht. Ävver jetz hätt en Journalistin us Hamburg die Partitur wieder entdeckt.“
„Un man hat für die Wiederaufführung dieser Operette einen neuen Titel gegeben?“
Bär: „Mer säht jetzt dazu, dat wör en Musical. Dat klingt zeitjemäßer.. Dä neue Titel ‚Rhein, Wein und Mägdelein“ soll sich ja auch wat moderner anhören. Ävver ich weiß et nit… dat klingt eher nach altem Wein in neuen Schläuchen…“
„Nun ja, den Rhein sieht man links im Bild, Mägdelein sind auch dabei, aber wo ist der Wein?“
Bär: „Den hätt dä Kamelleoffizier rechts im Bild schon ausjetrunken.“

Karl-Josef Bär / Jürgen Raap, „Hommage à Hans Memling“, 2013

 

Bär aktuell Nr. 152 – 1. April 2013

Pecunia non olet . Während Peer Steinbrück anlässlich der zypriotischen Finanzkrise diesmal nicht das Anrücken der Kavallerie androhte wie einst den alpenländischen Steueroasen, sondern beharrlich schwieg, und man bei der Initiative Bürger beobachten Peer Steinbrück nicht recht wusste, ob das Schweigen von Peer Steinbrück wohltuend war oder nicht, blieb es stattdessen seinem Parteifreund Sigmar Gabriel vorbehalten, vor laufenden Kameras den Lobbyisten für die zypriotischen Kleinsparer zu geben. Als die Bedingungen für eine teilweise Rettung des zypriotischen Bankwesens schließlich ausgehandelt waren, grollte ausgerechnet der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker über die medialen Begleiterscheinungen der Krisenbewältigung, er sei entsetzt über so viele Ressentiments in Europa, als ob man gegenüber russischen Oligarchen und der mutmaßlich häufig zweifelhaften Herkunft ihrer Einkünfte keine Ressentiments hegen dürfte. Dazu muss man wissen, dass Juncker als Premier der politische Vorsteher eines ebenfalls als Steueroase operierenden Kleinstaates ist, und da im nördlichen Europa somit nicht nur gegenüber der sprichwörtlichen levantinischen Laxheit der zypriotischen Bankenaufsicht Ressentiments angebracht sind, sei der politischen Korrektheit halber darauf hingewiesen, dass die fiskalpolitische Levante eigentlich schon an der Mosel anfängt, nämlich am luxemburgischen Grenzübergang Wasserbillig.
An den Autokennzeichen der dort vor den Banken parkenden Nobelkarossen lässt sich empirisch belegen, dass in Luxembourg russische Mafiosi als Bank-Kunden deutlich in der Minderheit sind gegenüber wohlbetuchten deutschen Steuersparern. Die calvinistische Bigotterie, die Steinbrück mit seinem geflügelten Wort vom angedrohten Kavallerie-Einsatz explizit dem alpenländischen Bankenwesen unterstellt, hat aber wohl von Hongkong bis zur Wall Street die gesamte Geldbranche erfasst. Zwar muss bei einer deutschen Bankfiliale jeder Schatzmeister eines Kaninchenzüchtervereins bekunden, er halte sich bei der Verwaltung des Vereinsvermögens streng an die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes, aber ansonsten gilt im Kredit- und Investmentgewerbe global der vespasianische Grundsatz „Pecunia non olet – Geld stinkt nicht“. Oder um es mit Bert Brecht auszudrücken: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Wobei dann oftmals mafiöse Oligarchen, Waffenschieber und ähnlich zwielichtige Zeitgenossen die Sättigungsbeilage liefern, und da man bei der Tiefkühl-Lasagne im Supermarkt ja auch nicht so genau wissen will, welcher Schindmähre man in irgendeinem verdreckten Schlachthof weit weg in Osteuropa den Fleischanteil für die Lasagnefüllung aus dem Kadaver geschnitten hat, fragt man an einem zypriotischen Bankschalter bei der Kontoeröffnung auch nicht nach, wo der Oligarch denn nun seine Kohle her hat, wobei man dann wahrscheinlich ohnehin keineswegs die ehrliche Antwort bekäme, er handele mit Tiefkühl-Lasage, deren Pferdefleischanteil man falsch etikettiert habe.
Von Jean-Claude Juncker ist übrigens auch ein geflügeltes Wort überliefert, nämlich, wenn es hart auf hart käme, müsse man als Politiker auch mal lügen dürfen.
Bliebe noch nachzutragen, dass in Köln kürzlich ein junger Mann als Serienbetrüger vor Gericht stand. Der Richter sagte zu ihm kopfschüttelnd, er könne nicht verstehen, dass der junge Mann so sehr auf die schiefe Bahn geraten sei, er stamme doch aus gutem Hause, er sei gebildet, habe gute Manieren… Wobei der Angeklagte zum Antrieb für seine kriminelle Energie erklärte, er sei als Kind zu sehr verwöhnt worden…
© Raap/Bär 2013